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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Graeven, Hans: Ein altchristlicher Silberkasten
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0013

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Abhandlungen.

Ein altchristlicher Silberkasten.

Mit Lichtdruck Tafel I u. 4 Abbildungen.
%n der Mailänder Kirche San Nazaro
sollte am 10. Mai 1894 die fünf-
i zehnhundertjährige Wiederkehr des
Tages gefeiert werden, an dem die
Gebeine des Märtyrers in das Gottes-
! haus überführt worden sind. Das
Herannahen dieses Festes machte
die Mittel flüssig zu einer Ausgrabung,
die der Parroco der Kirche, der ehr-
würdige Padre Pozzi seit Langem ersehnt hatte,
um die irdischen Ueberreste seines hohen
Patrons, die unter dem Hauptaltare ruhten,
der Verehrung der Gläubigen zugänglich zu
machen.1) In der Tiefe von etwa einem Meter
stiefs man auf eine grofse römische Graniturne
(2,30 x 1,70 m), die mit schwerem Stein-
deckel geschlossen war. Nach seiner Entfer-
nung zeigte sich ein prächtiges Pluviale, von
rother Seide mit Goldverzierung, das bei der
Berührung in Staub zerfiel; unter ihm standen
auf einem Eisenrost, der zum Schutz gegen
die Feuchtigkeit in halber Höhe der Urne
angebracht war, vier bleierne und ein silberner
Kasten. Den Inschriften nach enthielt der
eine Bleikasten die Gebeine des hl. Nazarius,
die übrigen drei bargen Knochen der Erz-
bischöfe Venerius, Marolus, Glycerius und La-
zarus, die nach Ambrosius seinen Stuhl inne-
gehabt haben und gleich ihm als Heilige ver-
ehrt werden. Ein Metallplättchen im Innern
des Silberkastens bezeichnete seinen Inhalt als
„Reliquiae SS. Apostolorum". Padre Pozzi, der
den Werth der Bildwerke, die diesen Kasten
schmückten, zu würdigen wufste, Iiefs nicht
allein Photographien desselben herstellen,2) son-

l) Ein Bericht über die Ausgrabung ward vom
Padre Pozzi veröffentlicht, aber nur als Manuskript
gedruckt »Breve Storia di S. Nazaro e della scoperta
delle sue Reliquie.« Das Datum des Imprimatur ist
24. Juli 1894.

) Die Aufnahmen sind gemacht vom Photographen
G. Noseda, Via S. Eufemia 21 Mailand, der ge-
mäfs der Verabredung, die ich mit ihm getroffen habe,
unaufgezogene Kopien der Aufnahmen, das Stück
zu 80 cent., liefern wird. Leider sind seine Photo-
graphien, na"ch denen unsere Abbildungen gemacht

dem auch eine galvanoplastische Nachbildung,
die im letzten Jahr zur „Esposizione di Arte
Sacra" nach Turin gesandt war und dort meine
Aufmerksamkeit auf das hochwichtige Er-
zeugnifs altchristlicher Kunst lenkte.

Für die Datirung des Monuments gibt
uns die Geschichte der Kirche, in der es ge-
funden ist, einen bestimmten Anhaltspunkt.
Sie ist das älteste der Mailänder Gotteshäuser,
gegründet vom hl. Ambrosius ums Jahr 382,s)
noch bevor er die nach ihm benannte Basilica
erbaute. Seiner älteren Gründung hatte er
die Kreuzform gegeben, und gerade im Mittel-
punkt des Kreuzes ward der Altar errichtet,
der seine Weihe empfing durch die darunter
geborgenen Reliquien. Der Archidiakon Sim-
plicianus nämlich, den Ambrosius nach Rom
gesandt hatte, um die Streitigkeiten, welche
die dortige Kirche entzweiten, schlichten zu
helfen, brachte bei seiner Rückkehr Reliquien
-des Petrus und Paulus mit nach Mailand und
Ambrosius suchte ebensolche von anderen
Aposteln zu erlangen, denn den Aposteln de-
dizirte er die Kirche.4) Als in späteren Lebens-
jahren dem Ambrosius durch göttliche Ein-
worden sind, nicht scharf genug; ich werde noch in
diesem Sommer bessere herstellen lassen, deren Be-
zugsbedingungen hier zur Zeit bekannt gegeben werden
sollen.

3) Von der Gründung der Kirche und ihren ersten
Schicksalen erzählte eine alte metrische Inschrift,
deren Abfassung dem Ambrosius selbst zugeschrieben
wird. Sie ward oft abgedruckt, zuletzt von Forcella
e Seletti »Iscrizioni Cristiane in Milano anteriori al IX
secolo« (Codogna 1897) Nr. 229, wo die Litteratur über
die Kirche sorgfältig aufgezählt ist. Die ersten Verse
des Epigramms lauten:

CONDIDIT AMBROSIVS TEMPLVM DOMINOQ. SACRAVIT

NOMINE APOSTOLICO MVNERE REHQVIIS
FORMA CRVCIS TEMPLVM EST TEMPLVM VICTORIA XPI

SACRA TRIVMPHALIS SIGNAT IMAGO LOCVM
IN CAPITE EST TEMPLI VITAE NAZARIVS ALME

ET SVBLIME SOLVM MARTYRIS EXVVIIS
CRVX VBI SACRATVM CAPVT EXTVUT ORBE REFLEXO

HOC CAPVT EST TEMPLO NAZARIOQ DOMVS

4) Die bestimmte Angabe, dais Simplicianus Ueber-
bringer der Reliquien gewesen sei, findet sich erst in
der Historia Mediolanensis (Lib. 1, 6) des Landulfus
Senior, der kurz nach 1100 schrieb (»Mon. Germ.
Sript.« VIII p. 32 ff.). Reliquien der Apostel erwähnt
aber schon die angeführte Inschrift und Paulinus, der
 
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