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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 8.1904

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Heft 10
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Schmidtbonn, Wilhelm: Der Knecht, [2]: Novelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.19988#0185

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er Lnecht.

Novelle von Wilhelm Zchmidt-Bonn.
(Schlnß.)

Am nächsten Tag lagen die Rölner Domtürme,
die sonnenbestrahlt aus weißem Nebel heraussahen,
schon hinter dem Zchiss, als der Lchisfer aus dem
Häuschen trat, gleich nach dem Rnecht, der am
Zteuer stand, hinsah und rief: „Leid Ihr als am
Sahren?"

Der Rnecht nickte nur mit dem Nops, während
er den Herrn mit einem heiteren und sorglosen
Ausdruck in dem langen knochigen Gesicht ansah.

Iener ging, wie gestern, wieder um das ganze
Achisf herum, prüsend, schien sich zu wundern, daß
der Boden schon gewaschen, alles llketallene schon
blankgeputzt war. „Zum Leufel, wann habt Ihr
denn eigentlich den Anker hoch?" ries er.

„A)ie immer," rief der andere, ohne eine Le-
wegung zu machen.

Der Zchisfer kehrte zu dem Häuschen zurück,
klopste der Akutter an die Cür und^ ries: „Iteh
aus, Akutter, — koch Aafsee! §>der soll das auch
der Anecht tun?" Dann stellte er sich in einiger
Lntsernung von dem Anecht aus, mit breiten
Beinen, kehrte ihm ganz den Rücken zu, steckte
die tzände in die Taschen und sah, wie der andere,
auf das Wasser hinaus, das mit seinen unablässig
wie aus einem geheimen Erunde nach einem ge-
heimen Aiel hinströmenden Wellen gemeinsam mit
dem Bchisf durch die grünen Länder der User
dahinzog.

Tie junge Hrau kam heraus, bückte sich, ließ
einen Limer zum Wasser hinunter und ging wieder
in ihre Tür zurück. In dem andern Aimmerchen,
das zugleich die Aüche war, härte man die Nutter
in ihren Holzschuhen umhergehen, und bald daraus
stieg schon der Rauch aus dem kleinen Lchornstein.

Ter Lchisser stand immer da, so bewegungslos
wie der Alte am Lteuer; es sah von hinten nicht
anders aus, als ob er so recht zufrieden und voll
Elück über die junge Krau, das Zchiff und den
schönen Norgen dastehe und träumend hinaus-
schaue. Aber plötzlich drehte er sich um nach dem
Alten hin und schrie, ohne die Hände aus den
Taschen zu nehmen: „Ro — und ich? A)as soll
ich denn tun? Boll ich den ganzen Tag hier
stehen und das Maffer ansehn?" Bein Gesicht war
rot wie Seuer vor Zorn.

Der Anecht öffnete den Nund, sprach aber
nicht, sah nur mit dem Ausdruck des hächsten
Staunens, Nichtbegreisens zu dem Iungen hinüber.

Der Iunge nahm nun die Hände aus den
Taschen, trat mit zwei kurzen lauten Schritten zu
dem andern hin, streckte den Ropf hoch, stellte sich
auf die Zehen, um mit seinem Sesicht möglichst
nahe vor dem des andern zu stehen, und schrie
so laut, als ob er am vorderen Lnde des Zchiffes
stehe, und plötzlich in seiner alten heimatlichen
Aprache: „Zom Teusel — et es keine Plaatz för

zwei op däm Zchiff! Ihr mäöt jonn, ich kün-
digen Üch — en vierzehn Däg mööt Ihr jonn!"

Der Alte behielt noch eine Weile den Ausdruck
eines sragenden, ein wenig verlegenen Lachens auf
dem Gesicht. Dann aber schloß sich sein Nund,
so, als ob beide Teile plötzlich zusammengefallen
wären, sein Tesicht sah starr aus, eckig, wie aus
Holz geschnitten, schien ohne Leben — nur die
Augen leuchteten in einem tieseren, glänzenden
daraus hervor, sahen an dem Eesicht des Iungen
vorüber groß und feststehend aus das Wasser
hinaus.

„Ls ist nicht anders auf der Welt, es ist
immer so," suhr der Iunge sort, ein wenig weicher;
„Ihr seid nun auch alt, habt Ruh verdient, habt
Luch auch ein wenig gespart." Lr griff mit der
Hand nach dem Zteuer. Lin Lachen, eine Hreude
lies unvermittelt über sein Tesicht: „Donnerkeil,
jetzt will ich einmal das Zchiff sahren! Ich will
dsch sehen, wie das Ding sich macht."

Der Rnecht ließ seine Hand noch eine Weile
aus dem Zteuer liegen, nahm sie dann langsam
sort, nahm auch seine angelehnte Hüsts fort, sah
noch auf das Wasser hinaus, sah aber dann mit
einem schnellen ungewissen Blick dem andern ins
Gesicht, sah das Lachen da — und ahmte dieses
Lachen nach, während sein Tesicht ohne einen
Blutstropsen, gelb und bleich wie das Zegel war.
Nit einem Nal aber särbte sich dieses Tesicht mit
einem tiefen glühenden Rot, das langsam aus
dem Hemdkragen hervorkam, den Hals herausstieg
und sich zugleich, oben von der Ztirn herunter,
nach unten ausbreitete. Lr senkte den Rops, legte
ihn ein wenig aus die Zchulter, setzte dann die
Beine in Bewegung, sah noch einmal nach dem
Zteuer hin, ging dann von dem Zteuer weg, an
dem er dreißig Iahre gestanden, ging neben den
Zteinen her, "das Zchiff entlang, kam an die
Treppe, die in den Bauch sührte, wollle erst daran
vorbeigehen, drehte aber dann den riesenhasten
Leib nach der Zeite um und verschwand Ztück sür
Ltück hinter dem Haufen der Zteine, während zu
hören war, wie die nackten Wße schwer und lang-
sam sich über die hälzernen Ztusen hinabbewegten.

Unten, im Dämmerlicht einer Lcke, hinter dem
A)all der Lteine, der von hier aus ausgerichtet
war und von dem es kalt aussträmte, stand die
schwarze Holzkiste, die die wenigen Dinge, die dem
Rnecht aus dieser Welt gehörten, von einem un-
geheuren Zchloß verwahrt, barg, und daneben lag
der lange, mit Ztroh dickgemachte Zack, über den
zwei wollene Decken gebreitet waren und der das
Bett des Rnechtes war.

Der Alte setzte sich aus die Riste nieder, stützte
die Hände neben sich auss Holz und sah stier
in das halbe Dunkel hinein. Wie von selber hatte
es ihn hierhin gezogen, hier war sein Platz, hier
kam kein anderer hin, hier war er allein. Nur
noch etwas war bei ihm: das Holz selber, das
alte, das man zum Zchiff zusammengebogen hatte,
gegen das von allen Zeiten das Wasser wie kleine
 
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