DIE DEUTSCHE JAHRHUNDERT-AUSSTELLUNG.
nicht so hoch wie den Allegoriker, der ein
Seher war. Die Versuche zur Lichtmalerei
geben den Rungeschen Porträts etwas Unruhiges,
ja lassen sie auf den ersten Blick barbarisch
erscheinen und weniger ausgereift als die Por-
träts der vorigen Generationen. Das Licht
wirkt fleckig und die farbigen Partien bunt,
hart, blechern. Auf dem Bilde, das den Künst-
ler, seine Frau nnd seinen Bruder darstellt,
wirkt die Landschaft wie eine romantische
Dekoration, und wir vermissen den feinen
Pflanzenzeichner, dessen Kunst hier unter dem
Pinsel verloren geht; aber die Gruppierung der
Figuren ist gut und der Arm der Frau in der
Belichtung zart. Das Bild der Eltern des
Künstlers ist ein wichtiges Zeitdokument und
scharf in der Charakterbildung der Köpfe; male-
risch ist der Vordergrund sehr hart, aber der
Himmel luftig. Auf dem Bilde der Hülsen-
beckschen Kinder ist das Streben nach Licht-
malerei am ersichtlichsten im weißen Kleid des
Knaben. Das reifste der Porträte aber scheint
das Selbstbildnis, vielleicht schon weil der
Künstler im kleinen Rahmen der Aufgabe
leichter gerecht wurde. Das Bild „Ruhe auf
der Flucht“ sagt weniger zu, hier mischt sich
die Kunst des Mystikers mit der des Porträ-
tisten und es entsteht ein Zwitter, während die
kleine Skizze zum Morgen, der Säugling im
Gras, den Künstler als Landschaftsnaturalisten
im weitesten Sinne offenbart.
Hamburg hatte um jene Zeit (1804—1830) einen
Künstler, der zwar nicht an den Mystiker Runge
reicht, ihm aber als Porträtist ebenbürtig ist,
ihn in gewisser Beziehung sogar überragt, da
er aus Bescheidung harmonischer wirkt; es ist
Julius Oldach, der schon mit 26 Jahren starb.
Seine Porträte sind von mäßigem Umfang, ge-
wöhnlich Brustbilder in halber Lebensgröße.
Koloristisch das eigenste ist wohl „der alte
Müller“. Scharf im Profil sitzt die in einem
Buch lesende Halbfigur gegen eine Wand, die
unten braune Holzverkleidung, oben grüne Tapete
ist. Und gegen dieses stumpfe Grün steht das
matte Weiß der Zipfelmütze, der trockene
Fleischton des Gesichts wie unten das Grau
des dicken filzigen Schlafrocks gegen das Braun
der Wand in einer Delikatesse, daß man tat-
sächlich an eine japanische Malerei denkt; auf
einem kleinen Tisch im Vordergrund links steht
ein Zinngefäß, ein Teller und ein Wasserglas.
Der Kopf des Alten ist von jener Formen-
charakteristik, die für Oldach typisch ist, zu-
gleich aber von einer Weichheit der Modellierung,
die sich in den übrigen Bildern nicht findet.
Dann wäre als Besonderes das Raffinement der
Komposition zu betonen; die lineare wie farbige
Wirkung der Wand, die die Figur überschneidet,
die Linie der Pfeife, die als Diagonale durch
das Bild geht und ihr Gegengewicht, die Hand
und das Buch. Auf den übrigen Porträten spricht
meist nur der Kopf, der zum Hintergrund in einem
ziemlich beziehungslosen Zusammenhang steht;
dieses Bild ist ein Organismus, aus dem kein
Glied wegzudenken wäre, linear wie koloristisch
gleich meisterhaft, ein Bild von hoher Kultur
im Sinne nationalen Bürgertums. Es ist deshalb
erklärlich, daß man es anzweifelte und für eine
dänische Arbeit hielt. Diese malerische Kultur
findet sich denn auch tatsächlich in keinem
der übrigen Oldachs. Deren Köpfe sind meist
fein gezeichnet aber hart gemalt; die Feinheit
der Zeichnung bekundet sich auch in dem
Spitzenwerk des weiblichen Kopfputzes. Das
nahezu lebensgroße Porträt des Vaters des
Künstlers weist dann doch wieder eine Verwandt-
schaft mit dem „alten Müller“ auf, nicht in der
Anordnung, wohl aber in der Farbe und Fleisch-
behandlung. Es hat somit den Anschein, als
ob die harten, mehr gezeichneten Porträte
Jugendwerke des Künstlers seien, denn sie
sind an Zahl die geringeren. Seltsamerweise
sind die Hände auf einem dieser frühen am
ausdrucksvollsten. — Eine Oldach verwandte
Natur ist einer der beiden Speckter, der Porträtist,
1806—1835. Er ist aber noch weit schärfer in der
Zeichnung, das Wort scharf hier im Sinne eines
beinahe grausamen Konturenstils. Seine Köpfe
wirken wie kolorierte Zeichnungen, so schimmert
die Linie im dünnen Kolorit, so wenig er-
scheint Farbe und Linie in organischem Zu-
sammenhänge. Aber als Zeichner ist er fein,
sehr fein, und die dünne Flächenwirkung der
Farbe auf dem Bilde „Die Schwestern“ sogar
apart, das Kaffeebraun, Kirschrot und Grasgrün.
