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1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.
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wie solche vielleicht nur noch in China vor-
kommen, in der übrigen Welt aber ohne Sklaven-
arbeit überhaupt nicht zu leisten sind, ja nach
der heutigen Entwickelung der Verhältnisse ge-
radezu eine sträfliche Thorheit wären. Solche
Diatreta werden nach meiner Ueberzeugung hier
nimmermehr gemacht werden." Lobmeyr hat
Recht, wenn er die Diatreta eine fabelhafte Ge-
duldarbeit nennt, aber Unrecht, wenn er sie
Sklaven zuweist, denn Glasmacher und Glas-
schleifer waren freie Handwerker und seit dem
Edicte Constantins von 337 sogar den Künstlern
gleich gestellt und von Abgaben befreit. Auch
seine Prophezeihung, dafs sie hier nimmermehr
gemacht würden, ist nicht eingetroffen. — K.
Friedrich mufste seine Erklärung noch einmal
gegen Alexander Schmidt vertheidigen. Diesem
erschienen zwei Methoden leichter und wahr-
scheinlicher. Nach der ersten sollte das Netz
aus dicken Glasfäden unmittelbar auf den Becher
aufgelegt und dann unterarbeitet und zuge-
schliffen worden sein. Nach der zweiten, schon
von Schweighäuser bei Besprechung des Strafs-
burger Diatretums ausgesprochenen Ansicht,
sollten die Stege aus dem Glase wie die
Stacheln an den sogen. Stachelbechern ausge-
zogen und dann auf sie das Netz aus dicken
Fäden aufgesetzt worden sein. Jenes ist unmög-
lich, schon deshalb, weil der Zwischenraum von
Netz und Kern zu grofs ist, dieses, weil aus-
gezogene Stacheln selbst in dickem Glase auf
der Rückseite eine leichte Einsenkung erzeugen,
die aber bei den Netzgläsern fehlt. Im Uebrigen
würde es wohl sehr schwer fallen und durch-
aus keine Erleichterung der Arbeit bedeuten,
dicke runde Fäden von allen Seiten mit dem
Rade so zu bearbeiten, dafs sie flach und kantig
werden, namentlich die rosetten- und schleifen-
artigen Bünde herzustellen.
Die gegen Winkelmanns Erklärung gerich-
tete Kritik setzte im Grunde immer nur bei
dem Punkte ein, dafs es geradezu unmensch-
lich, ein neronischer Barbarismus sei, Diatreta
aus dem Vollen herzustellen. Aber nachdem
Friedrich seine Ansicht über die Herstellung
des Münchener Diatretums nochmals ausführ-
lich begründet und die Glasschleifer zu einer
Nachbildung aufgefordert hatte, gelang es einer
bayrischen Glashütte in Zwiesel, den praktischen
Beweis für die Richtigkeit seiner und Winkel-
manns Erklärung zu liefern. Die Wandung
wurde mit Stiften vorgebohrt und die Höhlungen
dann mit dem Rade ausgearbeitet. So wurden
mehrere Stücke erzeugt, deren jedes etwa halb-
jährige Arbeit kostete und auf der Nürnberger
Ausstellung von 1884 für 600 Mk. verkauft
wurde. Die Nachbildung war also ohne un-
menschliche Mühe und in verhältnifsmäfsig
kurzer Zeit gelungen. Vielleicht wäre der kauf-
männische Erfolg ein besserer gewesen, wenn
die Glashütte ein wirkliches Künstlerhonorar
gefordert hätte, anstatt sich mit einem Preise
zu begnügen, der gegen Tifläny'sche und Sal-
viatische Glasschliffe ein recht niedriger zu
nennen ist.
Mir selbst ist es durch das freundliche
Entgegenkommen der Professoren v. Christ,
Loeschcke und R. v. Schneider möglich ge-
worden, einige Diatreta genauer zu untersuchen.
