221
1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 7.
222
von Steinen, unter welchen ein grofser Achat, der Sage
nach ein Geschenk Dagoberts an den Heiligen hervor-
ragte. Der Schrein stand im Chore so, dafs bei fest-
lichen Gelegenheiten diese Vorderseite enthüllt wurde;
daher die reichere Ausführung. Das Dach der Tumba
enthielt in 10 Platten, also wohl in getriebener Arbeit,
die Geheimnisse aus dem Leben des Heilandes.
Die Inschriften, elegante Leoninische Hexameter,
bei denen allerdings an einzelnen Stellen der Inhalt
sich nicht ganz in die Form einschliefsen liefs, ver-
rathen einen feingebildeten Mann, der mit wenigen
Worten jedem Heiligen die gebührende Huldigung zu
Theil werden liefs.
Auf der rechten Langseite las man:
Petrus Agrippinae decus est et gloria Romae. Petrus
gereichet den Römern zum Ruhm und den Kölnern
zur Zierde. Ist wohl eine Hinweisung auf das Siegel
der Stadt.
Myrmidonum Crucis Andreas preco vincit Heroas.
Bote des Kreuzes, besieget Andreas die Helden der
Griechen.
Vox cla?nantis ego, non sponsus, sed paranymphus.
Ich bin des Rufenden Stimm', Brautführer, nicht
Bräutigam selber.
Bezieht sich auf Joh. 3, 29.
Virgo parens Christi mihi placa, quem genuisti.
Jungfrau, Mutler des Herrn, erfleh' uns die Gnade
des Sohnes.
Thomas non Didymus, cum Christo subdidit
Indes. Zwieling war er nicht mehr, als Thomas die
Inder besiegte.
Thomas wird Joh. 20, 24 beim Berichte über
seinen Zweifel mit Emphase „der Zwilling" genannt,
deshalb mag man die Uebersetzung mit Zwieling gelten
lassen.
lieddit mirificum Crux affeciata Philippum.
Wunder wirkte durch's Kreuz, das feurig geliebte,
Philippus.
Gens habet Aethiopum doctorem tetra Mathaeum.
Lehrer wurde Matthäus dem häfslichen Stamm der
Neger.
Auf der linken Langseite stand:
Vas Christi electum superasti Paule Corinthum.
Christi erwähltes Gefäfs, bekehrtest du, Paulus Ko-
rinthus.
Non timet anticipem Zebedaei filius ensem. Die
zweischneidige Klinge verachtet der Zebedäide.
Virginis hie sponsus virgo capit Ephesinos. Die
Ephesier fing jungfräulich der Hüter der Jungfrau.
Plurima dona pius Cuniberto dat Dagobertus.
Viele Geschenke verlieh Kunibert Dagobertus, der
Fromme.
Judaeam Jacobus regit Alphaei partu primus.
In Judäa regiert des Alphäus älterer Spröfsling.
Ultima pars mundi canit odas Bartholomaei.
Bartholomäus besinget mit Dank das Ende der Erde.
Mundatur Simonis Chananaei sanguine Persis.
Simon, der Eiferer wusch mit Martyrerblute die Perser.
Am Fufse stand:
PaXjpietas patriaequeSalusprece slat hujus Patris,
Nee minor est Clemens divino pneumate pollens.
In die erste Reihe hat sich wohl ein Fehler ein-
geschlichen. Vielleicht ist der Sinn:
Kirche und Fried' und des Landes Geschick be-
hütet der Heil'ge,
Und es steht ihm zur Seite Clemens voll heiligen
Geistes.
