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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 5.1912

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Nr. 3 (Mai u. Juni)
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Forrer, Robert: Zur Cibisusschale von Kempten
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https://doi.org/10.11588/diglit.25475#0059

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den Typus E als Bordüre, den Typus C als Streumuster. Zu Ittenweiler
haben sich diese späten Eierstâbe nur in ganz wenigen Proben gefunden,
im Gegensatz zu den ältern A und B, welche dort absolut vorherrschen und
daher allem Anschein nach in Ittenweiler zeitlich am lângsten geübt worden
sind. Die Typen C, D, E scheint Cibisus also erst gegen Ende seiner Itten-
weiler Tâtigkeit eingeführt zu haben.

Wenn nun die Kemptener Schale Ittenweiler Fabrikat ist. so ist sie
sicher eines der spâtesten Ittenweiler Erzeugnisse. Noch wahrscheinlicher
aber ist sie erst an demjenigen Orte entstanden, an dem Cibisus nach Itten-
weiler gearbeitet hat, also in Rheinzabern. Dafür spricht zunâchst der
ganze HabitUs der Schale, der gegenüber der dekorierten Flâche auffallend
hohe Rand und der hohe, doppelt abgesetzte Standring, wie er Ittenweiler
wie Heiligenberg vôllig fehlt. Weiter spricht für eine zeitliche Ansetzung,
welche nach des Cibisus Aufenthalt in Ittenweiler fâllt, die gegenüber den
Ittenweiler Fabrikaten wesentlich rohere Dekoration der Schale von Kempten,
ja in dieser Beziehung weicht das Fundstück so sehr ab von allen Ittenweiler
Fundstücken, dass man beinahe an einen vôllig anderen, künstleriseh wesent-
lich tiefer stehenden und zeitlich wesentlich spâter arbeitenden Handwerker
denken möchte. Man kônnte an einen Sohn oder sonstigen Schüler und
Gehülfen des Cibisus denken, der dessen spätere Eierstâbe, seine Formen
und seinen Signierstempel übernahm, und seine Ware mit dem altrenommierten
Stempel rveiterstempelte, wie auch der Name des Ateius und andere gut
angeschriebene Firmen anscheinend noch nach dem Tode des Schôpfers weiter-
geführt worden sind.

Wollen wir diese letztere Deutung annehmen — und es spricht in der
Tat manches dafür, — so gelangen wir an die Zeit von 171 oder, nach oben
abgerundet, 175, welche für die Schale von Kempten in Betracht kommt,
nahe heran: Ich habe die Endzeit des Cibisus für Ittenweiler ca. 125 n. Chr.
geschätzt. Für seinen spätern Aufenthaltsort (Rheinzabern) kâmen dann etwa die
Jahre 125— 140 in Betracht und für seinen direkten Nachfolger die Jahre 140—180.
Aber es scheint mir doch, dass wir diese Sigillaten zeitlich etwas zu tief
angesetzt haben, dass wir sie etwas mehr nach oben schieben müssen :
Heiligenberg nur wenig, Ittenweiler aber um so mehr, weil wahrscheinlich
der Ittenweiler Verecundus etwas spâter ist, als der Heiligenberger Vere-
cundus, und in Ittenweiler doch auch Verrohungen und besonders flüchtige
Eierstâb’e auftreten, wie sie Heiligenberg in seiner Blütezeit noch nicht kennt.
Rechnen wir nach dem Gesagten die Anfânge von Ittenweiler erst um
125—130, dann für Ittenweiler eine Dauer von 20—25 Jahren, so erhielten
wir für diesen Ort eine ungefâhre Endzeit um 150—160 n. Chr. und hâtten
dann für Cibisus in Rheinzabern die Jahre 150 resp. 160 bis ca. 175 offen,
in welch letztere Jahre die Kemptener Schale fiele. Wir werden aber wie
gesagt auch mit einem eventuellen Geschâftsnachfolger rechnen müssen. —
Jedenfalls zeigt dies Beispiel wieder, dass wir auf dem Gebiete der Sigillata,
wie auf so vielen Gebieten, bis zur vollen Klarheit und Sicherheit noch un-
endlich viel zu forschen haben, môgen die Arbeiten der letzten Jahre auch
zu jenem Endziel die Wege wesentlich geebnet haben. 5

Mit Ittenweiler werden wir auch den Reliefmeister Verecundus von
Windisch zeitlich etwas später ansetzen müssen 2). Ich betone: den »Relief-
meister«, denn wahrscheinlich ist der Autor des glatten Geschirrs des
G. VAL. VEREC. aus dem nicht iiber 100 n. Chr. hinausreichenden Win-

2) Vgl. meine Heiligenberger Schrift pag, 132 u. flf.
 
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