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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Oidtmann, Heinrich: Die Schweizer Glasmalerei vom Ausgange des XV. bis zum Beginn des XVIII. Jahrh., [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0203

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313

1899.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 10.

314

Kann man sich lieblichere Heiligenbildchen
vorstellen als die Landesheiligen und Schutz-
patrone auf den Wappen- und Figurenscheiben?
Wie zart, wie duftig ist die Farbengebung,
wie gewandt und sicher die Zeichnung, wie
liebevoll und vollendet die glasmalerische Be-
handlung! Jedenfalls möchte ich den Schweizer
Scheiben mehr christliches Gepräge zuerkennen
als den weltberühmten Kirchenfenstern von
St. Jan zu Gouda.

Jener christliche Geist zog sich durch den
ganzen Zeitraum hin. Selbst nach der grofsen
Kirchenspaltung, trotz der erbitterten Städte-
fehden stifteten die Stände in bisheriger Weise
frommsinnige Figurenscheiben. Wenn auch
1527 Zürich bei der Eidgenossenschaft Be-
schwerde führt, „was Schmach und Schand
m. H. mit ihren geschenkten Wappen und
Fenstern mit zerschlachen und sunst begegne",
und begehrt, „dafs sy dasselbig verhüeten und
die, so die zerbrochen, wiederumb darzur
halten wellint, damit die gemachint werdint",
und 1532 auf einem Tage der V katholischen
Orte darüber geklagt wird, dafs in der Kirche
zu Merenschwand „die Wappen der V Orte
durch die Berner zerbrochen worden", so sind
dies vorübergehende, plötzliche Wuthausbrüche
kirchlich-staatlicher Zwietracht und kleinlicher
Reiberei, welche die Blüthe unserer Kunst
nicht einschränken konnten und in Wirklichkeit
nicht aufgehalten haben. Selbst später, als
1586 die VII katholischen Orte den sog. Goldenen
Boromäischen Bund zu gemeinsamer Verthei-
digung ihres Glaubens geschlossen hatten und
damit die Einigkeit der Eidgenossenschaft,
wenigstens eine herzliche, innige Eintracht auch
äufserlich gebrochen war, wird unverdrossen
weitergeschenkt, nur mit dem sachlich unwesent-
lichen Unterschied, dafs die Kreise sich in
anderer Weise zusammensetzen.

Die Züricher Einschränkungen sind blofs
bedingte Vorbehalte: „Es sollen fürhin keine
Wappen mehr in papistische Kirchen ohne
Vorwissen des kleinen Rathes gegeben wer-
den"; 1633. — Die Schenkung des Zürich-
schilds in den Saal des Pfarrhauses Kloten
1698 erfolgte mit dem Zusatz, „dafs selbiges
über des Prälaten von Wettingen den Rang
haben solle." Umgekehrt versichern Prior und
Konvent von Beinwyl dem Rath von Zürich
in einem Gesuch von 1663, „dafs dieses Wap-
pen an die wolgeziemende, gehörige, erste und

fürnehmste Ehrenstelle versetzt und verordnet
werden solle." — „Papistischen Kirchen geben
myne Herrn nichts, es sei denn von Alters her
ihr Ehrenwappen daselbst gewesen"; 170G. —
Den P. P. Franziskanern zu Luzern wurde
denn auch 1701 das 1521 verehrte, aber zer-
störte Wappen von Zürich ersetzt. Zu sol-
chen Einschränkungen ist zu bemerken, dafs
sie in eine Zeit fallen, als man, abgesehen
von kirchlichen und staatlichen Zerwürfnissen,
ohnehin die ganze Sitte müde war; der Ueber-
diufs machte sich ebenso bei Gesuchen nicht-
papistischer Bittsteller geltend.

Laut dem auf der Stadtbibliothek Zug be-
findlichen Bestellungsbuche des Glasmalers
Müller von Zug betheiligte sich die Geistlichkeit
noch in der Mitte des XVII. Jahrh. recht lebhaft
an den Schenkungen; in des Herrn Ammann
Brandenberg Saal waren die gmalet Schiben,
biblische Darstellungen, zur Mehrzahl von geist-
lichen Gebern verehrt. Bis ungefähr zur Mitte
des XVIII. Jahrh. wurden Klöster und Kirchen
im Berner Lande bedacht, die letzte im Jahre
1747. Also bis zu ihrem Erlöschen blieb die
Schweizer Glasmalerei in einem Theil ihrer
Erzeugnisse eine christliche Kunst, welche der
weltlichen Richtung vollständig das Gleich-
gewicht hielt, und als deren letzte, wirklich
künstlerische Ausläufer die Scheiben von Rath-
hausen bezeichnet werden mögen.

Leider ist die Schweizer Glasmalerei vom
Standpunkte der christlichen Kunstge-
schichte stiefmütterlich vernachlässigt worden, ob-
gleich dieselbe als ein zu frischem Trieb ausschla-
gendes Reis der christlichen Malerei, natürlich
untergebührender Berücksichtigungder eng mit ihr
zusammenhängenden bürgerlichen Abzweigung,
eingehende Würdigung längst verdient hätte.

II.

In einem schwerwiegenden Punkte unterschei-
det sich die Glasmalerei der Schweiz von jener
anderer Länder, nämlich durch die Art und
Weise ihrer Verbreitung und der dadurch beding-
ten Eigenartigkeit in der Behandlung.
Die Entstehung und Blüthe, der Rück-
gang und das Ende des schweizerischen
Gebrauches der Wappen- und Fenster-
schenkungen sowie der Einflufs jener
Volkssitte auf das Schweizer Glas-
malergewerbe.

Während in den Rheinlanden, in Nieder-
sachsen und in Süddeutschland die Glasmalerei
 
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