Ncrschiedene tzühner.
Was das Mnd anzog, wirkte in geläuterter
Weise auf die Iungfrau: die Bilder, die ich ihr
zum Betrachten überließ, die von ihr aber auch
ebenso schonend behandelt wurden wie von der
Nappe, die fie in der Ruhe umschlossen; und die
Bücher, die ich für sie auswählte.
Ltill saß sie auf dem Ltuhle in der Lcke zwischen
Denster und Rlavier, vor dem sie als Rind ge-
kauert hatte; schnell kam sie heran, wenn ich sie
ries, um ihr etwas zu zeigen oder zu schenken, ein
Bild oder ein Buch, oder dem Rinde einst ein
Närchen, das aus dem lebendigsrischen Bronnen
des traulichen Verkehrs entsprungen war und nun
zu ihm zurückkehrte aus geheimnisvollem Wege.
Wenn ich mir heute noch vorstelle: diesen
großen Blick, dieses verständniswarme Leuchten und
Dlackern, diese Testen, den Druck der kleinen warmen
Hand, die gewöhnlich erst bei dem Höhepunkte
der seelischen Lrregung die meine suchte, — wohl
um durch die körperliche Verkettung die Mrkung
zu erhöhen —, dann überkommt mich eine Lehn-
sucht nach Vergangenem, schrecklich Verlorenem,
und dann weiß ich auch wieder, was die rechte
Lunst dem rechten Volke ist: eine Rrast, eine
Zprache, ein Land, ein Anker....
Ia, so war das Rind, so war die Iungsrau,
und dieses Losein hatte schöne Tründe.
Lelten habe ich ein schöneres Samilienleben be-
obachten dürsen, als jenes, welches mir meine Um-
gebung bot. Mchts wirkt aber mehr auf eine mög-
lichst vollkommeneAnsbildung allerschönenund guten
Anlagen als der lebendige Hauch ehelicher Liebe.
Und die reinste Mrklichkeit dieser Liebe war
die herrlichste Poesie.
Noch in jener Zeit — sie waren bei meiner
Ankunst acht Iahre verheiratet — überraschte ich
sie manchmal, wie sie, einen schönen Tedenktag
feiernd, wie zwei Liebende kosten und dann vor
mir sich schämen wollten.
Tapfer hatten sie sich aber auch gehalten, denn
der Weg zum schönen Ziel war kein ebener gewesen.
Me habe ich mich einst der Ztunde gesreut, die
mir diese Liebesgeschichte bescherte, und da sie mir
auch die Leele spannte zur innigsten Leilnahme
an dem Teschicke der ganzen Hamilie, da sie auch
uns das Auge stärken und schärfen wird sür das
Aommende, so mag sie hier den Lhrenplatz erhalten.
Daß ich's nachhole: Lie waren beide Bauern-
kinder und ich sollte wohl nach solcher Poesie sagen,
seltsamerweise. Doch ich will's nicht und dars's
nicht. Die Tiesinnerlichkeit, das schöne ßeuer und
das wonnige Träumen sinden sich zur rechten Zeit
aus dem Lande mehr als anderswo.
Da es sich nicht ausdrängt mit öffentlichem
Tetue, so mag's gekommen sein, daß sogenannte
Realisten und Realistinnen vom Bauer nur wissen,
daß er derb und gelegentlich grob ist, — das bleibt
ja nicht unter dem Aittel —, und daß er darum
auch einmal recht derb und klotzig heiratet.
Allerdings, auch das Land hat Auchmenschen
genug und Vorurteile aus allen Tebieten. llnsere
jZwei aber waren ganze tltenschen und darum
wußten sie mit den Vorurteilen fertig zu werden.
Lr hatte außer seinen krästigen Armen, seinen
geraden Augen und dem sesten Herzen nichts als
den schlechtesten Hof im Dorfe und eine Nutter zum
Versorgen, nachdem in des Zohnes achtzehntem
Iahre den Vater das einzige Pserd zu Tode ge-
treten hatte. Im folgenden Iahre kam schon die
erste ßalte in die Ltirne.
Ter jämmerliche Hof aber grenzte an den
unsern, und so konnte der eine so recht sehen,
was er hatte, und der andere erkennen, was er
nicht hatte.
Anser alter Bauer hatte das denn auch wohl
gewußt und seinen Rindern eine Hauslehrerin ge-
halten. Lin Lohn mußte studieren.
Lo waren die Beiden Nachbarskinder gewesen,
und dort, wo heute die tzecke ganz verdorrt ist
und damals schon der Holunder so ahnungsvoll
niedrig geblieben war, da hatten sie sich den ersten
Ruß gegeben.
