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Allgemeine Literaturzeitung: Supplemente zur allgemeinen Literatur-Zeitung — 1785 (1787)

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Supplemente zur Allgemeinen Literatur-Zeitung vom Jahre 1785 - Dritte und letzte Lieferung
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Numero 57
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https://doi.org/10.11588/diglit.47940#0242
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22(5

S UPPLEMENTE

debeticr. Und nun flehen wir wieder, wo wir vor-
hin waren. — Ausführlich werden die Kennzeichen
angegeben, nach welchen ächte von unächter Tra-
dition unterlchieden werden kann. Da ist denn
(§. 151.) die ersse Regel: „Wenn eine theoretische
öder praktische Religionslehre — fiets und überall
in der Kirche geglaubt worden ist, gesetzt auch
dass sie in derh. Schrift nicht ausdrücklich stiinde;
so kann sie ohne alles Bedenken als aus göttlicher
Tradition abstamrnend angenommen werden. Wenn
aber eine solche Tradition nicht beständig und all-
gemein war, so ist sie nicht ächt.“ Wenn diese
Regel gelten soli, wo werden dann.die Lehren vom
Messopser, von der Transsubstantiation, von der
Coihmunione subuna, vom Fegfeuer, von Anru-
fung der Heiligen, von der Ohrenbeichte, von
der letzten Oelung u. a. m. hinkommen? Sind
denn diese Lehren stets und überall in der Kirche
■geglaubt worden? Oder gehören sie zur Discipii-
nar - Tradition? Gesetzt, sie würden zur letztem
gerechnet, so wird es immer heissen: „Ipsis ta-
rnen usu vigentibus semper reverentia ac obedien-
tia debeturj“ und das wird der Fall se'yn, fo lange
die katholische Kirche katholisch heisst. Doch, bey-
nahe schon zu viel Von diesem Buch! Nur noch
Eins müssen wir bemerken. Nach allen Grundsä-
tzen des Versassers sind wir arme Protestanten Ke-
tzer und Schismatiker, — folglich keine Christen, -·
nicht belfer als Heiden! Seine eignen Worte (S.
263) lauten so: Ergo membra Ecclesiae non funt
infideles — Haeretici manifefli, qui quoad dogmata
revelata ab orthodoxis dissentiunt, suumque dis-
sensum cum contumacia publice tuentur; Schisma-
tici, qui se pertinaciter ac malitiose. ab Ecclesiae
societate separant. Excommunicatione majori ex-
communicati denunciati, qui publica sententia a
communitate Ecclesiae penitus excluduntur. Und
nun gleich die erbauliche Anmerkung: Haeretici
christianis nunquam adnumerati sunt ab Ecclella,
sreut nec infideles etc. Zum Beweis werden die
grossen Kirchenlichter Hieronymus und Augufiin
angeführt, wovon der erste fagt: igitur praesixum
Inter nos habemus, de haeretico fic loyuendum, ficut
de gentili. Hieraus kann man den Geift des Katho-
licismus sattsam erkennen. So lange die Schimä-
ren von Tradition, Unfehlbarkeit der Kirche, und
andern damit verbundenen Lehrfätzen ihr Anfehen
behalten, —■ und das werden sie noch lange behal-
ten ; — £0 lange ist an wahre Aufklärung, in der
Römischen Kirche schlechterdings nicht zu denken.
Wir wollen jedoch nicht alle Hoinuug ganz aufge-
ben. Wenn es unserm grossen Kader gelingt, das
Schrö'ckhifche, oder ein ähnliches, mit der Frey-
müthigkeit eines Äoi/ÄO geichriebenes Lehrbuch der
Kirchengeschichte in seinen Erbländern einzufüh-
ren, und wenn denn auch ein solches Buch von
vielen katholischen Lehrern ehrlich interpretirt
wird, (welches aber schwerlich von vielen zu
erwarten ist,) so wird es nach und nach in meh-
ser». Köpfen helle werden; und'die Herren Ka¬

tholiken werden wenigstens grossentheils aushören,
uns arme Protestanten im Herzen oder öffentlich
mit blinden Heiden in Eine Klasse zu setzen !
Faxit Deus!
PHILOSOPHIE.
Halle, im Waysenhause: Grundsätze zuf
Kultur der Vaterlandsliebe. 1785. 104 Seiten, gr. 8,
(ö gr.)
Man muss die Vaterlandsliebe von der Anhäng-
lichkeit am IVohnorte wohl unterscheiden, wenn
man, wie unser Vers., die Quellen dieser Gesühle'
un ter fach en will. Inden kleinen griechischen Re-
publiken , in Rom, da es noch in seinen Ringmau-
ern eingeschränkt war, zu Gens und in alien klei-
nen Staaten ssiessen diese beiden Gefühle zusam·*
men, weil der Wohnort das ganze Vaterland ist.
Bey uns aber, in grossen Staaten, trennen lieh
diese beiden Gesühle merklich von einander. An-
hänglichkeit ist blosse Gewöhnung , Begierde nach
dem Genuss delsen, was uns durch den ostmaligen
Genuss lieb geworden ist. Vaterlandsliebe ist der
Eifer für das Wohl des Vaterlandes. —· Beide kön-
nen folglich in Collision kommen. Im Grossen
ist letztere allerdings ein kiinstliches Gefühl, weil
das Vaterland in diesem Falle keine finnliche Vor-
stellung, sondern eine abstracte Idee ist. Thiere
empsinden Anhänglichkeit, — nicht Vaterlandslie-
be. W’as hilft es dem Staate, wenn der Bauer aus
Anhänglichkeit sein Dorf nicht verlaßen will, oder
fich zehn Meilen davon todt grämt? Will man Va-
terlandsliebe erwecken, fo lehre man Vaterland.
thätig denken. Auch sehen wir Vaterlandsliebe
nur in Republiken — in England, bey den Verwe-
sern des Staats, bey dem Soldaten, der im Namen
des Vaterlandes oftmals dem Tode entgegen gieng.
Da der Vers. dielen Unterfchied nur nebenher be-
merkt, und ihn nicht, gehörig erläutert, zum
Grunde legt; io mussten nothwendig seine Unter-
sachungen schwankend ausfallen, obgleich man
sonst in seiner Schrist manche gute Bemerkung fin-
det.
Nürnberg, bey Felseckert Der Menfch, in
Vorlesiingen an Verfchiedene. Von Johannes Kernt
Pros, der Metaph. am Gymnas. zu Ulm, und Pfar-
rer zu Jungingen. Erstes Bändchen·. 1785· 8· 44°
S. ( 20 gr.)
Der Verf. hält, mit Recht, die Kenntniss des
Menschen für den Grund aller Wisienschaft, und die
Kenntniss seiner selbst für den einzigen W eg zur
Glückseiigkeit. Wir bekommen alle untre Vorstellun-
gen ursprünglich von den Sinnen. Diele sagen uns ~“
nicht, was die Dinge find, fondern nur, in wel-
chem Verhältnisse solche mit uns flehen.- Folglich
sind alle Wissenschaften. — Kenntnisse der Verhält-
nilse der Dinge zu dem Menschen. Man kann also
nichts recht kennen, wenn man den Menschen
nichc kennt. Also — ,,ist jede Wahrheit in dem
Menschen gegründet; sie'ist nur wahr, in so fern
 
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