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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Schnütgen, Alexander: Gestickte Reliquenhülle des XIV. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0053

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Abhandlungen.

Gestickte Reliquienhülle des
XIV. Jahrh.

Mit Lichtdruck (Tafel III).

etzthin ist das Kölner Kunst-
gewerbemuseum in den Besitz
der hier in fast natürlicher
Gröfse abgebildeten Stickerei
gelangt, welche der 2. Hälfte
des XIV. Jahrh. angehören und
als Reliquienhülle, näherhin zur
Verdeckung des Unterkiefers
eines Reliquienschädels gedient
haben dürfte. Auf die Fassung dieser Schädel,
namentlich derjenigen aus der Gesellschaft der
hl. Ursula, wurde grofser Werth gelegt, und da
S1e vornehmlich von Klosterfrauen besorgt
wurde, so bestand sie öfters in feinen und kunst-
reichen Handarbeiten: in filirten, geflochtenen,
aus Borten wie metallischen Stäbchen und
Röhrchen zusammengesetzten Kopfnetzen, in
Stirnbändern, Agraffen und ähnlichem, dem
Schmucke der vornehmen Damen entnommenen
oder nachgebildetem Zierwerk. Für die Um-
hüllung der unteren Kinnlade, die in der Regel
mit Leinen ausgestopft und ausgestattet war,
wurde mit Vorliebe ein halbkreisförmiges Stoff-
stück verwendet, sei es ein gemusterter alter
Seidenrest, sei es ein gestickter oder mit Pail-
letten, Perlen u. s. w. verzierter Stoff. Zahlreich
haben sich derartige Vorsatzstücke aus dem
XVI. und XVII. Jahrh. erhalten, und manche
derselben zeichnen sich durch glänzende Sticke-
reien aus, Ornamente oder Blumen, nicht selten
reliefartig behandelt, unter Anwendung von,
Gold- und Silberfäden. Aus der früheren Zeit
aber, also aus dem XIII. und XIV. Jahrh. be-
gegnen solche Hüllen äufserst selten, und der
Grund dafür dürfte zum Theil in dem Um-
stände zu suchen sein, dafs die meisten Schädel,
deren Fassung im Laufe der Zeit verstaubt und
verblichen war, namentlich vom XVI. Jahrh.
an, eine Erneuerung ihrer Umhüllung erfahren
haben, in der Regel nach Entfernung der alten.
Zu den wenigen älteren Exemplaren, die
gerettet sind, zählt das vorliegende, welches

21^2 cm breit, 18 cm hoch, durch Eintragung
von mehrfarbigen Seiden- und vereinzelten Gold-
fäden in loses, ziemlich feines Leinen mit Hülfe
des Ketten- oder Zopfstiches gebildet ist. Dafs
es in der abgerundeten Form abgestickt, also
nicht etwa nachträglich abgeschnitten ist, kann
trotz einigen verstümmelten Wappenschildchen
keinem Zweifel unterliegen, und dafs seine ur-
sprüngliche Bestimmung keine andere gewesen
sei, als die bereits angegebene, darf als ebenso
sicher angenommen werden. Nicht nur die
Halbkreisform spricht dafür, sondern vielmehr
noch die zwischen die Wappenschildchen, wenn
auch nur aus dekorativer Rücksicht, eingefügten
Büstchen, die ihre Erklärung wohl nur in der
sakralen Bestimmung finden, indem die Schädel
von den ausgehöhlten, in Holz oder Metall
ausgeführten Häuptern aufgenommen zu wer-
den pflegten. Da alle Wappen sich, zum Theil
schematisch, wiederholen, nur Figuren mit
geraden Linien aufweisen unter vollständigem
Verzicht auf Thiere, gegen alle heraldische
Ordnung mehrfach gelbe Figuren auf weifsem
Grunde erscheinen, Blau und Schwarz nur
ein- bezw. zweimal vorkommen, so wird für
dieselben an dieser Stelle wohl nur der
Phantasiecharakter in Anspruch genommen wer-
den dürfen, obwohl einige, aber noch zumeist
nur abgesehen von den Farben, als Isenburg,
Sturmfeder, Droste-Vischering, Dort, Fürsten-
berg, Geisbusch, Kreps, Leerbach, Malberg,
Neersen, vielleicht auch als Montfort und
Sponheim gedeutet werden könnten, und ob-
gleich sich im Kunstgewerbemuseum zu Düssel-
dorf ein filirtes Haarnetz mit denselben Wappen
befinden soll, welches auf dieselbe rheini-
sche Fundstätte zurückgeführt wird. — Die
Grundfarbe ist pistaziengrün, von der sich die
Umrahmung des Inschriftbandes und dessen
Mittelrad violett abhebt. Aufserdem kommen
Chromgelb und drei Töne Ockergelb vor, Hell-
roth, Himmelblau, Weiss, Schwarz, endlich
Gold, und alle diese Farben sind im Ketten-
stich eingetragen, der sich wegen seiner regel-
mäfsigen Führung für die Leinenstickerei neben
dem Kreuzstich ganz besonders eignet und sie
 
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