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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 6
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Rüttenauer, Benno: Aus dem grossen Haufen der Kölner Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0284

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AUS DEM GROSSEN HAUFEN DER KÖLNER AUSSTELLUNG.

Am nächsten mit der Landschaft berühren
sich das Blumenstück, das Stilleben, das „In-
terieur“. Als Blumenmalerin weicht Marie
Steinhausen von allem Herkömmlichen stark
ab. Sie malt besonders keine Sträuße; sie hebt
überhaupt die Blumen nicht aus der Natur
heraus. Als ich eines Tages Photographien
nach ihren Sachen sah, schüttelte ich bedenk-
lich den Kopf. Mir erschien das purer Natura-
lismus. Ich hatte mich aber geirrt. In ihren
Originalen gibt die Künstlerin ein streng stili-
siertes Kolorit,
und also hebt sie,
in höherem Sinn,
ihre Blumen doch
aus der Natur
heraus.

Eine starke
malerische Wir-
kung erreicht
Frau Alice Trüb-
ner, während
Conz und Liebert
es mit Erfolg auf
dekorative Schön-
heit abgesehen
haben. Eine kühn
hingestrichene
Impression ist
das „grüne Zim-
mer“ von Fer-
dinand Brütt und
ähnlich impres-
sionistisch wirkt
die „goldene Kan-
zel“ von Rudolf
Huthsteiner, wäh-
rend die beiden
Kirchen - Innere
von Heinrich Her-
manns fast an
Menzelsche Akri-
bie erinnern.

* *

*

An Bildnissen
ist die Ausstel-
lung nicht gerade
reich — die Por-
träts Kölner Bür-
ger stehen hier außer Betracht — aber das
Vorhandene ist fast durchweg erfreulich, zum
Teil erstaunlich. Besonders das Bildnis des
Dr. Scheible von Bernhard Pankok ist eine
Leistung der letzteren Art. Und das ist das
Erstaunliche dieser Schöpfung: Natur und
Leben werden durchaus erschöpfend wieder-
gegeben, nicht das kleinste Tröpflein Leben
geht auf dem weiten Weg dieser Wiedergabe
verloren; aber diese Wiedergabe wird mit so
stark-eigenen, selbsterrungenen Ausdrucksmitteln

erreicht, daß wir, der fast brutalen Lebendig-
keit des Gegenstandes zum Trotz, geneigt sind,
nur der subjektiven Sprache des Künstlers zu
lauschen; mit andern Worten: daß wir über
der Kunst — nicht den Künstler, wie man
wohl sagte — aber die Natur vergessen, und
dies trotzdem der Künstler seine Mittel schein-
bar nur gebraucht hat, um die Natur so
stark als möglich sprechen zu lassen. Nur
freilich: daß er sie nicht in ihrer, sondern
in seiner Sprache sprechen läßt.

Das Geheim-
nis aller Kunst-
wirkung ist da-
mit ausgedrückt.
Man kennt den
schönen Satz von
Schiller, in dem
dieser nämliche
Gedanke schon
klar formuliert
ist: „In einem
wahrhaft schönen
Kunstwerk soll
der Inhalt nichts,
die Form aber
alles tun, und
darin besteht das
eigentlicheKunst-
geheimnis des
Meisters, daß er
den Stoff durch
die Form ver-
tilgt.“ Man kann
freilich so was
zitieren, ohne sich
das geringste da-
bei zu denken.

Eine Land-
schaft, vor der
wir zuerst an ein
Stück Natur
denken, ist ein
schlechtes Bild;
ein Bildnis, an
dem uns zuerst
der dargestellte
Mensch inter-
essiert, ist ein
schwaches oder
gar kein Kunstwerk, und wer ein Stilleben
nicht mit Wonne genießen kann, der soll
sich nicht einbilden, daß ihm das Eigentlich-
Künstlerische in irgend einem Werk zugäng-
lich sei.

Aber allerdings stellt, wie mir auch aus
dem Gesagten hervorzugehen scheint, das Bild-
nis (oder das Historienbild, wenn überhaupt da
ein Unterschied zu machen ist) den Künstler
vor eine größere Kraftprobe als ein Stilleben.

Bernhard Pankok. Damenbildnis im Oval.

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