Erwin Speckter starb, wie Oldach, früh, noch
nicht dreißig, Runge mit 33; eine seltsam
hoffnungsvolle Generation, die so rasch abtreten
mußte. Aber es scheint doch, daß sie sich
ausgegeben hatten, denn keiner stirbt zu früh.
Ihre Leistungen sind zu gleichwertig. Auf-
fallende Spuren der Entwicklung sind nicht zu
konstatieren. Die Eigenart Speckters liegt am
klarsten im Bilde des Malers H. J. Herterich
vor uns. Farbe und Zeichnung scheinen bei-
nahe getrennt, doch ist die Farbenzusammen-
stellung in ihrer kühlen Noblesse anziehend:
der schwarze Rock und das beinahe weiße Ge-
sicht auf dem grauen Grund; es erinnert an
die auf Elfenbein gemalten Miniaturen des
18. Jahrhunderts, oder besser noch, man denkt
an eine Gemme, geschnitten in einen kalten
Stein. Der Kopf wirkt nahezu „präpariert“, das
Wort im Sinne des Anatomen, der ein Muskel-
netz freilegt. Aber Erwin Speckter war nicht
nur Porträtist. Mit seinem Bilde „Die drei
Marien am Grabe“ wäre er einer der feinsten
Nazarener; die Pose der Figuren ist edel und
natürlich, das Kolorit in seinen stumpfen dunklen
Tönen erzählt uns von Einem, der das Gött-
liche nicht in alten Bildern, sondern nächtens
unterm Sternenhimmel wandelnd sucht. Die
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nicht so hoch wie den Allegoriker, der ein
Seher war. Die Versuche zur Lichtmalerei
geben den Rungeschen Porträts etwas Unruhiges,
ja lassen sie auf den ersten Blick barbarisch
erscheinen und weniger ausgereift als die Por-
träts der vorigen Generationen. Das Licht
wirkt fleckig und die farbigen Partien bunt,
hart, blechern. Auf dem Bilde, das den Künst-
ler, seine Frau nnd seinen Bruder darstellt,
wirkt die Landschaft wie eine romantische
Dekoration, und wir vermissen den feinen
Pflanzenzeichner, dessen Kunst hier unter dem
Pinsel verloren geht; aber die Gruppierung der
Figuren ist gut und der Arm der Frau in der
Belichtung zart. Das Bild der Eltern des
Künstlers ist ein wichtiges Zeitdokument und
scharf in der Charakterbildung der Köpfe; male-
risch ist der Vordergrund sehr hart, aber der
Himmel luftig. Auf dem Bilde der Hülsen-
beckschen Kinder ist das Streben nach Licht-
malerei am ersichtlichsten im weißen Kleid des
Knaben. Das reifste der Porträte aber scheint
das Selbstbildnis, vielleicht schon weil der
Künstler im kleinen Rahmen der Aufgabe
leichter gerecht wurde. Das Bild „Ruhe auf
der Flucht“ sagt weniger zu, hier mischt sich
die Kunst des Mystikers mit der des Porträ-
tisten und es entsteht ein Zwitter, während die
kleine Skizze zum Morgen, der Säugling im
Gras, den Künstler als Landschaftsnaturalisten
im weitesten Sinne offenbart.
Hamburg hatte um jene Zeit (1804—1830) einen
Künstler, der zwar nicht an den Mystiker Runge
reicht, ihm aber als Porträtist ebenbürtig ist,
ihn in gewisser Beziehung sogar überragt, da
er aus Bescheidung harmonischer wirkt; es ist
Julius Oldach, der schon mit 26 Jahren starb.
Seine Porträte sind von mäßigem Umfang, ge-
wöhnlich Brustbilder in halber Lebensgröße.
