6o
Münchner kunsttechnische Biätter.
Nr.5.
Heureka!
Von von Schönberg-Dresden.
Bislang war es nicht möglich, den tierischen
Leim ganz aus der Grundierung auszuscheiden,
da man kein anderes Mittei besass, um die Fäden
der Leinewand gut zu verbinden. In der Grun-
dierung selbst besass man ja schon zwei Stoffe,
weiche anstatt des tierischen Leimes verwandt
wurden, das Roggenmehi und die Stärke, wovon
ersteres der letzteren der grösseren Klebkraft
wegen vorzuziehen war.
Der tierische Leim aber blieb, seiner grossen
Sprödigkeit halber im trockenen Zustande einerseits,
seiner bedeutenden Hygroskopizität wegen aber
andererseits das Schmerzenskind des Grundierungs-
verfahrens.
Vor einem Jahre erhielt ich nun von einem
Dekorationsmaler ein Präparat, welches derselbe
mir zu versuchen empfahl und welches von
diesem als Ersatz des Leimes für die Farben
verwandt wurde und unter dem Namen „vegeta-
bilischer Leim"* *) verkauft wird.
Zunächst mass ich der neuen Erfindung
infolge des gallertartigen Aussehens, sowie ihres
seifenartigen Geruchs wegen keine besondere
Bedeutung bei. Indessen bin ich durch die Ver-
suche eines anderen belehrt worden. Zunächst
fand ich, dass der neue Stoff, der ein Präparat
aus Stärke ist, eine bedeutende Klebkraft hat und
nach dem Trocknen sich ganz indifferent gegen
Wasser verhielt, d. h. ein irreversibles Kolloid
war. Während es sich schon allein als einen
Vollersatz für den tierischen Leim darstellt, so
erhöht sich sein Wert noch für die Grundierung,
wenn man ein angemessenes Teil venetianischen
Terpentin dazurührt, was sich ganz gut bewerk-
stelligen lässt, da die Emulsion leicht vonstatten
geht. — Ich habe mit dieser Mischung Holz
eines Leims aufgebaut, indem einerseits die Tempe-
ratur bestimmt wird, bei der eine Leimlösung von ver-
einbartem Gehalt erstarrt, und andererseits das Gewicht,
welches eine vereinbarte Fläche einer Gallerte von
bestimmtem Leimgehalt zu tragen vermag. Im all-
gemeinen zeigen Leime mit niedrigem Erstarrungspunkt
weiche Gallerten, solche mit hohem Erstarrungspunkt
widerstandsfähige, zähe Gallerten, doch gehen die
beiden Eigenschaften nicht proportional nebeneinander
her. Leime ersterer Art nennt man weiche Leime,
die letzteren harte.
*) Unter der Bezeichnung „vegetabilischer Leim"
werden neuerdings viele Präparate verkauft, die im
Malergewerbe seit einiger Zeit Eingang gefunden haben.
Wir nennen u. a. „Collodin" der Klebstoffwerke
Collodin, Mainkur bei Frankfurt a. M.; „Bindenorm",
flüssiger Malerleim der Dresdener Neuleimfabrik von
Leipold & Wildner, Dresden-N.; Original Sichel-Leim von
Friedr. Sichel, Limmer bei Hannover; „Düsseldorpia"
der Düsseldorfer Leim- und Farbwerke, Düsseldorf B.;
„Haptin" von Dr. Allendorf & Co., Leipzig-Plagwitz,
jeder grössere Drogist wird Proben dieser Präparate
verschaffen können.
Die Schriftleitung.
geleimt und sogar Porzellan gekittet. Die Leine-
wand auf Pappe geleimt iiess sich nur losreissen,
wenn die Pappe in einer dünnen Schicht an der
Leinewand kleben blieb. — In Nr. 9 d. Bl. hat
Herr Professor Dr. Ostwald den vegetabilischen
Leim als Bindemittel für Temperafarben behandelt.
Es ist dieses den Dekorationsmalern schon nichts
Neues mehr, da diese den vegetabilischen Leim
schon seit zwei Jahren als Bindemittel für ihre
Farben anwenden. Für die Temperamalerei er-
scheint es mir angebracht, dem vegetabilischen
Leime einen Zusatz von venetianischem Terpentin
zu geben, da dieser den Farben eine erhöhte
Leuchtkraft verleiht. — Mein Rat ist nun der,
dass man die Leinewand mit der von mir an-
gegebenen Mischung leimt, und man wird sehen,
wie die Farbe schon ohne jede Grundierung auf
der Leinewand stehen bleibt. Um die Leinewand
gut zu schützen ist es rätlich, dieselbe rechts und
links zu streichen. Bei diesem Verfahren ist ein
weiterer Schutz unnötig!