Der Prachlpchrein, der diese Inschrift trug, wurde
1688 (tot saeculorum felici usu attritum, wie Bingen
sagt) auseinander genommen und mit einem Silber-
schreine von der Hand Delboels für 1161 Thlr. ver-
tauscht. Ob an ihm noch die Emails blieben, ist
nicht bekannt. In den Stürmen der französichen Revo-
lution ging auch diese Umhüllung zu Grunde und es
blieb nur der schmucklose Holzschrein übrig, der dann
1869 in einem von Bildhauer Meinen und Maler
Alex Kleinertz würdig ausgeführten Holzschrein einen
dankenswerthen Ersatz erhielt. Ein bedeutender Theil
des Emailschmuckes kam wohl in der französischen
Zeit in die Sammlung des bekannten Legationsrathes
Ad. Hüpsch und von dort durch Vermächtnifs an den
Landgrafen Ludwig von Hessen-Darmstadt. Professor
Dr. Schäfer hatte das Glück und den richtigen Blick
unter den Emailschätzen des dortigen Museums Stücke
niederrheinischer Emailkunst zu prüfen, und fand
zu seiner Freude, dafs sich die Hexameter 1. Judaeam
Jacobus, 2. Ultima pars, 3. Gens habet, 4. Vas Christi
mit einigen andern Ueberbleibseln, Gold in Blau, mit
schönen Bogen und Säulchen in Darmstadt erhalten
haben. Wir schulden dem bewährten Forscher für
seine werthe Mittheilung grofsen Dank und hoffen,
dafs er den Kölner Ueberresten in der dortigen Samm-
lung ferner mit demselben Glücke nachgehen1) möge.
Köln. Anton Ditges.
l) [Als ich vor mehreren Jahren auf Veranlassung des f Di-
rektors Adamy mit Seiner Exzellenz Herrn Generallieutenant
Freiherr von Hitgers das Magazin des Darmstädter Museums
besuchte, bemerkte ich dort sofort ein Marmorfigürchen von der
alten Hochaltarmensa des Kölner Domes, die bekanntlich bei
ihrer fatalen Umgestaltung im Jahre 1770 ihren ursprünglichen
Schmuck nur auf der Vorderseite bewahrt hat in der von den
12 Aposteln nankirten Gruppe der Krönung Mariens. Diese der
Mitte des XIV. Jahrh. entstammenden, für die Frühzeit der
Kölner Plastik charakteristischen Figuren, bei denen zwei Hände,
eine derbere und eine feinere, mehr an die französische Eigen-
art dieser Zeit anklingende, unschwer sich zu erkennen geben,
verleihen diesem Altartische eine so reiche und vornehme, durch
den Unterschied der Farbe (weifs auf schwarzem Grund) noch
gesteigerte Wirkung, dafs wenigstens in Deutschland, kein
mittelalterliches Antimensale ihm gleichkommen dürfte. Die 3
Gruppen der Rückseite und der beiden Schmalseiten (Verkündi-
gung, Darstellung, Anbetung) mit 9 Standfiguren befinden sich
schon lange im Wallraf-Richartz-Museum, welches auf einer
Kölner Kunstversteigerung vor etwa 25 Jahren 5 weitere Fi-
guren hinzuerwarb. Von den übrigen 6 Statuetten haben die
Kunstversteigerungen Garthe und von Niesewand 2 in meinen
Besitz gebracht, so dafs nach der Entdeckung des Darmstädter
Exemplars nur noch 8 fehlen, die einstweilen als verschollen
zu betrachten sind, hoffentlich aber wieder auftauchen im An-
schlüsse an die von mir beabsichtigte Veröffentlichung der in
der Restauration begriffenen Mensa. Diese hat die kleinen
Defekte ihrer Vorderseite bereits wieder ausgeglichen erhalten
durch den Bildhauer A. [ven in Köln, der auch sämmtliche im
Kölner Museum befindlichen Figuren in Marmor sorgfältig
kopirt hat und die drei sonstigen Exemplare nachzubilden im Be-
griffe steht. Nach Vollendung der letzteren werden die auf dem
Hintergrunde verbliebenen Bolzen- und Urnrifsmale die haupt-
sächlichsten Anhaltspunkte bieten für die Reihenfolge der Figuren,
so dafs auch die drei ungeschmückten Seiten der seit 1893 wieder
ganz freistehenden Mensa demnächst in neuen Nachbildungen die
alte Ausstattung fast vollständig zeigen werden.] D. H.
