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1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.
386
nüancirt, und Licht und Schatten dargestellt
werden konnte.
Dieses an dem in Rede stehenden Stücke
noch ziemlich primitiv angewendete Verfahren
bildete in der Geschichte des Emails den Ueber-
gang von der alten Grubenschmelzlechnik zu
der schon im XIII. Jahrh. in Italien in Uebung
gekommenen Technik des sogen. Relief-
schmelzes, bezüglich deren Einführung und
Verbreitung in Deutschland ich insbesondere
auf Schnütgens Nachweis der schon am Anfang
des XIV. Jahrh. auftretenden mechanischen Er-
zeugung der reliefirten Rezipienten ^aufmerksam
machen möchte.
DasTrinkhorn des Bischofs Georg von Passau
ruht auf vier mit pferdehufartigen Endigungen
versehenen, stabförmigen Füfsen aus vergol-
detem Kupfer, von denen zwei sehr niedere
an dem untersten der das Hörn umgebenden
Ringe angelöthet sind, während die beiden an-
deren, beträchtlich längeren an dem mittleren
Reifen vermittelst eines Charnieres derartig be-
weglich angebracht sind, dafs sie sich, um
beim Gebrauche des Geräthes nicht zu stören,
gänzlich umklappen lassen.
Ob diese Art, das Hörn standfest zu machen,
die ursprüngliche ist oder eine spätere Zuthat
oder Umänderung darstellt, wage ich nicht zu
entscheiden4/ einerseits erscheinen mir die Füfse
hinsichtlich des allgemeinen Aussehens, der
Arbeit und des Materiales vollkommen über-
einstimmend mit den übrigen Metallbestand-
theilen des Stückes; auch entspricht die Bildung
ihrer Endigungen in Form stilisirter Thierfüfse
sehr wohl der Entstehungszeit des Trinkhorns;
andererseits aber sind an den Ringen des Gefäfses
Vorrichtungen angebracht, die zur Annahme
der Ursprünglichkeit der gegenwärtigen Füfse
in starkem Widerspruche zu stehen scheinen.
Es weist nämlich der untere Reif an den vor
den kleinen Füfsen liegenden Zacken, sowie
der Mundreif an der entsprechenden Stelle je
zwei Oesen eines ziemlich kräftigen, liegenden
3) »Kunst und Gewerbe« (1886) S. 331 f. — Die
daselbst erwähnten Reliefemailrosetten sind mit den
Emailrosetten unseres Hornes keineswegs in eine Linie
zu stellen.
4) Obwohl das Trinkhorn aus hiesigem Privatbesitz
an das Museum übergegangen ist, liefs sich über die
weitere Provenienz des Stückes, also auch über etwaige
an ihm im Lauf der Zeit vorgenommenen Verände-
rungen nichts ermitteln.
Charnieres auf, und aufserdem erscheint es, da
die betreffende Zacke ausgebrochen ist, nicht
ausgeschlossen, dafs ehemals dem mittleren
Reif ebenfalls am entsprechenden Platze ein
gleiches Charnier angelöthet war. Nimmt man
nun die gegenwärtigen Füfse als die ursprüng-
lichen an, so dürfte der Zweck dieser gewifs
nicht später angefügten Charniere durchaus un-
ergründlich sein: denn die Charniere können
— ganz abgesehen vor ihrer hierfür vollkommen
überflüssigen Stärke — unmöglich etwa zum
Anbringen von Anhängseln — es wäre dies die
naheliegendste Lösung der Frage — gedient
haben, da das Charnier des unteren Ringes
in Folge der Kürze der dortigen Füfse kaum
mehr als einen Zoll von der Standfläche des
Hornes absteht. Aber auch die scheinbar ver-
lockende Meinung, dafs die Füfse eine spätere
Zuthat, und die Charniere zur Befestigung einer
zum Aufhängen des Trinkhornes dienenden
Schnur oder Kette bestimmt gewesen seien,
ist nicht stichhaltig, da die Charniere nicht an
der hierfür einzig geeigneten Innenseite der
Krümmung des Hornes, sondern gerade an der
entgegengesetzten Seite angebracht sind, und
die Reifen, obzwar die beiden unteren drehbar
sind, sich sicherlich mit den nach aufsen ge-
kehrten Charnieren in ihrer richtigen Lage be-
finden und unmöglich um 180° gedreht gedacht
werden können; denn dadurch kämen die
beiden Wappen des Mundreifs nach innen zu
stehen, statt, wie dies selbstverständlich ist, die
eigentliche Stirnseite des Geräthes zu zieren.
Ebenso unglaubwürdig, wie die beiden er-
wähnten' erscheint mir schliefslich eine dritte
Ansicht, der zufolge der Mittelreif kein Charnier
getragen hätte, die Charniere des Mundreifs
und des untersten Reifs aber die ursprünglichen
Füfse mit dem Home verbunden hätten: in
diesem Falle hätten entweder die am Mundreif
angebrachten Füfse sinnloser und unschöner
Weise unverhältnifsmäfsig hoch sein müssen,
oder aber das Hörn wäre in eine durchaus un-
zweckmäfsige Lage gekommen.
Vielleicht finden die räthselhaften Charniere
des Linzer Trinkhornes seitens des erfahrungs-
reichen Leserkreises dieser Zeitschrift ihre Er-
klärung; ihre etwaige Mittheilung würde den
Verfasser dieser Notiz aufserordentlich ver-
pflichten.
Linz a. D.
Fritz Minkus.
