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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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95

1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNNST — Nr. 3.

98

L'art religieux du XIIIe siecle en France.
Etüde sur l'iconographie du moyen-äge et sur ses
sources d'inspiration par Emile Male. Ouvrage
illustre de 9b' gravures dans le texte ou hors texte.
Ernest Leroux. Paris 1898. (Preis: 10 Fr.)
Im Unterschiede von der bisherigen, fast aus-
schliefslich auf die Einzelheiten der Darstellungen sich
beschränkenden Behandlung der mittelalterlichen Bilder-
sprache unternimmt es der Verfasser, die Quellen
zu prüfen, aus denen sie geschöpft hat, und zwar im
XIII. Jahrh., der Zeit ihrer glänzensten Entfaltung,
namentlich in Frankreich. Von dem Gedanken aus-
gehend, dafs die Kunst im Mittelalter als ihre höchste
Aufgabe betrachtete, die erhabensten Gedanken der
Theologie wie der Wissenschaft überhaupt in gemein-
verständlicher Sprache zum Ausdruck zu bringen,
durchforschte er die dieser Zeit angehörige theologische
und philosophische Literatur, die in den grofsen Ency-
klopädien des XIII. Jahrh. besonders des h. Thomas
Aquin, Jakobus de Voragine, Wilhelm Durandus, am
meisten des Vincenz von Beauvais ihre Zusammen-
fassung gefunden hat. Das in vier Theile ge-
gliederte Speculum majus des letzteren legt er seiner
ganzen, so geschickten wie mühsamen Untersuchung
zu Grunde, nachdem er in der Einleitung ausein.
andergesetzt hat, dafs die mittelalterliche Ikonographie
dem Wesen nach Schrift, Arithmetik und Symbolik
sei, also Lehrbuch mit Hülfe der Zahlenverhältnisse
und der Sinnbilder. Das I. Buch ist dem Specu-
lum naturae gewidmet, welches im Anschlüsse an
das Sechstagewerk vornehmlich mit den Pflanzen und
Thieren sich beschäftigt und die Bedeutung der
Bestiarien in klarer, mafsvoller Erörterung darlegt.
Ueber die beiden Hauptmittel, die durch die Sünde
gefallene Menschheit wieder zu erhöhen, über die Ar-
beit und die Wissenschaft, also über die Thätigkeit
der Hände und die freien Künste verbreitet sich das
II. Buch unter dem Titel Speculum seientiae.
Mit dem Speculum morale hat es das III. Buch
zu thun, mit den Tugenden und Lastern, mit dem
thätigen und beschaulichen Leben; endlich mit dem
Speculum historiae das IV. Buch, welches zwei
Drittel des ganzen Werkes umfafst und das alte Testa-
ment, die Evangelien und Apokryphen, die Geschichte
und Legende der Heiligen, das heidnische Alterthum
und seine Symbolik, die Profangeschichte namentlich
Frankreichs, die Apokalypse und das letzte Gericht
behandelt. Im Schlufswort erklärt der Verfasser
den grofsen ikonographischen Cyklus der bedeutend-
sten französischen Cathedralen, und hier verräth er sich
zumeist als Franzose, aber ohne dafür irgendwelchen
Tadel -zu verdienen. — Das überaus inhaltreiche,
glänzend geschriebene Buch stellt dem Wissen wie
dem Urtheil des Verfassers das beste Zeugnifs aus,
und zumal der Ueberfülle des Stoffes gegenüber ver-
dient die gleichmäfsige, objektive Behandlung das
höchste Lob. Auf dieser soliden Grundlage ist eine
weitere Bearbeitung dieses bedeutsamen Feldes von
grofser Wichtigkeit, defswegen dem ungemein inter-
essanten und anregenden Buche auch in Deutschland
Einführung und Verbreitung durchaus zu wünschen.

S chn ii tgen.

Julius Schmidt's Kunstverlag in Florenz,
der durch die ihre Anziehungskraft fortdauernd be-
hauptenden farbigen Reproduktionen der m u s i z i r e n-
den Engel Fiesole's seinen Ruf begründet
und durch neue Farbenholzschnitte beständig gesteigert
hat, bietet so eben als Pendant zu der Madonna della
Sedia Raphaels (die in Bd. XI, Sp. 288 aufs wärmste
empfohlen wurde) ein Rundbild, welches jenes an Reiz
und feinster Durchführung noch übertrifft, nämlich die
Madonna della Melagrana (Granatapfel), auch
Madonna mit dem Tintenfafs oder die Madonna des
Magnificat genannt von Sandro Botticelli, ein Bild
von einer unvergleichlichen Anmuth, an welchem die
Xylographen Knöfler in Wien den Farbenholzschnitt
bis zur höchsten Vollendung entwickelt haben. Die
Zartheit der Konturen, die Klarheit der Farben, die
harmonische Stimmung ist geradezu staunenswerth;
die zarten Goldornamente, die das Ganze beherrschen,
verdanken ihre Schärfe dem direkten Auftrage auf
den Papiergrund, also der Aussparung in den be-
treffenden Farben, und breiten sich trotz der Bestimmt-
heit der Zeichnung wie ein Hauch aus über dem ent-
zückenden Gemälde, dem an Liebreiz nicht leicht ein
Wandschmuck gleichkommen mag. Goldfarbiges Holz
dürfte am besten die Zwickel ausfüllen, die ein flacher
dunkler Rahmen mit angestofsenem halben Profil ab-
zuschliefsen hat. Die Vorzugsdrucke auf Japan-Papier
der „Sedia" wie der „Melagrana" kosten je 20 Mk.,
solche auf weifsem Papier je 8 Mk. h.

Die Verlagsanstalt von Benziger & Co.
sucht ihre Auswahl religiöser Bilder fortdauernd
zu vermehren und hierbei den verschiedensten Ge-
schmacksrichtungen gerecht zu werden. Die ernstere
Auffassung kommt zunächst und zumeist in der ge-
schichtlichen Abfolge der Stile zum Ausdruck, aber nicht
in strenger Nachahmung, sondern in abgeschwächten
Formen, so dafs, was als Katakombenstil, als romani-
sche und gothische Art, als deutsche oder italienische
Renaissance angesehen sein möchte, das Charakteristi-
sche der alten Formen vielfach vermissen läfst. Die
ernsteren Gebilde moderner Art dürften daher im Ganzen
den Vorzug verdienen, jedenfalls vorzuziehen sein den
weicheren Darstellungen, wie sie namentlich durch einige
Kommunionandenken vertreten sind. Obgleich diese
an Sentimentalität hinter den französischen Leistungen
vortheilhaft zurückbleiben, so kann ihnen doch kein
Lob gespendet werden, und die im modernsten Stil ge-
haltene Einrahmung mit ihren durchbrochenen und ge-
prefsten Ornamenten und mit allerlei das Aufstellen
erleichternden Klappvorrichtungen ist nicht gerade
geeignet, den Eindruck zu verbessern, am wenigsten,
wo Nachbildungen mittelalterlicher Bilder dieses ab-
sonderliche Gewand erhalten haben. Farbigen Bild-
chen eine reliefirle kolorirte Einfassung zu geben, ist
ein ganz brauchbarer Gedanke, da sie das Aufhängen
und Aufstellen erleichtert, das umständliche und kost-
spielige Einrahmen überflüssig macht, aber mafsvolle
und stilistisch angepafste Formen, die durch Pressung
wohl am einfachsten erreicht werden, sind hier die Vor-
aussetzung für harmonische Wirkung. h.
 
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