MISCELLEN
325
Zum Thongefäss von Athienu.
In dem Jahrbuch des Kaiserlich Deutschen Archaeologi-
schen Instituts Band l (1886) Tafel 8 ist von M. Ohnefalsch-
Richter eine von Athienu auf Kypros stammende archaische
Vase veröffentlicht worden, deren Darstellung weder von S.
Reinach, der in der Revue archeologique 1885 II 360 f. zuerst
auf das Gefäss hingewiesen hat, noch von F. Dümmler (bei
Ohnefalsch - Richter S. 81) richtig gedeutet scheint. Ersterer
will die in der assyrisch-babylonischen Kunst häufig vorkom-
mende Adoration des heiligen Baumes erkennen, bei welcher
der Gestus der anbetend erhobenen Hand misverständlich
durch das Motiv des Riechens an einer vorgehaltenen Blume
ersetzt sei; letzterer erkennt gleichfalls eine misverständliche
Nachahmung der auf aegyptischen Wandgemälden dargestell-
ten Vogeljagd. Aber hielt der Mann wirklich in der Rechten
einen Stab, welcher dem aegyptischen Wurfholz entsprechen
soll, oder eine Gerte, an welcher, wie Reinach will, der Vo-
gel befestigt ist? Die Finger der Hand umfassen den Ge-
genstand nicht so wie diejenigen der Linken die Blume, son-
dern derselbe durchschneidet den Arm.Wenn der Gegen-
stand. aber nicht dem Manne gehört, so bleibt nur übrig, dass
er ein Theil des Vogels ist, mit welchem er ja auch zusam-
menhängt. Diesem fehlt aber bei der entgegengesetzten An-
nahme der Schweif, und nur dieser kann durch die sanft ge-
krümmte Linie ausgedrückt sein. Ob dieselbe zu lang gera-
then ist, oder der Vasenmaler an eine bestimmte Vogelart
dachte, bleibe dahingestellt. Wir haben demnach die genre-
hafte und der älteren griechischen Kunst fern liegende Dar-
stellungen eines in einem Garten oder, wenn man will, ein-
fach im Freien sich ergehenden Mannes zu erkennen. Er er-
quickt sich am Duft einer gepflückten Blume und über seinem
Haupte fliegt ein Vogel. Daran dass auch der hintere Arm
erhoben ist, darf in einer so primitiven Kunst kein Anstoss
genommen werden; er ist nur wegen der Symmetrie zu dem
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Zum Thongefäss von Athienu.
In dem Jahrbuch des Kaiserlich Deutschen Archaeologi-
schen Instituts Band l (1886) Tafel 8 ist von M. Ohnefalsch-
Richter eine von Athienu auf Kypros stammende archaische
Vase veröffentlicht worden, deren Darstellung weder von S.
Reinach, der in der Revue archeologique 1885 II 360 f. zuerst
auf das Gefäss hingewiesen hat, noch von F. Dümmler (bei
Ohnefalsch - Richter S. 81) richtig gedeutet scheint. Ersterer
will die in der assyrisch-babylonischen Kunst häufig vorkom-
mende Adoration des heiligen Baumes erkennen, bei welcher
der Gestus der anbetend erhobenen Hand misverständlich
durch das Motiv des Riechens an einer vorgehaltenen Blume
ersetzt sei; letzterer erkennt gleichfalls eine misverständliche
Nachahmung der auf aegyptischen Wandgemälden dargestell-
ten Vogeljagd. Aber hielt der Mann wirklich in der Rechten
einen Stab, welcher dem aegyptischen Wurfholz entsprechen
soll, oder eine Gerte, an welcher, wie Reinach will, der Vo-
gel befestigt ist? Die Finger der Hand umfassen den Ge-
genstand nicht so wie diejenigen der Linken die Blume, son-
dern derselbe durchschneidet den Arm.Wenn der Gegen-
stand. aber nicht dem Manne gehört, so bleibt nur übrig, dass
er ein Theil des Vogels ist, mit welchem er ja auch zusam-
menhängt. Diesem fehlt aber bei der entgegengesetzten An-
nahme der Schweif, und nur dieser kann durch die sanft ge-
krümmte Linie ausgedrückt sein. Ob dieselbe zu lang gera-
then ist, oder der Vasenmaler an eine bestimmte Vogelart
dachte, bleibe dahingestellt. Wir haben demnach die genre-
hafte und der älteren griechischen Kunst fern liegende Dar-
stellungen eines in einem Garten oder, wenn man will, ein-
fach im Freien sich ergehenden Mannes zu erkennen. Er er-
quickt sich am Duft einer gepflückten Blume und über seinem
Haupte fliegt ein Vogel. Daran dass auch der hintere Arm
erhoben ist, darf in einer so primitiven Kunst kein Anstoss
genommen werden; er ist nur wegen der Symmetrie zu dem