Nit dem Hungerleider kam sie gut an.
T>er Lidam war schon längst ausgesucht. A)as
hals das kluge Belachen von Heiratsgedanken, das
Aufschieben und endlich das offene Nichtwollen.
Die Lltern machten nur große Augen über eine
solche Linsältigkeit. Ia, was hals gegen den
Ztierkops des Vaters das Denken und Trübeln
eines Nädchens und das wilde Aufbäumen ihres
wunden Innern, und endlich erklärte sie sich bereit,
es versuchen zu wollen.
Der Sreier kam, kam mit allem Pomp und
jencr protzigen Niene, die protzig-reiche Bauern im
sichern Tefühl ihres Zieges zur Zchau tragen können.
Da geschah's.
Als sie ihn sah, — sah! da kam eine Angst
über sie wie nie zuvor, wie vor einem schrecklichen
llnglück, und ein Lkel vor demjenigen, der doch
wahrhastig nicht häßlich war, daß sie bei ihrem
plötzlichen Amsliegen den Vater zur Seite stieß,
hinaus auf den Hos lief und sprang - hinaus
aufs Seld, nicht kiar bewußt wohin, nur hinaus,
hinaus und doch endlich dahin, wohin sie mußte -
zu ihm.
Lr stand am Pfluge, hatte gerade das Pflug-
eisen ausgezogen und abgeschlagen. Noch hielt er
die blitzende Iläche in der tzand. Ta sprang sie
heran. Nit großen Lätzen. Tat, lvas sie noch
nie getan. Nit der ganzen ungebannten Tlut
lodernder Leidenschast wars sie sich an seine Brust
und wollte nicht aufhören ihn zu küssen und mit
ihren krästigen Armen enger und enger zu um-
sassen. Lr wehrte nicht, erwiderte auch nichts,
ahnte auch vielleicht etwas Vorausgesehenes und
schwieg, bis sie endlich in größter Äusregung mit
abgerissenen Lätzen und Worten das Nätigste heraus-
gewürgt hatte. Dann machte er sich sanft los von
den jetzt schlaffen Armen, ließ das Lisen fallen,
ließ den zusriedenen Vchsen und das treue Pserd
stehen, nahm das Nädchen wie ein Aind bei der
Hand und sagte: „Aomm."
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Was das Mnd anzog, wirkte in geläuterter
Weise auf die Iungfrau: die Bilder, die ich ihr
zum Betrachten überließ, die von ihr aber auch
ebenso schonend behandelt wurden wie von der
Nappe, die fie in der Ruhe umschlossen; und die
Bücher, die ich für sie auswählte.
Ltill saß sie auf dem Ltuhle in der Lcke zwischen
Denster und Rlavier, vor dem sie als Rind ge-
kauert hatte; schnell kam sie heran, wenn ich sie
ries, um ihr etwas zu zeigen oder zu schenken, ein
Bild oder ein Buch, oder dem Rinde einst ein
Närchen, das aus dem lebendigsrischen Bronnen
des traulichen Verkehrs entsprungen war und nun
zu ihm zurückkehrte aus geheimnisvollem Wege.
Wenn ich mir heute noch vorstelle: diesen
großen Blick, dieses verständniswarme Leuchten und
Dlackern, diese Testen, den Druck der kleinen warmen
Hand, die gewöhnlich erst bei dem Höhepunkte
der seelischen Lrregung die meine suchte, — wohl
um durch die körperliche Verkettung die Mrkung
zu erhöhen —, dann überkommt mich eine Lehn-
sucht nach Vergangenem, schrecklich Verlorenem,
und dann weiß ich auch wieder, was die rechte
Lunst dem rechten Volke ist: eine Rrast, eine
Zprache, ein Land, ein Anker....
Ia, so war das Rind, so war die Iungsrau,
und dieses Losein hatte schöne Tründe.
Lelten habe ich ein schöneres Samilienleben be-
obachten dürsen, als jenes, welches mir meine Um-
gebung bot. Mchts wirkt aber mehr auf eine mög-
lichst vollkommeneAnsbildung allerschönenund guten
Anlagen als der lebendige Hauch ehelicher Liebe.
Und die reinste Mrklichkeit dieser Liebe war
die herrlichste Poesie.
Noch in jener Zeit — sie waren bei meiner
Ankunst acht Iahre verheiratet — überraschte ich
sie manchmal, wie sie, einen schönen Tedenktag
feiernd, wie zwei Liebende kosten und dann vor
mir sich schämen wollten.