Was Friedrich über die Herstellung des Mün-
chener Stückes mittheilt, unterschreibe ich Wort
für Wort, es gilt auch vollkommen für das
Exemplar aus Daruvar im Wiener kunsthisto-
rischen Hofmuseum. Beide sind aus einem
Stücke mit Bohrer und Rad ausgearbeitet. Das
Netz kann unmöglich aus Fäden gearbeitet oder
aus einzelnen Ringen zusammengelöthet sein,
denn es ist vollkommen flach, auch an jenen
Stellen, welche die Bünde andeuten, d. h. dort,
wo Fäden oder Ringe zusammengestofsen wären.
Es hätten sich gerade dort rundliche Ver-
dickungen gebildet, welche auch bei der sorg-
fältigsten nachträglichen Abschleifung als leichte
Erhebungen hervortreten würden. Die äufsere
Wandung des Kernes zeigt deutlich die Spuren
des Schleifrades, die Form der verbindenden
Stege ist entschieden durch Schliff hervorge-
rufen, sie sind kantig und setzen gegen das
Netz wie gegen den Kern hin scharf ab. Beim
„Anlöthen" würde sich ein kleiner Wulst ge-
bildet haben. Wollte man dennoch annehmen,
dafs Löthung vorliegt, deren Spuren nachträg-
lich auf das peinlichste bis in die kleinsten und
verborgensten Ecken und Winkel hinein mit
Schleifrad und Grabstichel entfernt worden sind,
so wäre nicht einzusehen, worin dann eigent-
lich die Erleichterung der Arbeit läge. Uebrigens
bestehen bei beiden Diatreten Netz, Stege und
Kern aus derselben Glasmasse.
Von gröfstem Interesse ist das Studium des
kleinen Glasfragmentes im Oesterreichischen
Museum in Wien, dessen Kenntnifs ich Custos
Folnesics verdanke. Es zeigt in seiner ve.ein-
fachten Form deutlich die Bearbeitung über-
1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.
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wie solche vielleicht nur noch in China vor-
kommen, in der übrigen Welt aber ohne Sklaven-
arbeit überhaupt nicht zu leisten sind, ja nach
der heutigen Entwickelung der Verhältnisse ge-
radezu eine sträfliche Thorheit wären. Solche
Diatreta werden nach meiner Ueberzeugung hier
nimmermehr gemacht werden." Lobmeyr hat
Recht, wenn er die Diatreta eine fabelhafte Ge-
duldarbeit nennt, aber Unrecht, wenn er sie
Sklaven zuweist, denn Glasmacher und Glas-
schleifer waren freie Handwerker und seit dem
Edicte Constantins von 337 sogar den Künstlern
gleich gestellt und von Abgaben befreit. Auch
seine Prophezeihung, dafs sie hier nimmermehr
gemacht würden, ist nicht eingetroffen. — K.
Friedrich mufste seine Erklärung noch einmal
gegen Alexander Schmidt vertheidigen. Diesem
erschienen zwei Methoden leichter und wahr-
scheinlicher. Nach der ersten sollte das Netz
aus dicken Glasfäden unmittelbar auf den Becher
aufgelegt und dann unterarbeitet und zuge-
schliffen worden sein. Nach der zweiten, schon
von Schweighäuser bei Besprechung des Strafs-
burger Diatretums ausgesprochenen Ansicht,
sollten die Stege aus dem Glase wie die
Stacheln an den sogen. Stachelbechern ausge-
zogen und dann auf sie das Netz aus dicken
Fäden aufgesetzt worden sein. Jenes ist unmög-
lich, schon deshalb, weil der Zwischenraum von
Netz und Kern zu grofs ist, dieses, weil aus-
gezogene Stacheln selbst in dickem Glase auf
der Rückseite eine leichte Einsenkung erzeugen,
die aber bei den Netzgläsern fehlt. Im Uebrigen
würde es wohl sehr schwer fallen und durch-
aus keine Erleichterung der Arbeit bedeuten,
dicke runde Fäden von allen Seiten mit dem
Rade so zu bearbeiten, dafs sie flach und kantig
werden, namentlich die rosetten- und schleifen-
artigen Bünde herzustellen.
