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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Berlewi, Henryk: Mechano-Faktur
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0176

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DER STURM/DRITTES VIERTELJAHRHEFT
werden wir in der Lage sein, ein Resultat der fakturellen Wirkung zu erreichen, das
mit der unmittelbaren Wirkung der Faktur des Materials selbst identisch ist.
Indem ich mich auf dieses Prinzip der Materialäquivalenz konsequent stützte und es
weiter entwickelte, schuf ich eine neue und selbständige Faktur, unabhängig von den
Materialien, die zugleich der Natur der zweidimensionalen Malerei entspricht.
Abgesehen von der Zweckwidrigkeit der „Material-Faktur“ wegen ihres Wider-
spruches zu der Zweidimensionalität der Malerei, muß man auch ihren Anachronismus
gegenüber den heutigen Aufgaben der bildenden Künste unterstreichen. Die Material-
Faktur verfügt über eine ungeheure Zahl von Mitteln — denn Materialien gibt es
unendlich. Sie zwang den Maler zu einem dauernden Grübeln über die Geheimnisse,
die in jedem Material verborgen sind, trieb ihn dadurch zur Schaffung ausgesuchter,
spitzfindiger faktureller Kombinationen. So war die Material-Faktur der Nährboden
von jeder Art Individualismus, Subjektivismus und ästhetischer Überaffiniertheit. Im
Gegensatz zur Zeit: statt der Einfachheit und Ökonomie der Mittel — übermäßige
Kompliziertheit, statt Klarheit — Wirrnis.
Die Ergebnisse des fetischistischen Kultus der Materialien, der sich bereits in unzähligen
Experimenten offenbart hat (zum Beispiel Picasso und Bracque in Frankreich, Schwitters
und Baumeister in Deutschland, Valori Plastici in Italien), sind bedeutend und dürfen
nicht negiert werden. Es handelt sich darum, diese Ergebnisse gehörig zu verwerten
und sie für die neuen Ziele zu verarbeiten. Und hier kommt uns die moderne
industrielle Technik zu Hilfe.
Nur das Finden faktureller Äquivalente für die gesamten Materialien würde die Malerei
zur Imitation der Fakturen von Gegenständen, wenn auch nicht der Gegenstände selbst,
reduzieren. Die Malerei würde sich dann in eine neue Art gegenstandslosen Im-
pressionismus verwandeln, in eine Art von Illusionismus. Außerdem würde auf diese
Weise der Anstoß zur neuen Entwicklung des Subjektivismus und des Chaotischen
gegeben werden — wegen der Unmenge der uns umgebenden Materialien, die keiner
akurellen Ordnung unterworfen sind. Dies wäre eine mühevolle und komplizierten
Arbeit, die uns keinen realen Nutzen brächte, abgesehen von der Anarchie auf dem
Gebiete des malerischen Schaffens. Man mußte also Äquivalente schaffen, die nicht
sozusagen einfache Photographien der Fakturen der einzelnen Materialien oder
Gegenstände sind, sondern in sich die Synthese aller fakturellen Werte enthalten,
die über alle Gegenstände der uns umgebenden Welt chaotisch verstreut sind.
Um also dies Werk der Vereinigung der gesamten fakturellen Werte in einer synthetischen
Ordnung zu vollbringen, um ein diszipliniertes fakturelles System zu schaffen, muß man
zur schematischen Methode übergehen. Das Schema ist das einzige rationelle

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