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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Firmenich-Richartz, Eduard: Der Meister des heiligen Bartholomäus: Studie zur Geschichte der altkölnischen Malerschule, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0173

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261

1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 9.

262

Der Meister des heiligen Bartholomäus.l)

Studie zur Geschichte der

I.

Mit Lichtdruck (Tafel VI) und 2 Abbildungen.

as Lebenswerk jenes
unbekannten altköl-
nischen Malers, über
den St. Bartholomäus
einstweilen das Na-
menspatronat ausübt,
reizt wie wenige anonyme Bilder-
gruppen unsere Wifsbegier nach Name,
'v^c Herkunft und Bildungsgang seines Ur-
hebers. Eine schrullenhafte Sonderlingsnatur
spricht sich in diesen Gemälden aus, ein
Künstler, der sich in stiller Zurückgezogenheit
und Mufse, fern von jedem handwerksmäfsigen
Betrieb in die Wiedergabe subtiler Reize der
farbigen Erscheinungswelt versenkte; in dessen
Phantasie verklingende Empfindungskreise sich
ausleben, auf dessen Tafeln schmächtige go-
thische Heiligengestalten sich in das schillernde
Gewand einer neuen Kunstübung einhüllen.
Dramatisches Leben fehlt den Kompositionen
des Bartholomäusmeisters; sie wirken nicht
wie frisch erfafste Szenen der Alltagswelt. Seine
Erfindungskraft erlahmt bei komplizirten Her-
gängen und er zieht es vor, auf seinen Tafeln
einfache Gruppen oder Einzelgestalten anein-
ander zu reihen. Wie feingeschnitzte Statuen,
die soeben zu vollem Leben erwachen, stehen
die Figuren auf erhöhtem Piedestal. Es ist
selten eine bewegte Handlung, die sie verbindet,
sondern eine verwandte übertriebene Sensibilität,
ein gleichgestimmtes Gefühl schüchterner Vene-
ration vereint sie. In gesuchter Attitüde und
outrirten Bewegungen drehen sich diese Heiligen
einander zu oder sind sinnend mit ihren Attri-
buten beschäftigt. Die „sacra conversazione"
scheint gedämpft wie im Flüstertone geführt
zu werden.

Diese Stimmung bleibt aber nicht stets die-
selbe. In vereinzelten Darstellungen aus der
Passion wird der Ausbruch des Affektes um so
heftiger und erregter; er erschüttert krampfhaft

J) Vergl. Henry Thode in der »Zeitschrift für
christl. Kunst« I. (1888) S. 374 f. und des Verfassers
Nachtrag zu J. J. Merlo »Kölnische Künstler in alter
und neuer Zeit«, Düsseldorf 1895.

altkölnischen Malerschule,
die gebrechlichen, schmiegsamen Gestalten. Der
unsägliche Schmerz um den Tod des Erlösers
verzerrt die winzigen Gesichtszüge der Trauern-
den, jammernd mit gespreizter Geberde wenden
sie sich um Mitleid zu dem Beschauer.

Manchmal überschneiden die Figuren den
gemalten gothischen Rahmen, der das Bild wie
ein Gehäuse einfafst. Verschlungene Ranken
mit krausem, ausgezahntem Blattwerk, wie aus
Metall ciselirt, hängen von den Bogen herab.
Den Hintergrund bildet gewöhnlich ein fein-
gemusterter Teppich, zwischen Pfeilern ausge-
spannt, ein Ueberbleibsel des alten Gold-
grundes; über ihn hinweg gönnt uns der Meister
den Blick in lichte Fernen.

Diese Beschränkung bei der Wiedergabe der
Örtlichkeit, dieser Verzicht auf eine reicher ab-
gestufte Tiefenwirkung, das statuenhafte Sonder-
dasein der einzelnen Figuren beruht in der
künstlerischen Intention des Meisters. Indem
er nur Vordergrund und die Fernen sichtbar
werden läfst, indem er die Figuren fast in
einer Fläche anordnet, vermeidet er schwierige
perspektivische Konstruktionen und fühlt sich
um so sicherer, die volle Illusion der Körper-
lichkeit seiner Gebilde in beschränktem Raum
zu erwecken.

Die delikate malerische Ausgestaltung aller
Einzelheiten ist das eigentliche Kunstgebiet des
Bartholomäusmeisters. Sein Auge haftet an
phantastisch-verschnörkeltem Zierath, an fein-
gemusterten knitterigen Brokatstoffen, .am schil-
lernden Glanz von Gold, Edelgestein, Perlen
und Pfauenfedern. Er gibt die Farben in
schimmernden duftigen Tönen, er verweilt gern
bei jedem Gewandstück und Geräth, den zier-
lichen Blumen und Kräutern des Wiesengrundes.

Ganz besonderen Fleifs kostet ihn die
Modellirung des Inkarnates, auch wird keine
Hautfalte, kein Aederchen vergessen.

Ein Hauptwerk des Künstlers schildert den
Erlösertod Christi zwischen Heiligengestalten.
Von dem dornengekrönten Haupte des ge-
kreuzigten Heilandes rinnen in täuschender
Naturtreue hellblinkende Thränen, sie mischen
sich mit Blutstropfen und dem trüben Wasser
aus der Seitenwunde und ziehen ihre feuchten
Fäden an dem fahlen todten Leib hinab.

Der Meister des hl. Bartholomäus ist auch
ein Freund von allerlei ausgetüftelten Maler-
 
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