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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Firmenich-Richartz, Eduard: Der Meister des heiligen Bartholomäus: Studie zur Geschichte der altkölnischen Malerschule, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0177

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269

1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

270



wiedergegeben. Das bleiche Antlitz mit dem
blöde niedergeschlagenen Blick, der kleinen
Stulpnase mit auffällig gezeichneten Nüstern
findet sich genau übereinstimmend auf einem
anderen allgemein anerkannten Jugendwerk des
Bartholomäusmeisters wieder: bei der reich-
geputzten Wärterin hinter Maria auf dem Bilde
der Anbetung des neugeborenen Christkindes
in der Sammlung Hainauer zu Berlin (Vergl-
Abbildung 1).

Weitere sichere Kennzeichen für dieselbe
Autorschaft ergeben die Zeichnung und Bewegung
des Kinderkörpers, die graulichen Schatten im
Fleisch und der süfsliche Ausdruck des Stifter-
kopfes. Die Gesammt-
haltung des Kolorits
ist allerdings tiefer und
wärmer, die Ausfüh-
rung zeugt von dem
gesammelten Fleifs
einer ersten Meister-
schöpfung. Auf der
Rückseite der Flügel
sieht man eine unbe-
deutende Leistung:
Christus am Kreuz,
grau in grau gemalt.

Zu der stilkritischen
Betrachtung bietet das
Wappen des Donators
eine schätzbare Ergän-
zung. Herr Stadtarchi-
var Professor Dr. Han-
sen hatte die Liebens-
würdigkeit, die Abzei-
chen zu deuten, sie
gehören der Kölner Schöffenfamilie van Rile.8)
Auf dem alten Rahmen las man eine In-
schrift, deren Echtheit mit Recht bezweifelt
wurde, da sie ungeschickt und nicht fehlerfrei
geschrieben auf neuer Goldfarbe stand. Es war
nur die verständnifslose Copie der ursprüng-
lichen Bezeichnung. Eine sorgfältige Reinigung
und Wiederherstellung, welche Herr Hofrath

Abb. 2. „Christi Geburt" des Sforzanltärchens. Brüssel.

8) Die Personen der Dargestellten waren leider
nicht bestimmt zu ermitteln. — Das Wappen zeigt
in blauem Feld weifsen Sparren, umgeben von drei
weifsen Granatäpfeln. —< Ein Hermann van Ryle war
zwischen 1439—1457 Rathsherr, 1455 „gewelde-
meister" und „thornmeister" ; er wird noch 1473 er-
wähnt. Vergl. Keussen a.a.O. 138,37. Walter
Stein »Akten zur Geschichte der Verfassung und
Verwaltung der Stadt Köln« I. 319, II. 374, 37H.

Gröbbels, der Direktor der Gallerie zu Sigmarin-
gen, veranlafste und Herr Professor A. Hauser in
München mit bekannter Sachkenntnifs aus-
führte, brachte die echte intakte Aufschrift
unter dem Anstrich wieder zum Vorschein.
Unter dem Porträt des Stifters steht: etatff •
ppr. anntn (aetatis XXX annorum.) Am Rahmen
der Mitteltafel:

$ac npug jjfettü" a° m • tfij« Xpf\i\ ■ ffttü
(hoc opus perfectum anno MCCCCLXXII1
[14-73] — XX VII) fortgesetzt unter dem Frauen-
bildnifs: bie ^uliii (sie) etatig • tut Tniom (die
Julii — aetatis XVI annorum.)*)

Die genaue Datirung und die unreife Jugend
der Donatrix sprechen
für die Entstehung der
Gemälde bei einem
bestimmten Ereignifs,
etwa der Vermählung
des jungen Paares.

In ebendemselben
Jahre 1473 hatte Martin
Schongauer seine mo-
numentale Tafel mit
dem ernsten Gnaden-
bild der Gottesmutter
in der Stiftskirche zu
Colmar aufgerichtet.
Der Eindruck dieses
erhabenen Werkes er-
streckt sich über weite
Lande, er reflektirt
selbst in dem kleinen

Votivaltärchen des
Kölner Bürgersohns.
Für unsere Kenntnifs
und Beurtheilung des Bartholomäusmeisters ist
diese bestimmte Jahreszahl von hohem Werth. Sie
macht es nothwendig, seine Entwickelung um
ein Decennium hinaufzurücken. Der Kölner
Sippenmeister, der Meister von St. Severin sind
erheblich jünger. Zur selben Zeit malte der
Meister des Marienlebens die Votivtafeln des
Johann von Mecheln, des gelehrten Pastors an
St. Columba. Gewisse Anklänge in Ausdruck und
Gesichtszügen sollen nicht übersehen werden.
Man vergleiche z. B. den Kopf der Madonna
in Sigmaringen mit der Maria der Anbetung
der heiligen Dreikönige im Germanischen
Museum Nr. 26 (Photographie Höfle und Licht-

*) Gütige Mittheilung des Herrn Hofrath Gröbbels.
 
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