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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Marchand, Jakob: Das Grabmal der hl. Ursula
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0087

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127

1899.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4

128

I. Das Grabmal der hl. Ursula.

(Mit 7 Abbildungen.)

erlo hat in der »Zeitschr. für christl.
Kunst« Bd. II Sp. 105 ff. dieses Grab-
mal beschrieben und bezeichnet es
als hervorragendes, wahrhaft edles
Kunstwerk.

Bei der im August 1898 erfolgten Tiefer-
legung des Fufsbodens in der Ursulakirche auf
seine alte Höhe, auf welcher sich noch einzelne
Lagen Thonplatten erhalten halten, entstand die
Frage, ob das 1659, im nördlichen Schiff vor
dem Nikolausaltar errichtete Grabmal der hl. Ur-
sula (vergl. Abb.) auch um 15 cm bis auf das
neue Niveau gesenkt werden, oder ob rings um
das Grabmal noch eine Stufe vorgelegt werden
solle. Die letzte Idee auszuführen empfahl sich
nicht wegen der dadurch entstehenden Be-
engung des Kirchenschiffes, weshalb die Herab-
setzung des Grabmals bis auf den neuen Fufs-
boden angeordnet wurde. Bei Oeffnung des
Grabes, durch Herausnahme der Marmorfüllun-
gen an den Langseiten, kam im Inneren des Re-
naissancedenkmals ein Sarkophag mit gothischen
Formen zum Vorschein. Zu dessen Freilegung
wurde das Marmorgrabmal am 25. Nov. 1898
vorsichtig abgetragen, um zugleich der sehr noth-
wendigen Restauration unterzogen zu werden.

Das nunmehr ganz freigelegte mittelalterliche
Grabmal (vergl. Abb.) ist aus Drachenfelser
Trachyt gearbeitet, 205 cm lang, 86 cm breit,
65 cm hoch und gut erhalten. Die Lang-
seiten haben in zwei Gruppen, von vortretenden
Birnstabprofilen eingefafst, je 3 Blenden mit
Kleeblattbogen, die Kopfseiten je 2 Blenden.
Das ganze ist mit einer 5 cm dicken Schiefer-
platte von 165 cm Länge und 42 cm Breite
abgedeckt, auf welcher das Bild der hl. Ursula
gemalt ist. Die Platte ist von einem Steinprofil
umrahmt. Dieses Grabmal ist anscheinend um
die Mitte des XV. Jahrh. errichtet worden und
um dasselbe wurde im Jahre 1659 der prunk-
vollere Marmorsarkophag gebaut. In dem ziem-
lich gut erhaltenen Gemälde, aus der Schule des
Meisters Stephan Lochner, ist die hl. Ursula
liegend, etwas zur rechten Seite geneigt, in
ganzer Figur dargestellt (vergl. Abb.). Der
Kopf mit hoher fünfblättriger Krone bedeckt,
ruht auf einem Kissen. Die Hände sind nach
unten übereinandergelegt und die Rechte hält,
in äufserst zierlicher Anordnung der Finger, eine

Nelke. Die Figur ist bekleidet mit dem Purpur-
mantel, der oben mit einer Agraffe zusammen-
gehalten wird und den unteren Körper in
reichem Faltenwurf vollständig bedeckt. Das
blaue Unterkleid ist anschliefsend und über
den Hüften mit einem Gürtel gehalten. Mitten
in der Brust steckt ein Pfeil. Rechts zu Füfsen
sitzt eine Taube, darüber die Inschrift: Sand—
Ursula — virgina. Der dunkle Grund ist mit
goldenen Rosetten geziert. Die Heilige ist in
dem Bilde ruhig und anmuthig dargestellt.

Das Innere des mittelalterlichen Grabmals
enthielt zwei Kammern, wovon eine Abtheilung
lose Gebeine umschlofs, die zweite ein Reliquien-
kästchen, welches, ganz morsch, bei der Berüh-
rung zusammenfiel. Das Kästchen 32 cm lang,
20 cm breit und 12 cm hoch, war ganz mit
Intarsien bekleidet und hatte zierliche Beschläge
von Kupfer mit starker Vergoldung (vergl. Abb.).
Das Intarsienmuster war von Quadraten in 15mm
Gröfse gebildet und jede Seite der Quadrate
wieder von drei verschiedenen Holzarten auf
Gehrung zusammengefügt. Das Kästchen, welches
wohl aus der Mitte des XIII. Jahrh. stammt,
wurde durch ein neues ersetzt und an diesem
das Beschlagwerk angebracht, welches gut er-
halten ist.

Am 1. März d. J. wurde das Grabmal mit
der Schieferplatte überdeckt und zeigt sich jetzt
vollständig restaurirt an der alten Stelle in
seinen einfachen schönen Formen. Auf dem
die Platte einfassenden Steinrahmen ist eine
Inschrift bezüglich der jetzigen Auffindung und
Herstellung des Grabmals eingehauen worden,
welche lautet: Hie sarcophagus Sanctae Ursulae
inventus est, Anno Dni MDCCCXCVIII et rc-
novatus Anno sequente. Der Renaissance-Marmor-
sarkophag wird demnächst wieder um das
mittelalterliche Grabmal gebaut werden. Die
seitlichen Füllungen bleiben offen, so dafs das
im Innern stehende Grabmal stets sichtbar ist.1)
Köln. Jakob Marchand.

a) [Um dem Doppelsarkophag höheren Glanz und
gröfsere Verehrung zu verschaffen, dürfte es sich em-
pfehlen, ihn mit einer kunstvollen Einfriedigung von
Eisen oder noch besser von Messing zu umgeben, an
welcher den frommen Betern Gelegenheit zu bieten
wäre, auch durch Aufstecken von Kerzen und Blumen
ihrer Andacht Ausdruck zu geben. Für feierliche Be-
leuchtung könnte durch die Ausbildung der Eckpfosten
gesorgt werden, deren zu einer Votivkrone sich ver-
einigenden Strebebogen bezw. Bügel eine baldachin-
artige Gestaltung annehmen würden.] D. H.
 
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