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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 4
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Klein, Rudolf: Die deutsche Jahrhundert- Ausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0203

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DIE DEUTSCHE JAHRHUNDERT-AUSSTELLUNG.

uns nicht mehr zu. Er wird sogleich manieriert,
man ahnt schon spätere münchnerische Un-
sitten; es ist trotz dem angestrebten Realismus
ein Arbeiten auf „Stimmung“, das sich nicht
an die Natur hält. Lugo, dem frühen Dreber
verwandt, kann nach dem Wenigen hier nicht
beurteilt werden. — Henneberg ist einer der
Atelier-Romantiker, die ihr Unverständnis der
Natur gegenüber am bunten Samt und Seide
ritterlicher Zeiten zu entschädigen suchten; es
sei ihnen verziehen, des Korns Farbenlust
wegen, das sie in die damalige Nüchternheit
streuten. In einigen Skizzen ist er übrigens
frischer; doch muß es abermals betont werden,
daß es eine Ungerechtigkeit andern gegenüber
wäre, solche Skizzen zu hoch anzuschlagen. —
Lessing ist in dieser Ausstellung knapp ver-
treten, nur mit zwei Bildern, einem guten und
einem schlechten; das gute steht Rottmann
nahe; ein ins Nordische übersetzter Rottmann
ist Lessings „Rheinlandschaft“. Sie zeigt uns
Lessing von seiner besten Seite, und darum
steht sie Rottmann nahe, dem Lessing sonst
an Naturbeobachtung nicht gleichkommt. Hier
ist Lessing nicht nüchtern und trocken, wie in
seinen Eifellandschaften, deren Romantik wohl
nur in der ritterlichen Staffage beruhte; auf
diesem Bilde ist ein ungemein gut studierter
Himmel und eine sichere Tonwirkung.

Ob Schirmer, den man heute Lessing all-
gemein vorzieht, in der Naturbeobachtung über
Rottmann hinausgeht, ist schwer zu sagen, an
Kraft der Darstellung und Reichtum der An-
schauung ist er ihm jedenfalls weit überlegen.
Die nordische Landschaft schützte ihn vor
Rottmanns Buntheit, der fast ausschließlich
Italien malte, läßt ihn nicht selten aber auch,
in Braun befangen, farblos erscheinen. Sein
Springbrunnen aus der „Villa Borghese“, mit
den halbbesonnten Statuen in der Runde, zeigt
ihn jedenfalls als einen schärferen Beobachter,
und die Behandlung des spritzenden Wassers
als einen Maler von größerer Ausdrucksfähigkeit.
Es ist dieses ein Bild, dem die frühen Böcklins
nahestehen, und es überragt die Leistungen
seiner deutschen Zeitgenossen um ein beträcht-
liches an malerischem Vortrag, in dessen
schmelzender Art gerade die Verwandtschaft
mit Böcklin liegt. Gegen eine solche Kunst
wirkt Rottmann dünn, und besonders wenn
man Schirmers kraftvolle Campagna-Landschaft,
mit ihrem bewegten Himmel sich neben ähn-
lichen Leistungen Rottmanns denkt. August
Weber, ein Schüler Schirmers, hat dessen
ungefähre Eigenheit vergröbert und so den
Anlaß zu einer Schule gegeben, die zum Teil
in Düsseldorf blühte und ohne feinere Be-
obachtung „deutschen Baumschlag“ malte.
Auch der Münchener August Zimmermann
gehört hierher. Weber aber überragte mit
einigen Bildern diese Leute merklich. Es
ist in seiner kleinen „Waldpartie“ ein Gefühls-

ton angeschlagen, der nach der echt düssel-
dorfischen Mondscheinromantik neigt, und den
wir bei Schirmer, der stark malerischen Be-
gabung, nur selten finden. Eine bemerkens-
werte Stellung unter diesen Düsseldorfern nahm
Hasenclever ein. Die Romantik der Düssel-
dorfer bestand damals im Grunde in der Un-
bekümmertheit des Spießbürgers, der „fern in
der Türkei die Völker aufeinanderschlagen“ ließ.
Diese Beschränktheit des Ideenkreises hielt
jene Maler von unnützem Pathos frei und gab
der Enge ihres Horizontes nicht selten einen
Gehalt. Das ist bei Hasenclever der Fall,
dessen Art sich eine gewisse Ironie beimischt,
ein Humor, der ihn über der Situation zeigt.
Die Einfachheit der Lebensanschauung machte
ihn zu einem Künstler, der in seinen Bildern
das Gegenständliche aufs knappste faßt, und
die Schärfe der Beobachtung zu einem Charak-
teristiker, der trotz der Ironie nicht übertreibt.
Sein „Jobs im Examen“ ist somit eine Figur
von natürlicher Drolligkeit, und auf dem „Lese-
kabinett“ finden sich Köpfe von großer Lebens-
wahrheit. Dabei ist in diesem Bilde die
Wiedergabe des Lampenlichts nicht ohne male-
rischen Wert, auch ist die Gruppierung und
Haltung der Figuren meisterhaft. Man denkt
an frühe englische und dänische Genrebilder,
an Wilkie und Marstrand. Daß ein derartiger
Künstler im Porträt Gutes leisten mußte, ist
einleuchtend, und sein Bildnis des Ludwig Oxe
beweist es. Peter Schwingen gehört in seine
Nähe und der Porträtist Engel von der Rabenau.
Schrödter aber zeigt uns mit seinem „Don
Quixote“ den Weg zur üblen Genremalerei,
in der Nebensächlichkeiten in aufdringlicher
Geschwätzigkeit das Wort führen. Carl Sohn
ist der Porträtist dieser Schule; sein Porträt
eines Malers vor der Staffelei bedarf als De-
korum unbedingt des Rapiers und Fechthand-
schuh. Für damalige Verhältnisse ist das Bild
nicht schlecht gemalt, jedenfalls weit besser
als des Künstlers „Leonoren“. In Carl Müller —
dem diese „Leonoren-Kunst“ verwandt ist —
lebte ein Funke der Nazarener auf; eine sei-
figere, mark- und seelenlosere Kunst läßt sich
nicht denken. Hier hat nicht die geistige Rein-
heit männlicher Entsagung — wie bei Cor-
nelius — das Wesen des Überirdischen zu
fassen versucht, hier ist der Himmelstraum
einer alten Jungfer zur Verkörperung gelangt,
die täglich vor einem Porzellan-Madönnchen
ihren Rosenkranz betet.

Mit Ludwig Richter nähern wir uns einer
andern Phase der Romantik; es beginnt das
Herz zu schlagen. Mehr Zeichner als Maler,
steht er in diesem Sinne hinter den zuletzt in
diesem Kapitel Genannten zurück, doch ent-
schädigt uns dafür ein Empfindungsleben, das
ungehindert freilich nur in seinen Zeichnungen
durchbricht. Doch wir kommen auch hier schon
zum Genuß: es ist ein warm empfundener
 
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