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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 8.1904

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Heft 9
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Klein, Rudolf: Kultur-Politik
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Detlev von Liliencron, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.19988#0142

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OsskÄlb isr cisr Iraäikionsloss auslr soglslctr 8oriL>-
äsmokrat unä paktisrt mit äsm ?öbsl, sobalä äis sings-
rostete kisZisrunZ Isklsr MLLbt, ststt sisb in vornsbmsr
kisserve ru vsrksltsn. Ois junZsn IZsrlinsr Künstler
bsäenksn Zar nickt, vis sekr sis sick äsäurck unä ikrsr
gutsn 8scks scksäsn. Ls ist nickk Zut, vsnn psulcken 8InZsr
slck im KeickstsZ ?um ?ürsprscker äer moäernsn Kunst auk-
vvirkt. OisjunZsnKünstlsrsolltenpolitisckLukäsr„Kscktsn"
stsken unä ikrs 8scks verkretsn lassen äurck kkuZo von
Isckuäi, ^olkZLNZv. OsttinZsn, kkLrry OrskKsüIsr, klsmen,
äie ruZIsick bersuZen, äLÜ äer prorsntULl äock gerinZs
-Väsl nock ssinsn IVlLnn in äsr Kunslvertretunß stsllt.

Ick spraek unlsnxst mit sinsm kier stLtionisrtsn
kskkoliscksn ?risstsr sus IVlLinr, unä sr sak, LbZsssken
von äsr klLsssnunrsinksir äsr kissiZsn gsvölkerunZ, äie
MLNZelnäs Kultur, äis ikm im OsZsnsstr ru ssinsn süä-
äeutscksn ÜLnäsIsutsn so Lukkisl, — vvsnn er Luck blsik
unä 2uckk äss Korääeutscken sekr LnsrkLnnte —, Lls
eine ?olge äsr MLNgelnäsn pLäsZogiseken ?Lkigksitsn
äes KrotsstLNtismus LN. kis vvüräs miek ru vvsik kükrsn,
keute kisrkür sins LrklLrung ru vsrsueken, äock kat äis 8s-
kLuptung visles kür sick. ^Vie vvsnig äer protsstLntismus
sls IkrLZer rein geistiger läsLls nock ksuts bis in äie
brsitersn 8ckickten äss Volkss vvirksLm sein kann, unä
wie sls eins kolZs äiesss IVlLNAsIs äss VieäsrLukblüken
äer kksrrsckskt äsr kLtkoliscksn Kircks snrussksn ssi,
äss kst unIsnZsk sin proksstLntiscksr Kekrer äsr Zerlinsr
k)orotkssn-8ckuls, Or. zskob 8ckmiät, in Zsistvollsr ^Vsiss

im OstsrproZrLmm äsr 8ckuls äLrZeleZt. VsrkolZt msn
äisss 'ÜLtSLcks weiter, so srZibt sick sls ikre KsrLlIsI-
erscksinunZ äer LlIZsmeins 2uZ nsck äem 8üäsn in

ZsistiZsr 6sriskung. prsuüsn unä äer protestLntismus
kLbsn Oeutscklsnä wirtsckgktlick ZestLrkt, ss scksint, äsü
äis geistiZs 6skrucktunZ nur sus äsm Keick kornmsn

ksnn. kknä so mackt sick äsnn nack äsm Klterstur-

Zssckrsi von 1880 äsr ^bkgll von 6erlin im 8inne einer

vvokltusnäen OsrsntrsIisLtion nsck Lllen 8eitsn KIn bs-
merkbsr. 6rwsknts äock nsulick sckon 6insr, äsk äis
^utoren ikrs KomLns nickt mskr in 6srlin, vielmekr in
äsr 6rovinr spislsn lassen, unä bsi äer KunstäebLtte im
KeickskLZ sprsck äis vsrstLnäiZsten Vorts äsr ^sntrums-
LbZeoränstö 8pLkn. ^Väkrsnä sine Keiks von ^eitsekriktsn,
teils jüngsts Orünäunßsn, in äiessm 8inns ru wirken be-
strebt sinä. Vorsuk ZinZ äer „Kunstwgrt", ss kolgtsn
äsr „Ikürmer", äis „kkksinlLnäs", äis „8üääeutscken
IVkonLtskektö", äss „kkocklsnä", 6Iättsr, von äensn jsäes
suk seins kVsise äem 2isls näksrrukommsn suckt,
wäkrsnä unter äen VerlsZsrn sperisll 6uZsn Olsäerlcks
äis 6ükrung äsr nsusrsn reliZiössn 6ewsZunZ in äis
kkgnä Zsnommen kLt.