1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 7.
222
von Steinen, unter welchen ein grofser Achat, der Sage
nach ein Geschenk Dagoberts an den Heiligen hervor-
ragte. Der Schrein stand im Chore so, dafs bei fest-
lichen Gelegenheiten diese Vorderseite enthüllt wurde;
daher die reichere Ausführung. Das Dach der Tumba
enthielt in 10 Platten, also wohl in getriebener Arbeit,
die Geheimnisse aus dem Leben des Heilandes.
Die Inschriften, elegante Leoninische Hexameter,
bei denen allerdings an einzelnen Stellen der Inhalt
sich nicht ganz in die Form einschliefsen liefs, ver-
rathen einen feingebildeten Mann, der mit wenigen
Worten jedem Heiligen die gebührende Huldigung zu
Theil werden liefs.
Auf der rechten Langseite las man:
Petrus Agrippinae decus est et gloria Romae. Petrus
gereichet den Römern zum Ruhm und den Kölnern
zur Zierde. Ist wohl eine Hinweisung auf das Siegel
der Stadt.
Myrmidonum Crucis Andreas preco vincit Heroas.
Bote des Kreuzes, besieget Andreas die Helden der
Griechen.
Vox cla?nantis ego, non sponsus, sed paranymphus.
Ich bin des Rufenden Stimm', Brautführer, nicht
Bräutigam selber.
Bezieht sich auf Joh. 3, 29.
Virgo parens Christi mihi placa, quem genuisti.
Jungfrau, Mutler des Herrn, erfleh' uns die Gnade
des Sohnes.
Thomas non Didymus, cum Christo subdidit
Indes. Zwieling war er nicht mehr, als Thomas die
Inder besiegte.
Thomas wird Joh. 20, 24 beim Berichte über
seinen Zweifel mit Emphase „der Zwilling" genannt,
deshalb mag man die Uebersetzung mit Zwieling gelten
lassen.
lieddit mirificum Crux affeciata Philippum.
Wunder wirkte durch's Kreuz, das feurig geliebte,
Philippus.
Gens habet Aethiopum doctorem tetra Mathaeum.
Lehrer wurde Matthäus dem häfslichen Stamm der
Neger.
Auf der linken Langseite stand:
Vas Christi electum superasti Paule Corinthum.
Christi erwähltes Gefäfs, bekehrtest du, Paulus Ko-
rinthus.
Non timet anticipem Zebedaei filius ensem. Die
zweischneidige Klinge verachtet der Zebedäide.
Virginis hie sponsus virgo capit Ephesinos. Die
Ephesier fing jungfräulich der Hüter der Jungfrau.
Plurima dona pius Cuniberto dat Dagobertus.
Viele Geschenke verlieh Kunibert Dagobertus, der
Fromme.
Judaeam Jacobus regit Alphaei partu primus.
In Judäa regiert des Alphäus älterer Spröfsling.
Ultima pars mundi canit odas Bartholomaei.
Bartholomäus besinget mit Dank das Ende der Erde.
Mundatur Simonis Chananaei sanguine Persis.
Simon, der Eiferer wusch mit Martyrerblute die Perser.
Am Fufse stand:
PaXjpietas patriaequeSalusprece slat hujus Patris,
Nee minor est Clemens divino pneumate pollens.
In die erste Reihe hat sich wohl ein Fehler ein-
geschlichen. Vielleicht ist der Sinn:
Kirche und Fried' und des Landes Geschick be-
hütet der Heil'ge,
Und es steht ihm zur Seite Clemens voll heiligen
Geistes.