Tapfer hatten sie sich aber auch gehalten, denn
der Weg zum schönen Ziel war kein ebener gewesen.
Me habe ich mich einst der Ztunde gesreut, die
mir diese Liebesgeschichte bescherte, und da sie mir
auch die Leele spannte zur innigsten Leilnahme
an dem Teschicke der ganzen Hamilie, da sie auch
uns das Auge stärken und schärfen wird sür das
Aommende, so mag sie hier den Lhrenplatz erhalten.
Daß ich's nachhole: Lie waren beide Bauern-
kinder und ich sollte wohl nach solcher Poesie sagen,
seltsamerweise. Doch ich will's nicht und dars's
nicht. Die Tiesinnerlichkeit, das schöne ßeuer und
das wonnige Träumen sinden sich zur rechten Zeit
aus dem Lande mehr als anderswo.
Da es sich nicht ausdrängt mit öffentlichem
Tetue, so mag's gekommen sein, daß sogenannte
Realisten und Realistinnen vom Bauer nur wissen,
daß er derb und gelegentlich grob ist, — das bleibt
ja nicht unter dem Aittel —, und daß er darum
auch einmal recht derb und klotzig heiratet.
Allerdings, auch das Land hat Auchmenschen
genug und Vorurteile aus allen Tebieten. llnsere
jZwei aber waren ganze tltenschen und darum
wußten sie mit den Vorurteilen fertig zu werden.
Lr hatte außer seinen krästigen Armen, seinen
geraden Augen und dem sesten Herzen nichts als
den schlechtesten Hof im Dorfe und eine Nutter zum
Versorgen, nachdem in des Zohnes achtzehntem
Iahre den Vater das einzige Pserd zu Tode ge-
treten hatte. Im folgenden Iahre kam schon die
erste ßalte in die Ltirne.
Ter jämmerliche Hof aber grenzte an den
unsern, und so konnte der eine so recht sehen,
was er hatte, und der andere erkennen, was er
nicht hatte.
Anser alter Bauer hatte das denn auch wohl
gewußt und seinen Rindern eine Hauslehrerin ge-
halten. Lin Lohn mußte studieren.
Lo waren die Beiden Nachbarskinder gewesen,
und dort, wo heute die tzecke ganz verdorrt ist
und damals schon der Holunder so ahnungsvoll
niedrig geblieben war, da hatten sie sich den ersten
Ruß gegeben.
Nit dem Hungerleider kam sie gut an.
T>er Lidam war schon längst ausgesucht. A)as
hals das kluge Belachen von Heiratsgedanken, das
Aufschieben und endlich das offene Nichtwollen.
Die Lltern machten nur große Augen über eine
solche Linsältigkeit. Ia, was hals gegen den
Ztierkops des Vaters das Denken und Trübeln
eines Nädchens und das wilde Aufbäumen ihres
wunden Innern, und endlich erklärte sie sich bereit,
es versuchen zu wollen.
Der Sreier kam, kam mit allem Pomp und
jencr protzigen Niene, die protzig-reiche Bauern im
sichern Tefühl ihres Zieges zur Zchau tragen können.
Da geschah's.
Als sie ihn sah, — sah! da kam eine Angst
über sie wie nie zuvor, wie vor einem schrecklichen
llnglück, und ein Lkel vor demjenigen, der doch
wahrhastig nicht häßlich war, daß sie bei ihrem
plötzlichen Amsliegen den Vater zur Seite stieß,
hinaus auf den Hos lief und sprang - hinaus
aufs Seld, nicht kiar bewußt wohin, nur hinaus,
hinaus und doch endlich dahin, wohin sie mußte -
zu ihm.
Lr stand am Pfluge, hatte gerade das Pflug-
eisen ausgezogen und abgeschlagen. Noch hielt er
die blitzende Iläche in der tzand. Ta sprang sie
heran. Nit großen Lätzen. Tat, lvas sie noch
nie getan. Nit der ganzen ungebannten Tlut
lodernder Leidenschast wars sie sich an seine Brust
und wollte nicht aufhören ihn zu küssen und mit
ihren krästigen Armen enger und enger zu um-
sassen. Lr wehrte nicht, erwiderte auch nichts,
ahnte auch vielleicht etwas Vorausgesehenes und
schwieg, bis sie endlich in größter Äusregung mit
abgerissenen Lätzen und Worten das Nätigste heraus-
gewürgt hatte. Dann machte er sich sanft los von
den jetzt schlaffen Armen, ließ das Lisen fallen,
ließ den zusriedenen Vchsen und das treue Pserd
stehen, nahm das Nädchen wie ein Aind bei der
Hand und sagte: „Aomm."
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