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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Schnütgen, Alexander: Romanische Madonnenfigur in Solsona: Nuestra Señora del Claustro
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0125

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191

1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

192

Romanische Madonnenfigur in Solsona:
Nuestra Senora del Claustro.

(Mit Abbildung.)

Iahe der Ostgrenze der spanischen
Provinz Ldrida liegt abseits von den
grofsen Verkehrsstrafsen in roman-
tischer Gebirgsgegend die kleine
(nicht ganz 3000 Ew. zählende) und alterthüm-
liche Stadt Solsona. Noch umgibt sie eine
mittelalterliche Mauer mit neun Thürmen. In
der östlichen Ecke der Stadt liegt die Kathe-
drale (denn Solsona war von 1593 an Bisthum),
ein einschiffiger gothischerBau,
den eine Reihe von zwölf Al-
tären ziert. Eine Kapelle führt
den Namen der Nuestra Senora
.del Claustro; in ihr befindet
sich die gleichnamige als wun-
derthätigverehrte Statue. Unter
diesem Titel ist die Kathedrale
der allerseligsten Jungfrau ge-
weiht und feiert ihr Titularfest
am 8. September (MariäGeburt).
Diese Statue, deren Titel an-
zudeuten scheint, dafs einst im
Kreuzgang (claustro) ihr Stand-
ort war, erregt in hohem Grade
das kunsthistorische Interesse,
hauptsächlich durch den in
Haltung und Gewandung un-
vergleichlich rein ausgeprägten
romanischen Typus. Zweifellos
stand das Bild frühzeitig in Ver-
ehrung und wurde daher aus
den älteren Bauten in die heute
noch stehende Kathedrale her-
übergenommen. Der erste
Kirchenbau an Stelle der jetzi-
gen Iglesia cathedral wurde im
Anfange des X. Jahrh. von Sufier oder Semo-
fredo conde de Urgel zu Ehren der Jungfrau
aufgeführt. Seiner geschieht 928 die erste Er-
wähnung. Die Kirche besafs ihr Kapitel, welches
im XI. Jahrh. die Aachener Regel (la regia Aquis-
granense) mit der des hl. Augustin vertauschte
und 1409 zur Abtei gemacht wurde. Diese ward
unter Klemens VIII. 1592 säkularisirt und dafür
1593 ein Bischofstuhl errichtet, den zuerst Luiz
Sans einnahm.

Romanische Madonnenfigur in Solsona

Diese Abbildung nebst Notiz verdanke ich
dem Hochw. P. Dreves S. J., der auf seinen

grofsen Reisen mit dem Sammeln von Hymnen
etc. gerne kunstgeschichtliche Studien, nament-
lich auf dem Gebiete der Sphragistik, verbindet.
Die Beschreibung dieser interessanten Figur er-
wartet er von mir; ich kann sie um so kürzer
fassen, als diese dank der vortrefflichen Erhal-
tung, an Bestimmtheit der Sprache nichts zu
wünschen übrig läfst. Die ganze Gestaltung
weist auf die Uebergangsperiode hin, namentlich
die ganz nach vorn schauende,
mit der niedrigen Lilienkrone
geschmückte Gottesmutter und
das auf ihrem linken Knie
sitzende, ihr schon etwas zuge-
wandte, von ihr mit der Linken
zart gehaltene, mit ernstem, et-
was alterthümlichem Ausdruck
versehene Kind, dessen rechte
Hand segnend erhoben ist.
Auch der lang über die Schulter
herabfallende Haarzopf und
das aus dem Granatapfel ent-
wickelte Szepter, wie die ge-
spreizten Knie, welche in knapp
anliegendem, aber sehr zartem,
wellenförmigem Gefält der
Mantel umgibt, an den Füfsen
aufstauchend und stellenweise
rohrartig sich zusammenlegend,
sind charakteristisch für den
Beginn des XIII. Jahrh., mit
welchem auch die bis in die
hochgothische Periode fort-
dauernde Vorliebe für die unter
die Füfse der thronenden Ma-
donna gekauerten Bestien be-
ginnt, die hier ausnahmsweise gepaart sich finden.
Die plastische Borte, welche die Gewänder be-
säumt, sogar unterhalb des Kniees hinläuft und
den Kronreifen verziert, gehört auch zu den Eigen-
thümlichkeiten der spätromanischen Epoche,
wenn sie als Kreideauftrag polychromirte, d. h. zu-
meist vergoldete Holzfiguren verbrähmt, in dieser
überaus einfachen Technik die edelsteinver-
zierten Filigranstreifen der Goldschmiede nach-
ahmend. Inwieweit das unten mit Tragringen
versehene Sedile noch ganz die ursprüngliche
Form bewahrt hat, läfst sich aus der Abbildung
nicht mit Sicherheit erkennen. Schnutgen.
 
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