Die gegen Winkelmanns Erklärung gerich-
tete Kritik setzte im Grunde immer nur bei
dem Punkte ein, dafs es geradezu unmensch-
lich, ein neronischer Barbarismus sei, Diatreta
aus dem Vollen herzustellen. Aber nachdem
Friedrich seine Ansicht über die Herstellung
des Münchener Diatretums nochmals ausführ-
lich begründet und die Glasschleifer zu einer
Nachbildung aufgefordert hatte, gelang es einer
bayrischen Glashütte in Zwiesel, den praktischen
Beweis für die Richtigkeit seiner und Winkel-
manns Erklärung zu liefern. Die Wandung
wurde mit Stiften vorgebohrt und die Höhlungen
dann mit dem Rade ausgearbeitet. So wurden
mehrere Stücke erzeugt, deren jedes etwa halb-
jährige Arbeit kostete und auf der Nürnberger
Ausstellung von 1884 für 600 Mk. verkauft
wurde. Die Nachbildung war also ohne un-
menschliche Mühe und in verhältnifsmäfsig
kurzer Zeit gelungen. Vielleicht wäre der kauf-
männische Erfolg ein besserer gewesen, wenn
die Glashütte ein wirkliches Künstlerhonorar
gefordert hätte, anstatt sich mit einem Preise
zu begnügen, der gegen Tifläny'sche und Sal-
viatische Glasschliffe ein recht niedriger zu
nennen ist.
Mir selbst ist es durch das freundliche
Entgegenkommen der Professoren v. Christ,
Loeschcke und R. v. Schneider möglich ge-
worden, einige Diatreta genauer zu untersuchen.
Was Friedrich über die Herstellung des Mün-
chener Stückes mittheilt, unterschreibe ich Wort
für Wort, es gilt auch vollkommen für das
Exemplar aus Daruvar im Wiener kunsthisto-
rischen Hofmuseum. Beide sind aus einem
Stücke mit Bohrer und Rad ausgearbeitet. Das
Netz kann unmöglich aus Fäden gearbeitet oder
aus einzelnen Ringen zusammengelöthet sein,
denn es ist vollkommen flach, auch an jenen
Stellen, welche die Bünde andeuten, d. h. dort,
wo Fäden oder Ringe zusammengestofsen wären.
Es hätten sich gerade dort rundliche Ver-
dickungen gebildet, welche auch bei der sorg-
fältigsten nachträglichen Abschleifung als leichte
Erhebungen hervortreten würden. Die äufsere
Wandung des Kernes zeigt deutlich die Spuren
des Schleifrades, die Form der verbindenden
Stege ist entschieden durch Schliff hervorge-
rufen, sie sind kantig und setzen gegen das
Netz wie gegen den Kern hin scharf ab. Beim
„Anlöthen" würde sich ein kleiner Wulst ge-
bildet haben. Wollte man dennoch annehmen,
dafs Löthung vorliegt, deren Spuren nachträg-
lich auf das peinlichste bis in die kleinsten und
verborgensten Ecken und Winkel hinein mit
Schleifrad und Grabstichel entfernt worden sind,
so wäre nicht einzusehen, worin dann eigent-
lich die Erleichterung der Arbeit läge. Uebrigens
bestehen bei beiden Diatreten Netz, Stege und
Kern aus derselben Glasmasse.
Von gröfstem Interesse ist das Studium des
kleinen Glasfragmentes im Oesterreichischen
Museum in Wien, dessen Kenntnifs ich Custos
Folnesics verdanke. Es zeigt in seiner ve.ein-
fachten Form deutlich die Bearbeitung über-