Raum zur Verfügung und Berlin hatte Ge»
legenheit, die Arbeiten des Werkhauses kennen
zu lernen. Sogar in der Potsdamer Strafe,
einer gefährlichen Gegend, fünf Minuten vom
„Sturm“. Der Eindruck ist überwältigend. Uns
zählige absolute Kunstwerke sind ausgestellt,
oder richtiger aufgestellt. Die Künstler sind
Kinder von 5 bis 12 Jahren. Arbeiten in Oel,
Tusche, Holz, Draht, Messing, in jedem Material.
Die Kunst der Südsee, Afrikas und Asiens steht
lebendig da, troßdem Stuttgart zweifellos in
Württemberg liegt. Was hat dieser Merz ge»
tan? Er hat die Kinder gewähren lassen. Er
hat sie nichts gelehrt. Er hat die schöpferischen
Triebe von Kindmenschen sich entfalten lassen.
Er hat die Triebe nicht verschüttet, er hat ihnen
Luft und Licht gegeben, wo man versucht hat
oder versuchte, es ihnen zu nehmen. Er regt
sie an, alles zu sehen und alles zu hören. Er
gibt den Kindern keine Aufgaben, er läßt sie
geben. Er behütet ihr Wachsen vor den Er*
wachsenen und kann es, weil er selbst Er»
wachsener ist. Ein Erwachsener, der die Ab*
wehr gegen die richtet, die Wehrloseren zu
wehren suchen. Ein Erzieher, der ziehen läßt
und vielleicht die Richtung weist, ohne daraus
eine Richtung zu machen. Denn Richt ungen
sind Wegweiser und alle Wege führen irgend»
wohin. Und wenn man durch die Straßen
zieht, ist das Ziehen ijnd nicht die Straße das
Leben. Man kann nach Stuttgart ziehen und
in der Kunst ankommen. Man kann in Kunst
erziehen und dabei künstlerisch verkommen.
Lehren heißt verlernen lassen. Lernen heißt,
sich nichts lehren lassen. Man muß richten und
nicht unterrichten. Unten und oben sind Vor*
Stellungen oder Verstellungen. Und soweit es
Stellungen sind, hängen sie nur^von der Seh»
richtung ab. Kinder kehren gern das Oberste
zum Untersten. Denn das Sehen, nicht das
Gesehene ist Leben.
Da man in Deutschland immer nur über Ver*
eine oder Parteien etwas erreichen kann, so
gründe man einen Verein gegen die pädagogische
Mißhandlung von Kindern. Da in jedem Ver»
ein und in jeder Partei bekanntlich schließlich
nur einer etwas tut, so gebe man dann diesem
Albrecht Merz die ausübende Macht mit
der jeßt recht beliebten Ermächtigung, die
Macht auszuüben. Die Pädagogik ist eine so vor»
nehme geistige Institution, daß sie gegen das gründ»
säßliche Verbot ihrer Anwendung nicht den harm»
losesten Hochverratsputsch versuchen wird.
Hier sind zwei Zeichnungen, die eine hat ein
sechsjähriges Kind, die zweite ein sechseinhalb*
jähriges Kind gestaltet.
Kinderzeichnung
Kinderzeichnung
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legenheit, die Arbeiten des Werkhauses kennen
zu lernen. Sogar in der Potsdamer Strafe,
einer gefährlichen Gegend, fünf Minuten vom
„Sturm“. Der Eindruck ist überwältigend. Uns
zählige absolute Kunstwerke sind ausgestellt,
oder richtiger aufgestellt. Die Künstler sind
Kinder von 5 bis 12 Jahren. Arbeiten in Oel,
Tusche, Holz, Draht, Messing, in jedem Material.
Die Kunst der Südsee, Afrikas und Asiens steht
lebendig da, troßdem Stuttgart zweifellos in
Württemberg liegt. Was hat dieser Merz ge»
tan? Er hat die Kinder gewähren lassen. Er
hat sie nichts gelehrt. Er hat die schöpferischen
Triebe von Kindmenschen sich entfalten lassen.
Er hat die Triebe nicht verschüttet, er hat ihnen
Luft und Licht gegeben, wo man versucht hat
oder versuchte, es ihnen zu nehmen. Er regt
sie an, alles zu sehen und alles zu hören. Er
gibt den Kindern keine Aufgaben, er läßt sie
geben. Er behütet ihr Wachsen vor den Er*
wachsenen und kann es, weil er selbst Er»
wachsener ist. Ein Erwachsener, der die Ab*
wehr gegen die richtet, die Wehrloseren zu
wehren suchen. Ein Erzieher, der ziehen läßt
und vielleicht die Richtung weist, ohne daraus
eine Richtung zu machen. Denn Richt ungen
sind Wegweiser und alle Wege führen irgend»
wohin. Und wenn man durch die Straßen
zieht, ist das Ziehen ijnd nicht die Straße das
Leben. Man kann nach Stuttgart ziehen und
in der Kunst ankommen. Man kann in Kunst
erziehen und dabei künstlerisch verkommen.
Lehren heißt verlernen lassen. Lernen heißt,
sich nichts lehren lassen. Man muß richten und
nicht unterrichten. Unten und oben sind Vor*
Stellungen oder Verstellungen. Und soweit es
Stellungen sind, hängen sie nur^von der Seh»
richtung ab. Kinder kehren gern das Oberste
zum Untersten. Denn das Sehen, nicht das
Gesehene ist Leben.
Da man in Deutschland immer nur über Ver*
eine oder Parteien etwas erreichen kann, so
gründe man einen Verein gegen die pädagogische
Mißhandlung von Kindern. Da in jedem Ver»
ein und in jeder Partei bekanntlich schließlich
nur einer etwas tut, so gebe man dann diesem
Albrecht Merz die ausübende Macht mit
der jeßt recht beliebten Ermächtigung, die
Macht auszuüben. Die Pädagogik ist eine so vor»
nehme geistige Institution, daß sie gegen das gründ»
säßliche Verbot ihrer Anwendung nicht den harm»
losesten Hochverratsputsch versuchen wird.
Hier sind zwei Zeichnungen, die eine hat ein
sechsjähriges Kind, die zweite ein sechseinhalb*
jähriges Kind gestaltet.
Kinderzeichnung
Kinderzeichnung
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