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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 5
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Hoeber, Fritz: Zur Hegemonie der Architektur: historisch-kritische Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0242

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E, R. Weiss. Früchte.

drängung des letzteren durch das Neue ist gegen
1530 vollendet. In dieser Stilphase, die haupt-
sächlich noch ganz deutsch, also weit weniger
architektonisch als malerisch war, verharrt
die Kunstentwicklung ungefähr bis zur Mitte des
Jahrhunderts, wo sich alsdann ein mächtiger
Umschwung vorbereitet!

Denn in Italien, speziell in Rom und Venedig,
hatte sich damals die klassische Architektur in
ihr gerades Gegenteil vollständig verwandelt:
den Barock! Für Italien bedeutete er lediglich
die Auilösung des streng architektonischen Prin-
zipes ins freie malerische; der Grundriß wird
in der Einheit seines Planes durch Risalitbil-
dungen aufgelockert, denen entsprechend in der
Ansicht die weitschattend ausladenden Gesimse
massig verkröpft werden; und diese werden
jetzt nicht mehr von den fein reliefierten Pi-
lastern Raffaels und Bramantes getragen, sondern
wuchtende schier vollplastische Säulenordnungen
fassen mehrere Geschosse auf einmal zusammen:
die Formensprache drückt alles doppelt aus,
obschon das des Ausdruckes Werte nicht zu
diesem im adäquaten Verhältnisse steht! Konnte
man dem Quattrocento so oft vorwerfen, daß
es das Interesse am Ganzen zugunsten dem
der Teile vernachlässige, so trifft den Barock
gewiß mit Recht der umgekehrte Vorwurf: vor
lauter monumentalem Streben kein Feinsinn
mehr für die richtige Ausarbeitung des schönen
Details, und darum so häufig Vergewaltigung
des letzteren trotz des an sich recht ent-

schiedenen Widerspruches von Werkform wie
Material! —

Für Deutschland bedeutet ja einerseits das
Eindringen dieses Barock ähnliches wie fürs
Mutterland: der gleichsam bis jetzt nur

zweidimensionale Bau erhält durch Vor- und
Rücksprünge, durch Schatten- und Licht-
wirkungen usf. einen ganz andern, nämlich
Tiefenausdruck. Aber man darf anderseits
auch keineswegs vergessen, daß damals zu-
erst, vorzüglich auf dem Wege über die
Niederlande, die immer die engere Fühlung
mit Italien, dem Mutterlande der klassischen
Richtung, behielten, die entscheidenden und
wesentlichen Renaissancebaugedanken nach
Deutschland kamen: die Fassadenkomposition
nach Ordnungen und nach Verhältnissen. Da-
mals entstanden, für Deutschland bisher noch
ganz unerhört, wirklich architektonische Bauten,
angeregt vor allem auch noch durch eine Reihe
von - bezeichnend genug — zuerst ins Nieder-
ländische und dann erst ins Deutsche über-
tragenen Architekturtheoretikern wie: Vitruv,
Serlio, Vignola, Scamozzi und Palladio, von
denen die vier letzteren ihre Kunsttheorien in
der den Verfall ihrer Kunst wohl einsehenden
Absicht geschrieben hatten, möglichst viel noch
durch den Zwang der fest fixierten Regel von
dem zu retten, was dem eigenen Feinsinne
stündlich verloren zu gehen drohte! — Dieser
architektonischen Richtung sogenannter deutscher
Renaissance gehören die beiden Hauptbauten des

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