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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Kisa, Anton Carel: Vasa diatreta, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0061

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81

1899.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

mit Fassetten und gravirten Verzierungen, die
Arbeiten in der Art des Bechers, den Achilles
Tatius beschreibt, und schliefslich auch die
berühmten durchbrochenen Netzgläser, auf
welche Winkelmann speziell diesen Namen
anwandte. Wir werden nicht irre gehen,
wenn wir ihn auf alles „opus caelatum" aus-
dehnen, auf jene Arbeit, von der Plinius
spricht, wenn er rühmt, dafs das Glas theils
am Drehrade geschliffen, theils nach Art des
Silbers ciselirt werde. Das alles ist Sache
des Diatretarius im Gegensatze zu der des Vi-
trearius, des Glasschmelzers und Glasbläsers.
So wird die Scheidung in dem Erlasse Con-
stantins des Gr. verständlich, denn es ist un-
möglich anzunehmen, dafs die kostbaren und
mühseligen durchbrochenen Netzgläser so häufig
hergestellt worden wären, dafs sie eine eigene
Klasse von Künstlern neben den Glasbläsern
beschäftigten. Man nimmt die Bedeutung des
Wortes „diatretum" zu buchstäblich, wenn man
es nur auf durchbrochene Arbeit bezieht. Das
Wort ist griechischen Ursprungs, von äiargäcoi
welches durchbrechen, durchbohren bedeutet,
aber auch drechseln, drehen, ringsum bear-
beiten und daher auf jede Art von Glasschliff,
Gravirung, Punzirung pafst. Strenge genommen
ist ja nur bei den Pseudodiatreten der Glas-
körper, d. h. der äufsere Becher, völlig durch-
brochen, während bei den Ueberfanggläsern
und dicken Krystallgläsern Rand und Bohrer
nur bis zur Mitte eingegriffen haben. Für
völlig durchbrochene Arbeit in Metall, Mar-
mor etc. galt der technische Ausdruck „opus
interrasile". Man hätte ihn vielleicht auch auf
Glas angewendet, wenn man durchbrochene
Gläser als eine besondere Spezialität hätte her-
vorheben wollen. Aber eine solche Speziali-
sirung nach modernen industriellen Begriffen
war nicht Sache der Antike. Sie begnügte sich
mit allgemeineren technischen Gruppirungen.

Diatreta im engern Sinne, also geschliffene
Netzgläser, vermuthet man auch in den beiden
kleinen Bechern, welche Nero mit 6000 Se-
sterzen bezahlte. Bei Plinius XXXVI 195 heifst
es: sed quid refert, Neronis principatu reperta
vitri arte quae modicos calices duos quos appel-
labant petrotos H. S. VI venderet. Der Aus-
druck „petrotos" ist sinnlos und offenbar ent-
stellt. Wieseler schlug, im Banne der alten
Diatretentheorie, die Lesarten „pertusos" oder
„perforatos" vor, Uebersetzungen des griechischen

diaiQijTÖg, Friedrich machte daraus sogar „peri-
tretos". Ich glaube, dafs die Verwirrung nicht
auf dem Irrthum eines Abschreibers, sondern
auf dem Versehen eines Setzers beruht und
dafs eine einfache Metathesis den Sinn wieder
herstellt, pterotos anstatt petrotos. Nicht durch-
brochene Netzgläser, sondern „geflügelte" Gläser
hat Nero gekauft, calices alati, leichte, zierliche
Becher mit Henkeln, die luftig wie Flügel em-
porragten. Damit fällt die Hauptstütze der An-
sicht, dafs durchbrochene Netzgläser schon zu
Neros Zeit gemacht wurden. Martial, welcher
an der Wende des I. und II. Jahrh. lebte, ge-
braucht, wie früher bemerkt, zum ersten Male
in der uns erhaltenen antiken Litteratur die
Bezeichnung Diatreta für Trinkgefäfse irgend
welcher, nicht näher bezeichneter Art. Aus
Coelius geht hervor, dafs darunter alle Arter.
mit Schleifrad und Bohrer bearbeiteter Gläser
verstanden wurden, alles vitrum caelatum.
Immerhin können wir uns jetzt mit der seit
Winkelmann üblichen Beschränkung dieses Na-
mens auf Gläser mit ausgeschliffenem Netz-
werke und Inschriften begnügen, welche zu
Ende des III. Jahrh. und zu Beginn des
IV. Jahrh. aus einer Nachahmung von Metall-
gefiecht und durchbrochenen Metallumhüllungen
hervorgegangen sind, zu einer Zeit, als das
Opus interrasile blühte. Die Inschrift auf dem
Strafsburger Becher, der Stil der anderen De-
visen, die Fufsbildung auf dem Exemplare im
ungarischen Nationalmuseum, die Fundumstände
der Diatreta aus Köln, Hohensülzen, Strafsburg
weisen uns dahin. Dazu kommt die ganz gleich-
artige Durchbildung des Netzwerkes auf echten
wie auf Pseudodiatreten, auf den Bechern von
Köln, Hohensülzen, Daruvar, Strafsburg und
Verona. Die Uebereinstimmung ist selbst in
Einzelheiten so vollkommen, dafs man nicht
nur eine gleichzeitige Entstehung, sondern auch
die gleiche Werkstätte annehmen kann. Von
den mehr oder weniger vollständig erhaltenen
Exemplaren fällt nur die Situla von S. Marco
und der Becher der Sammlung Cagnola durch
die abweichende Form der Umhüllung auf, doch
spricht nichts dagegen, diese in den Anfang
des IV. Jahrh. zu versetzen. Die Arbeit verräth
freilich eine andere Hand. Die Pilaster an dem
Cagnola-Becher erinnern an die trennenden
Stützen auf geschliffenen rheinischen Gläsern
des IV. und V. Jahrh. Zu denken gibt die That-
sache, dafs von acht Exemplaren die Hälfte am
 
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