Oss ist äss jungs 8trsbsn nnck äem Ksckten, äock
nur äsr ersks tLstenäs Kinäersckritt in äas ksnä äer
Kukunkt, wäkrsnä reckts unä links äie verwirrenäs
8timmsnmskrksit ksrrsckt jensr kulturlosen 2vviekeit, äis
wis ick ru künZLnZ betonts, als ZeistiZs IVIinäerwsrtiZksit
äss äsutscke Volk rurreit regisre.

j?>etlev von Lilieneron.

Terade recht zu semein 60. Teburtstag
am Z. Iuni dieses Iahres ist in den Kesannnelten
Werken als Band ls und s2 der „poggfred" her-
ausgekommen, sein ureigenstes Werk, von allen
deutschen Dichterbüchern seit einem halben Iahr-
hundert das beste. Zo unnachahmbar wie Goethes
„ßaust", wenn auch nicht im entserntesten ihm ver-
gleichbar an Hassung und Bau: ihm doch eben-
bürtig in der Bouveränität. Die Iprache ist so
mächtig der tiefsten Tedanken und Gefühle ge-
worden, daß sie mühelos alles hinperlt, was dem
Dichter in den Iinn steigt. Und in dieser grenzen-
losen Hreiheit ist dieser „Poggsred" ein Wunderwerk.
Nicht etwa, daß er formlos wäre, wie Verssuß-
zähler meinen, im Tegenteil: Hktaven und Ter-
zinen von solchem Klang der Iprache, von solcher
innerlichsten Teschlossenheit hat nur Toethe zu
schreiben vermocht; sie sind tllusterstücke in ihrer
metrischen Ltrenge, in ihrem rhythmischen Tewoge
ohnegleichen. Wie aber in diesen klassischen
Sormen ein moderner Üiensch seine herrlichsten und
heimlichsten Dinge mühelos hinsagen kann, dasür
gibt in etwa nur Byron ein Vorbild. Wenn wir
bedenken, wie dessen Itanzen damals die Welt er-
regten, wie seine Aeitgenossen einen Tlanz der
Tottheit um ihn sahen, müssen wir an dem Bil-
dungsstand unserer Teneration tief zweiseln: denn
wo außer bei den poeten, die ihm jubelnd als
ihrem Sürsten huldigen, wo ist etwas von seiner

Wirkung zu verspüren? Nühselig werden den
kkriegervereinen seine Rriegsnovellen aufgeredet,
damit sie doch zu einigen Auflagen kommen, aller-
orts mühen sich Linsichtige, seine vaterländischen
Tedichte in die Lchulbücher zu bringen: aber wo
ist Liliencron in seinem Volk? A)o sind die
Deutschen, die Teist uud Herz genug haben, um
deu rauschenden Btrophen seines „Poggfred" mit
Tenuß solgen zu können?

Vorläusig stellt Liliencron kaum mehr dar als
ein Ideal für eine Ichar von Auserwählteu, dessen
segnende Arast aber sür unser Volk noch nicht
lebendig ist. wir sprechen viel von der Ionne
Toethes; aber wenn wir wahrhast darin wohn-
ten, würden wir zu Liliencron anders stehen;
denn das ist gewiß, nicht darum handelt es sich
hier, daß wir einen Dichter anerkennen, weil er
nun alt ist: sondern daß wir endlich seine Zchätze
nehmen, nicht um uns einen raschen Tenuß zu
verschassen, sondern daß wir reicher, heller, mann-
hafter werden. Nichts tut unserer Zeit der phrasen-
haften müden Teister mehr not als ein Tropfen
tüliencron. AAr ihn aufnimmt, hat sich zu einem
srischen Ülenschentum erhoben. Wir lausen immer
noch den großen und geheimnisvollen Allüren nach;
weil dieser Dichter so gar nichts aus sich macht,
und weil er vieles hinwirst wie zur Telegenheit,
nehmen wir alles so; sprechen wir weise von
seincm „Aaturburschentum" und verkennen, daß er
der Tiesste unter uns ist; der Ciesste und darum
auch der Höchste. B.
 
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