Für die übrige Grundierung haben wir Ton,
Kreide oder Zinkweiss sowie eine Mischung dieser
Materialien, welche man in den vegetabilen Leim
mit venetianischem Terpentin einrührt und eventuell
noch mit Farbpulvern färbt.
Zur Erreichung der nötigen Streichfähigkeit
muss natürlich die Masse mit mehr oder weniger
lauem Wasser verdünnt werden.
Da die so zubereitete Leinewand nur wenig
saugt, so ist es angebracht, auf diesem Grunde
nur mit Harzölfarben zu malen, wie wir sie in
den „Mussini-Farben" in vorzüglicher Qualität
besitzen.
Für jede Art von Temperafarbe ist dieser
Grund ebenfalls praktikabel. Summa Summarum
besitzen wir in dem vegetabilischen Leim ein
ausgezeichnetes Material und ich kann dasselbe
nicht warm genug empfehlen. Darum fort mit
dem tierischen Leim aus der Grundierung!
Neue Literatur.
Bei der Schriftleitung dingetroffen:
Ernst Kiesling, Wesen und Technik der
Malerei. Ein Handbuch für Künstler und
Kunstfreunde. Mit 10 Textabbild, und 17 Voll-
bildern. (Hiersemanns Handbücher Bd. II.)
Verlag von Karl W. Hiersemann, Leipzig.
Preis brosch. Mk. 3,60, geb. Mk. 4,80.
Das Erlernen der Malerei. Ein Handbuch
von Lovis Corinth. Paul Cassirers Verlag,
Berlin W. IO. Mit zahlreichen Abbild. Preis
brosch. Mk. 7.50' geb. Mk. 10.
Notiz.
Der Schluss des Artikels „Allerlei Fragen, Wünsche
und Beschwerden" folgt in einer der nächsten Nummern.
Münchner kunsttechnische Biätter.
Nr.5.
Heureka!
Von von Schönberg-Dresden.
Bislang war es nicht möglich, den tierischen
Leim ganz aus der Grundierung auszuscheiden,
da man kein anderes Mittei besass, um die Fäden
der Leinewand gut zu verbinden. In der Grun-
dierung selbst besass man ja schon zwei Stoffe,
weiche anstatt des tierischen Leimes verwandt
wurden, das Roggenmehi und die Stärke, wovon
ersteres der letzteren der grösseren Klebkraft
wegen vorzuziehen war.
Der tierische Leim aber blieb, seiner grossen
Sprödigkeit halber im trockenen Zustande einerseits,
seiner bedeutenden Hygroskopizität wegen aber
andererseits das Schmerzenskind des Grundierungs-
verfahrens.
Vor einem Jahre erhielt ich nun von einem
Dekorationsmaler ein Präparat, welches derselbe
mir zu versuchen empfahl und welches von
diesem als Ersatz des Leimes für die Farben
verwandt wurde und unter dem Namen „vegeta-
bilischer Leim"* *) verkauft wird.
Zunächst mass ich der neuen Erfindung
infolge des gallertartigen Aussehens, sowie ihres
seifenartigen Geruchs wegen keine besondere
Bedeutung bei. Indessen bin ich durch die Ver-
suche eines anderen belehrt worden. Zunächst
fand ich, dass der neue Stoff, der ein Präparat
aus Stärke ist, eine bedeutende Klebkraft hat und
nach dem Trocknen sich ganz indifferent gegen
Wasser verhielt, d. h. ein irreversibles Kolloid
war. Während es sich schon allein als einen
Vollersatz für den tierischen Leim darstellt, so
erhöht sich sein Wert noch für die Grundierung,
wenn man ein angemessenes Teil venetianischen
Terpentin dazurührt, was sich ganz gut bewerk-
stelligen lässt, da die Emulsion leicht vonstatten
geht. — Ich habe mit dieser Mischung Holz
eines Leims aufgebaut, indem einerseits die Tempe-
ratur bestimmt wird, bei der eine Leimlösung von ver-
einbartem Gehalt erstarrt, und andererseits das Gewicht,
welches eine vereinbarte Fläche einer Gallerte von
bestimmtem Leimgehalt zu tragen vermag. Im all-
gemeinen zeigen Leime mit niedrigem Erstarrungspunkt
weiche Gallerten, solche mit hohem Erstarrungspunkt
widerstandsfähige, zähe Gallerten, doch gehen die
beiden Eigenschaften nicht proportional nebeneinander
her. Leime ersterer Art nennt man weiche Leime,
die letzteren harte.