Koloristisch das eigenste ist wohl „der alte
Müller“. Scharf im Profil sitzt die in einem
Buch lesende Halbfigur gegen eine Wand, die
unten braune Holzverkleidung, oben grüne Tapete
ist. Und gegen dieses stumpfe Grün steht das
matte Weiß der Zipfelmütze, der trockene
Fleischton des Gesichts wie unten das Grau
des dicken filzigen Schlafrocks gegen das Braun
der Wand in einer Delikatesse, daß man tat-
sächlich an eine japanische Malerei denkt; auf
einem kleinen Tisch im Vordergrund links steht
ein Zinngefäß, ein Teller und ein Wasserglas.
Der Kopf des Alten ist von jener Formen-
charakteristik, die für Oldach typisch ist, zu-
gleich aber von einer Weichheit der Modellierung,
die sich in den übrigen Bildern nicht findet.
Dann wäre als Besonderes das Raffinement der
Komposition zu betonen; die lineare wie farbige
Wirkung der Wand, die die Figur überschneidet,
die Linie der Pfeife, die als Diagonale durch
das Bild geht und ihr Gegengewicht, die Hand
und das Buch. Auf den übrigen Porträten spricht
meist nur der Kopf, der zum Hintergrund in einem
ziemlich beziehungslosen Zusammenhang steht;
dieses Bild ist ein Organismus, aus dem kein
Glied wegzudenken wäre, linear wie koloristisch
gleich meisterhaft, ein Bild von hoher Kultur
im Sinne nationalen Bürgertums. Es ist deshalb
erklärlich, daß man es anzweifelte und für eine
dänische Arbeit hielt. Diese malerische Kultur
findet sich denn auch tatsächlich in keinem
der übrigen Oldachs. Deren Köpfe sind meist
fein gezeichnet aber hart gemalt; die Feinheit
der Zeichnung bekundet sich auch in dem
Spitzenwerk des weiblichen Kopfputzes. Das
nahezu lebensgroße Porträt des Vaters des
Künstlers weist dann doch wieder eine Verwandt-
schaft mit dem „alten Müller“ auf, nicht in der
Anordnung, wohl aber in der Farbe und Fleisch-
behandlung. Es hat somit den Anschein, als
ob die harten, mehr gezeichneten Porträte
Jugendwerke des Künstlers seien, denn sie
sind an Zahl die geringeren. Seltsamerweise
sind die Hände auf einem dieser frühen am
ausdrucksvollsten. — Eine Oldach verwandte
Natur ist einer der beiden Speckter, der Porträtist,
1806—1835. Er ist aber noch weit schärfer in der
Zeichnung, das Wort scharf hier im Sinne eines
beinahe grausamen Konturenstils. Seine Köpfe
wirken wie kolorierte Zeichnungen, so schimmert
die Linie im dünnen Kolorit, so wenig er-
scheint Farbe und Linie in organischem Zu-
sammenhänge. Aber als Zeichner ist er fein,
sehr fein, und die dünne Flächenwirkung der
Farbe auf dem Bilde „Die Schwestern“ sogar
apart, das Kaffeebraun, Kirschrot und Grasgrün.
Erwin Speckter starb, wie Oldach, früh, noch
nicht dreißig, Runge mit 33; eine seltsam
hoffnungsvolle Generation, die so rasch abtreten
mußte. Aber es scheint doch, daß sie sich
ausgegeben hatten, denn keiner stirbt zu früh.
Ihre Leistungen sind zu gleichwertig. Auf-
fallende Spuren der Entwicklung sind nicht zu
konstatieren. Die Eigenart Speckters liegt am
klarsten im Bilde des Malers H. J. Herterich
vor uns. Farbe und Zeichnung scheinen bei-
nahe getrennt, doch ist die Farbenzusammen-
stellung in ihrer kühlen Noblesse anziehend:
der schwarze Rock und das beinahe weiße Ge-
sicht auf dem grauen Grund; es erinnert an
die auf Elfenbein gemalten Miniaturen des
18. Jahrhunderts, oder besser noch, man denkt
an eine Gemme, geschnitten in einen kalten
Stein. Der Kopf wirkt nahezu „präpariert“, das
Wort im Sinne des Anatomen, der ein Muskel-
netz freilegt. Aber Erwin Speckter war nicht
nur Porträtist. Mit seinem Bilde „Die drei
Marien am Grabe“ wäre er einer der feinsten
Nazarener; die Pose der Figuren ist edel und
natürlich, das Kolorit in seinen stumpfen dunklen
Tönen erzählt uns von Einem, der das Gött-
liche nicht in alten Bildern, sondern nächtens
unterm Sternenhimmel wandelnd sucht. Die
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