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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Hilberseimer, Ludwig: Großstadtarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0207

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DER STURM / VIERTES VIERTELJAHRHEFT

kürlich mitumfaßt. Er ist die Horizontalprojektion des Bauwerks, das er mit den
Vertikalprojektionen: Schnitten und Ansichten geometrisch bestimmt und festlegt.
* *

Die Summe des künstlerischen Schaffens einer Zeitspanne wird nach ihrem cha-
rakteristischsten Merkmale ihr Stil bezeichnet. Unsere Zeit hat bisher ver-
gebens ihren Stil gesucht. Weder gemeinsames Wollen aufgebracht, noch
die Schaffenden auf bestimmte Gestaltungsprobleme hingewiesen. Unter dem
suggestiven Einfluß der Vergangenheit und dem für das XIX. Jahrhundert
charakteristischen Historizismus hat sie geglaubt, nachahmend wirksam
sein zu müssen. Unter Verkennung der wichtigsten stilbildenden Faktoren hat
sie das architektonische Problem als ein rein formales betrachtet. Hinter dekora-
tiven Stilattrappen ihr schöpferisches Unvermögen zu verbergen gesucht. In ihrem
Streben nach Stil Stillosigkeit erreicht. Denn wie die Form kann ein Stil niemals
Zielsetzung, sondern immer nur Ergebnis sein. Nie Selbstzweck, sondern stets
Resultat der schöpferischen Durchdringung der Gesamtheit der begleitenden
soziologischen, ökonomischen und technischen Umstände und Anforderungen,
deren Harmoniesierung ein Stil verkörpert, deren künstlerischer Ausdruck er ist.
Man setzte das Sekundäre: die Form für das Primäre: die organische Einheit. Aber
die Einzelform, das Detail ist nichts Selbständiges, Ablösbares wie der Akademismus
glauben machen wollte, sondern stets von der Gesamtgestaltung abhängig. Eine
Relation dieser. Heute darf jeder Akademismus als überwunden gelten. Wie in
der gesamten bildenden Kunst macht sich auch in der Architektur, besonders
durch die Bauaufgaben der Großstadt eine tiefgreifende Erneuerung bemerkbar
ein Hinarbeiten auf das Wesentliche. Auf das Erkennen und Gestalten der reinen
exakten Form.
Diese neue sich bildende Achitektur hat endlich die Basis gefund en, von der aus
ihr Wirken ein fruchtbares werden kann. Wie jede Arbeit muß auch die Ar-
chitektur im Zusammenhang mit dem großen Ganzen stehen. Durch Notwendig-
keit bedingt sein. Man hat endlich erkannt, daß Architektur nur in sich, auf
ihren ureigensten Elementen beruhen, nur aus sich selbst gestaltet werden kann.
Streben nach Klarheit, archietektonischer Logik, innerer Wahrheit w ird zu einer
strengen Vereinheitlichung führen. Alle Werke, mögen sie noch so verschieden-
artig sein, müssen aus einem einheitlichen Geiste hervorgehen. D er Architekt
muß sich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Ingenieu re befinden,
deren Schöpfungen: Maschinen und Schiffe, Autos und Flugzeuge, Krane und

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