*) Unter der Bezeichnung „vegetabilischer Leim"
werden neuerdings viele Präparate verkauft, die im
Malergewerbe seit einiger Zeit Eingang gefunden haben.
Wir nennen u. a. „Collodin" der Klebstoffwerke
Collodin, Mainkur bei Frankfurt a. M.; „Bindenorm",
flüssiger Malerleim der Dresdener Neuleimfabrik von
Leipold & Wildner, Dresden-N.; Original Sichel-Leim von
Friedr. Sichel, Limmer bei Hannover; „Düsseldorpia"
der Düsseldorfer Leim- und Farbwerke, Düsseldorf B.;
„Haptin" von Dr. Allendorf & Co., Leipzig-Plagwitz,
jeder grössere Drogist wird Proben dieser Präparate
verschaffen können.
Die Schriftleitung.
geleimt und sogar Porzellan gekittet. Die Leine-
wand auf Pappe geleimt iiess sich nur losreissen,
wenn die Pappe in einer dünnen Schicht an der
Leinewand kleben blieb. — In Nr. 9 d. Bl. hat
Herr Professor Dr. Ostwald den vegetabilischen
Leim als Bindemittel für Temperafarben behandelt.
Es ist dieses den Dekorationsmalern schon nichts
Neues mehr, da diese den vegetabilischen Leim
schon seit zwei Jahren als Bindemittel für ihre
Farben anwenden. Für die Temperamalerei er-
scheint es mir angebracht, dem vegetabilischen
Leime einen Zusatz von venetianischem Terpentin
zu geben, da dieser den Farben eine erhöhte
Leuchtkraft verleiht. — Mein Rat ist nun der,
dass man die Leinewand mit der von mir an-
gegebenen Mischung leimt, und man wird sehen,
wie die Farbe schon ohne jede Grundierung auf
der Leinewand stehen bleibt. Um die Leinewand
gut zu schützen ist es rätlich, dieselbe rechts und
links zu streichen. Bei diesem Verfahren ist ein
weiterer Schutz unnötig!
Für die übrige Grundierung haben wir Ton,
Kreide oder Zinkweiss sowie eine Mischung dieser
Materialien, welche man in den vegetabilen Leim
mit venetianischem Terpentin einrührt und eventuell
noch mit Farbpulvern färbt.
Zur Erreichung der nötigen Streichfähigkeit
muss natürlich die Masse mit mehr oder weniger
lauem Wasser verdünnt werden.
Da die so zubereitete Leinewand nur wenig
saugt, so ist es angebracht, auf diesem Grunde
nur mit Harzölfarben zu malen, wie wir sie in
den „Mussini-Farben" in vorzüglicher Qualität
besitzen.
Für jede Art von Temperafarbe ist dieser
Grund ebenfalls praktikabel. Summa Summarum
besitzen wir in dem vegetabilischen Leim ein
ausgezeichnetes Material und ich kann dasselbe
nicht warm genug empfehlen. Darum fort mit
dem tierischen Leim aus der Grundierung!
Neue Literatur.
Bei der Schriftleitung dingetroffen:
Ernst Kiesling, Wesen und Technik der
Malerei. Ein Handbuch für Künstler und
Kunstfreunde. Mit 10 Textabbild, und 17 Voll-
bildern. (Hiersemanns Handbücher Bd. II.)
Verlag von Karl W. Hiersemann, Leipzig.
Preis brosch. Mk. 3,60, geb. Mk. 4,80.
Das Erlernen der Malerei. Ein Handbuch
von Lovis Corinth. Paul Cassirers Verlag,
Berlin W. IO. Mit zahlreichen Abbild. Preis
brosch. Mk. 7.50' geb. Mk. 10.
Notiz.
Der Schluss des Artikels „Allerlei Fragen, Wünsche
und Beschwerden" folgt in einer der nächsten Nummern.