Der Prachlpchrein, der diese Inschrift trug, wurde
1688 (tot saeculorum felici usu attritum, wie Bingen
sagt) auseinander genommen und mit einem Silber-
schreine von der Hand Delboels für 1161 Thlr. ver-
tauscht. Ob an ihm noch die Emails blieben, ist
nicht bekannt. In den Stürmen der französichen Revo-
lution ging auch diese Umhüllung zu Grunde und es
blieb nur der schmucklose Holzschrein übrig, der dann
1869 in einem von Bildhauer Meinen und Maler
Alex Kleinertz würdig ausgeführten Holzschrein einen
dankenswerthen Ersatz erhielt. Ein bedeutender Theil
des Emailschmuckes kam wohl in der französischen
Zeit in die Sammlung des bekannten Legationsrathes
Ad. Hüpsch und von dort durch Vermächtnifs an den
Landgrafen Ludwig von Hessen-Darmstadt. Professor
Dr. Schäfer hatte das Glück und den richtigen Blick
unter den Emailschätzen des dortigen Museums Stücke
niederrheinischer Emailkunst zu prüfen, und fand
zu seiner Freude, dafs sich die Hexameter 1. Judaeam
Jacobus, 2. Ultima pars, 3. Gens habet, 4. Vas Christi
mit einigen andern Ueberbleibseln, Gold in Blau, mit
schönen Bogen und Säulchen in Darmstadt erhalten
haben. Wir schulden dem bewährten Forscher für
seine werthe Mittheilung grofsen Dank und hoffen,
dafs er den Kölner Ueberresten in der dortigen Samm-
lung ferner mit demselben Glücke nachgehen1) möge.
Köln. Anton Ditges.
l) [Als ich vor mehreren Jahren auf Veranlassung des f Di-
rektors Adamy mit Seiner Exzellenz Herrn Generallieutenant
Freiherr von Hitgers das Magazin des Darmstädter Museums
besuchte, bemerkte ich dort sofort ein Marmorfigürchen von der
alten Hochaltarmensa des Kölner Domes, die bekanntlich bei
ihrer fatalen Umgestaltung im Jahre 1770 ihren ursprünglichen
Schmuck nur auf der Vorderseite bewahrt hat in der von den
12 Aposteln nankirten Gruppe der Krönung Mariens. Diese der
Mitte des XIV. Jahrh. entstammenden, für die Frühzeit der
Kölner Plastik charakteristischen Figuren, bei denen zwei Hände,
eine derbere und eine feinere, mehr an die französische Eigen-
art dieser Zeit anklingende, unschwer sich zu erkennen geben,
verleihen diesem Altartische eine so reiche und vornehme, durch
den Unterschied der Farbe (weifs auf schwarzem Grund) noch
gesteigerte Wirkung, dafs wenigstens in Deutschland, kein
mittelalterliches Antimensale ihm gleichkommen dürfte. Die 3
Gruppen der Rückseite und der beiden Schmalseiten (Verkündi-
gung, Darstellung, Anbetung) mit 9 Standfiguren befinden sich
schon lange im Wallraf-Richartz-Museum, welches auf einer
Kölner Kunstversteigerung vor etwa 25 Jahren 5 weitere Fi-
guren hinzuerwarb. Von den übrigen 6 Statuetten haben die
Kunstversteigerungen Garthe und von Niesewand 2 in meinen
Besitz gebracht, so dafs nach der Entdeckung des Darmstädter
Exemplars nur noch 8 fehlen, die einstweilen als verschollen
zu betrachten sind, hoffentlich aber wieder auftauchen im An-
schlüsse an die von mir beabsichtigte Veröffentlichung der in
der Restauration begriffenen Mensa. Diese hat die kleinen
Defekte ihrer Vorderseite bereits wieder ausgeglichen erhalten
durch den Bildhauer A. [ven in Köln, der auch sämmtliche im
Kölner Museum befindlichen Figuren in Marmor sorgfältig
kopirt hat und die drei sonstigen Exemplare nachzubilden im Be-
griffe steht. Nach Vollendung der letzteren werden die auf dem
Hintergrunde verbliebenen Bolzen- und Urnrifsmale die haupt-
sächlichsten Anhaltspunkte bieten für die Reihenfolge der Figuren,
so dafs auch die drei ungeschmückten Seiten der seit 1893 wieder
ganz freistehenden Mensa demnächst in neuen Nachbildungen die
alte Ausstattung fast vollständig zeigen werden.] D. H.