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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Hilberseimer, Ludwig: Großstadtarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0206

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DER STURM / VIERTES VIERTELJAHRHEFT

einzige Form entsteht Architektur. Diese ist daher ebenso abhängig von der
raumumschließenden Materie. Kommt erst durch ihre unlösbare Verbundenheit
zustande, wird durch den Gestaltungsprozeß verwirklicht.
Die Gestaltung hat daher eine doppelte Funktion. Zweierlei Stoff zum Gegenstand.
Bewirkt eine doppelte Abtrennung gegen die Natur. Löst den materiellen wie den
ideellen Stoff aus allen bisherigen Zusammenhängen. Vereinigt beide. Bindet sie
nach bestimmten Gesetzen. Macht sie zu einem einheitlichen, in sich geschlos-
senen Organismus. Stellt damit eine räumliche oder zeitliche Begrenztheit dar.
Mit dieser Betonung des Formalen soll die Bedeutung des Inhalts und anderer
Momente nicht verkürzt werden. Denn sie sind es ja gerade was durch die Ge-
staltung realisiert werden soll. Daher kann eine Form nur dann vollkommen sein,
wenn sie dem Inhalt in jeder Hinsicht gemäß ist. Da alles Vorstellbare Inhalt
des Kunstwerks sein kann, ist auch das Zweckmoment von der Gestaltung nicht
ausgeschlossen. Ja es wird geradezu, wie bei der Großstadtarchitektur, zum
ideellen Stoff. Durch Gestaltung gezwungen Form zu werden. Die Architektur
ist in viel höherem Maße als die anderen Künste mit der Materie verwurzelt.
Diese der formalen Gestaltung zu unterwerfen eine ihrer Hauptaufgaben.
*
Außenbau und Innenbau bedingen sich gegenseitig. Die Gliederung des Innenraums
bestimmt die Gestaltung des Außenbaues, wie umgekehrt der Innenbau von den
Grundzügen der äußeren Gestaltung abhängig ist. Außenbau und Innenraum be-
grenzen einander in den Außenflächen des Baukörpers. Diese als Konzentration
beider Raumverhältnisse bildet die eigentliche architektonische Form. Die all-
seitige Übereinstimmung von Innen- und Außenbau schafft die zur Vollendung
erforderliche Proportionalität. Bei einräumigen Gebäuden ist diese Übereinstimmung
leicht zu erzielen. Komplizierter werden die Verhältnisse mit der steigenden Zahl
der Räume und Geschosse. Von selbst wird sich durch des Übereinanderschichten
der Geschosse eine horizontale Gliederung des Baukörpers ergeben. Während die
einseitige Betonung des Vertikalen bei einem horizontal geschichteten Gebäude
sinnwidrig ist.
Das Verhältnis von Innenbau zu Außenbau wird wesentlich durch den Grundriß
festgelegt. So wird der Grunbriß für die allgemeine Gestaltung von größter Be-
deutung. Beide bedingen einander. Von der äußeren Erscheinung muß sich der
Grundriß ablesen lassen und umgekehrt. Der Grundriß bringt die dritte räumliche
Koordinate, die Tiefe, die Horizontale und die Vertikale. Er wird daher unwill-

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