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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 5
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Hoeber, Fritz: Zur Hegemonie der Architektur: historisch-kritische Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0244

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ZUR HEGEMONIE DER ARCHITEKTUR.

beherrschenden großen Baulinien sprechen,
wenn auch der Palast Friedrichs IV. noch mit
einer ganzen Reihe anderer als rein architek-
tonischer Mittel arbeitet: den malerischen!

Jedenfalls war die vollbewußte Absicht der
damaligen Bauleute, in den beiden das Ge-
samtbild des Schlosses wesentlich bestim-
menden Architekturen keine losen Aufhäufungen
plastischer Malerischkeiten, sondern — für
Deutschland sogar äußerst strenge — Sym-
metrien zu geben! Und mag der ursprünglich
rationale künstlerische Eindruck des Heidel-
berger Schlosses heute einem mehr irrationalen
d. h. malerischen gewichen sein, so kommt
dieses nicht auf Rechnung der damaligen
planenden Führer, der Architekten, sondern
auf die anderer umbildender Elemente: der Zer-
setzung in ihrer zeitlichen Folge durch Menschen-
und Naturkräfte! — —

Wem gebührt nun die Hegemonie in der
Angelegenheit der Erhaltung dieser einzig-
artigen künstlerisch - natürlichen Ruine: den
Architekten, die einst die alte Herrlichkeit er-
schaffen, oder den Malern, zu denen das noch
jetzt bestehende Bild am meisten spricht?

Es versteht sich von selbst, daß eine solche
Hegemonie der Architektur nichts mit der zu
tun hat, die, wie oben erwiesen, in allen

klassischen Zeiten — und also auch der Haupt-
sache nach am Heidelberger Schlosse — so-
wohl tatsächlich geherrscht hat, als auch
prinzipiell herrschen mußte, ohne daß sich ihre
Vertreter, wieder wie oben erwiesen, irgend-
welche ihnen nicht zugehörige Rechte der
anderen Schwesterkünste „angemaßt“ hätten! —
Aber in praktischen Konservierungsfragen hat
der schaffende Architekt, der gewiß auch, wenn
er potent genug ist modern zu arbeiten, nie-
mals sich aus „historischen Motiven“ seine
Kunst zusammenleimen wird, ebensowenig mit-
zureden wie der schaffende Maler; überhaupt
nicht der synthetisch wirkende, begeisterte
Künstler, sondern der kalt analysierende Ge-
lehrte.* — Diesem objektiven zur Seite trete
dann als technischer Beirat nicht der subjektive
Künstler, der Architekt, sondern der ebenso
wie der Gelehrte objektive Ingenieur!

Und auf diese Weise vollziehe sich alsdann
sine ira et Studio: nämlich gewissenhaft, recht
„unkünstlerisch“ und schlicht-sachlich-kühl die
Erhaltung des Heidelberger Schlosses! —

* Vgl. auch hierzu: G. G. Dehio, Denkmalschutz und
Denkmalpflege im 19. Jahrhundert. Strassburg i. E. 1905. —
Dass freilich der idealste Analytiker der ist, der gleich gross
in der Synthese ist, versteht sich von selbst.


Karl Hofer. Mädchen am Fenster.
 
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