1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.
386
nüancirt, und Licht und Schatten dargestellt
werden konnte.
Dieses an dem in Rede stehenden Stücke
noch ziemlich primitiv angewendete Verfahren
bildete in der Geschichte des Emails den Ueber-
gang von der alten Grubenschmelzlechnik zu
der schon im XIII. Jahrh. in Italien in Uebung
gekommenen Technik des sogen. Relief-
schmelzes, bezüglich deren Einführung und
Verbreitung in Deutschland ich insbesondere
auf Schnütgens Nachweis der schon am Anfang
des XIV. Jahrh. auftretenden mechanischen Er-
zeugung der reliefirten Rezipienten ^aufmerksam
machen möchte.
DasTrinkhorn des Bischofs Georg von Passau
ruht auf vier mit pferdehufartigen Endigungen
versehenen, stabförmigen Füfsen aus vergol-
detem Kupfer, von denen zwei sehr niedere
an dem untersten der das Hörn umgebenden
Ringe angelöthet sind, während die beiden an-
deren, beträchtlich längeren an dem mittleren
Reifen vermittelst eines Charnieres derartig be-
weglich angebracht sind, dafs sie sich, um
beim Gebrauche des Geräthes nicht zu stören,
gänzlich umklappen lassen.
Ob diese Art, das Hörn standfest zu machen,
die ursprüngliche ist oder eine spätere Zuthat
oder Umänderung darstellt, wage ich nicht zu
entscheiden4/ einerseits erscheinen mir die Füfse
hinsichtlich des allgemeinen Aussehens, der
Arbeit und des Materiales vollkommen über-
einstimmend mit den übrigen Metallbestand-
theilen des Stückes; auch entspricht die Bildung
ihrer Endigungen in Form stilisirter Thierfüfse
sehr wohl der Entstehungszeit des Trinkhorns;
andererseits aber sind an den Ringen des Gefäfses
Vorrichtungen angebracht, die zur Annahme
der Ursprünglichkeit der gegenwärtigen Füfse
in starkem Widerspruche zu stehen scheinen.
Es weist nämlich der untere Reif an den vor
den kleinen Füfsen liegenden Zacken, sowie
der Mundreif an der entsprechenden Stelle je
zwei Oesen eines ziemlich kräftigen, liegenden
3) »Kunst und Gewerbe« (1886) S. 331 f. — Die
daselbst erwähnten Reliefemailrosetten sind mit den
Emailrosetten unseres Hornes keineswegs in eine Linie
zu stellen.
4) Obwohl das Trinkhorn aus hiesigem Privatbesitz
an das Museum übergegangen ist, liefs sich über die
weitere Provenienz des Stückes, also auch über etwaige
an ihm im Lauf der Zeit vorgenommenen Verände-
rungen nichts ermitteln.
Charnieres auf, und aufserdem erscheint es, da
die betreffende Zacke ausgebrochen ist, nicht
ausgeschlossen, dafs ehemals dem mittleren
Reif ebenfalls am entsprechenden Platze ein
gleiches Charnier angelöthet war. Nimmt man
nun die gegenwärtigen Füfse als die ursprüng-
lichen an, so dürfte der Zweck dieser gewifs
nicht später angefügten Charniere durchaus un-
ergründlich sein: denn die Charniere können
— ganz abgesehen vor ihrer hierfür vollkommen
überflüssigen Stärke — unmöglich etwa zum
Anbringen von Anhängseln — es wäre dies die
naheliegendste Lösung der Frage — gedient
haben, da das Charnier des unteren Ringes
in Folge der Kürze der dortigen Füfse kaum
mehr als einen Zoll von der Standfläche des
Hornes absteht. Aber auch die scheinbar ver-
lockende Meinung, dafs die Füfse eine spätere
Zuthat, und die Charniere zur Befestigung einer
zum Aufhängen des Trinkhornes dienenden
Schnur oder Kette bestimmt gewesen seien,
ist nicht stichhaltig, da die Charniere nicht an
der hierfür einzig geeigneten Innenseite der
Krümmung des Hornes, sondern gerade an der
entgegengesetzten Seite angebracht sind, und
die Reifen, obzwar die beiden unteren drehbar
sind, sich sicherlich mit den nach aufsen ge-
kehrten Charnieren in ihrer richtigen Lage be-
finden und unmöglich um 180° gedreht gedacht
werden können; denn dadurch kämen die
beiden Wappen des Mundreifs nach innen zu
stehen, statt, wie dies selbstverständlich ist, die
eigentliche Stirnseite des Geräthes zu zieren.
Ebenso unglaubwürdig, wie die beiden er-
wähnten' erscheint mir schliefslich eine dritte
Ansicht, der zufolge der Mittelreif kein Charnier
getragen hätte, die Charniere des Mundreifs
und des untersten Reifs aber die ursprünglichen
Füfse mit dem Home verbunden hätten: in
diesem Falle hätten entweder die am Mundreif
angebrachten Füfse sinnloser und unschöner
Weise unverhältnifsmäfsig hoch sein müssen,
oder aber das Hörn wäre in eine durchaus un-
zweckmäfsige Lage gekommen.
Vielleicht finden die räthselhaften Charniere
des Linzer Trinkhornes seitens des erfahrungs-
reichen Leserkreises dieser Zeitschrift ihre Er-
klärung; ihre etwaige Mittheilung würde den
Verfasser dieser Notiz aufserordentlich ver-
pflichten.
Linz a. D.
Fritz Minkus.