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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 44 (28. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0351
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Nr. 44.

Antiquiläten-Zeitung in Stuttgart, Zentral-Organ für Sammelrvesen und Alterthumskunde.

Seite 347.

Kanalbau eine Menge alter, leider jedoch meist zer-
brochener Gegenstände gefunden worden, u. A. zwei
römische Ziegel, von denen der eine wohlerhalten war
und die Aufschrift trug I^S. I. LI. Beide Ziegel sind
dem Museum für Rheinische Alterthümer überwiesen
rvorden.
Schkeuditz, Provinz Sachsen. (Interessanter Fund.)
Bei in Nockwitz vorgenommenen Wegearbeiten fand man
zwei Hufeisen, wie sie im Mittelalter im Gebrauch
waren. Beide liegen beim Schmiedemeister Engler in
Ennewitz-Glesien zur Ansicht aus.
Pillkallen, Ostpreußen. (Alterthumsfund.) Bei
Erdarbeiten im Schulgarten zu Ußrudßen wurde in
vergangener Woche ein Steinbeil aus granitartigem
Stein in geringer Erdtiefe gefunden. Dasselbe ist etwa
48 om lang und 10 em hoch, mit schwachgerundeter
Schneide und glattem, rundem Bohrloch. Nach dem
Urtheile Sachverständiger entstammt es der jüngsten
Steinzeit, welche für unsere Provinz ungefähr im zweiten
Jahrtausend vor Christi Geburt endigt. Das Beil ist
der Alterthumsgesellschaft „Prussia" überwiesen worden.
Einige hundert Meter von der Fundstelle befindet sich
ein vom Landvolke „Pillkalnis", d. h. Schloßberg, ge-
nannter, aus der Ferne wie ein Gebäude aussehender
Berg, wo vor Jahren ein ähnliches Beil gefunden
worden ist.
Potsdam, Brandenburg. (Münzfund.) Der Re-
staurateur Kroschke, Brandenburgerstraße 1, fand beim
Abbruch eines alten Kachelofens in der Wand, durch
welche früher das Rohr gelegt war, Geld aus dem 17.
Jahrhundert, das nach Angabe von Kennern 200 bis
300 Mark Werth haben soll.
Laudsberg a. W., Brandenburg. (Hacksilber-
fund.) Die Zahl der in der Provinz Brandenburg aus-
gegrabenen sogenannten Hacksilberfunde hat sich, wie
Herr Kustos Buchholz am vorigen Sonntag aus der
Hauptversammlung oes Neumärkischen Geschichtsvereins
zu Friedeberg mittheilte, um einen durch seinen numis-
matischen Inhalt recht bedeutsamen vermehrt. Der Fund
wurde in der Grabower Forst im Kreise Landsberg a.
W. bei Forstkulturarbeiten gemacht und im Interesse
der wissenschaftlichen Forschung von Herrn Ritterguts-
besitzer Honig dem Märkischen Provinzialmuseum ge-
schenkt. Er bestand aus gegen 2*^ Pfund Silberstück-
chen, meist zerbrochene oder zerhackte zierliche Filigran-
schmucksachen, sowie aus verschiedenen, etwa zur Hälfte
zerhackten Münzen. Diese sind theils kusische mit ara-
bischer Inschrift, theils deutsche, slavische und dänische.
Da keine der Münzen über das Jahr 985 hinausgeht,
so muß die Vergrabung des Schatzes spätestens gegen
Ä90 angenommen werden. In numismatischen Kreisen
wird aus dieser Thatsache, in Verbindung mit dem Vor-
handensein einiger Otto-Adelheid-Münzen, Material zur
Klärung der Streitfrage gezogen, ob solche Münzen von
Otto I. oder Otto III. geschlagen seien. Das Museum
hat Herrn Dr. E. Bahrfeldt in Berlin die Münzen zur
wissenschaftlichen Bearbeitung übergeben. Ein eigen-
thümliches Zusammentreffen ist es, daß schon im Jahre
1818 in demselben Forst, nur 2 Kilometer nördlich von
der neuen Fundstelle, ein ähnlicher Fund aus derselben
Leit ausgegraben wurde. Aus diesen beiden, im An-
schluß an die in südlicher und nördlicher Richtung weiter
zu verfolgenden Funde, läßt sich eine viel benutzte Han-
delsstraße zwischen den Küsten des Schwarzen Meeres,
wenigstens von den Karpathen an, bis zur Ostsee nach-
weisen, die über Posen längs der Warthe bis Zantow,
hier über die Warthe hinweg in nördlicher Richtung
über Gralow bis zu dem Handels-Mittelpunkt Julin
<jetzt Wollin) führte. Ebenso läßt sich eine zweite Straße,
die die Neumark nur in ihrer südwestlichen Spitze be-
rührt, von Schlesien her, auf der rechten Oderseite, über
Leißow, dann vor Küstrin über die Oder setzend,
durch den Barnim und die Uckermark nach Vorpommern
und Rügen verfolgen. Die Töpfe, worin diese Silber-
schätze, und zwar niemals vor der Zeit von 960 und
niemals nach 1050 vergraben wurden, zeigen immer
die eigenthümlichen Merkmale, an denen die vorgeschicht-
liche Forschung, auch unabhängig von den numismatischen
Feststellungen, den slavischen Gefäßtypus erkannte.
Posen, Provinz Posen. (Interessante Funde) sind
kürzlich auf dem Jortzig'schen Grundstück Grabenstraße
28, auf dem an der jetzt unbebauten Straßen-
front ein großer Neubau errichtet wird, gemacht worden.
Beim Ausheben des Baugrundes fand man in einer
Tiefe von IVo Metern 5 Skelette in verschiedener Lage
und bei dem einen Anschnallsporen von bedeutender
Größe und Weite. In der Tiefe von 5 Metern ent-
deckte man eine schön verzierte, noch wohl erhaltene
Kuchenform, die wohl ein paar hundert Jahren alt sein
mag. Noch einen Meter tiefer lagen große eiserne Huf-
nägel, feste Lederstücke rc. Auf der Stelle, die jetzt
bebaut wird, stand bis Anfang dieses Jahrhunderts ein
Gebäude, das bei dem großen Brande von 1803, der
die ganze Unterstadt verheerte, zu Grunde ging. Es
wurde nicht wieder aufgebaut und der Platz seitdem
zum Gärtnereibetrieb benutzt. Dieses Haus stand be-
reits auf erhöhtem Boden, was auf einen noch früheren
Brand auf dem Grundstück schließen läßt.
Alteckendorf, Elsaß. (Münzfund.) Vor Kurzem
fand ein Bauer im Weinberg von Alteckendorf beim
Aushauen alter Rebstöcke etwa einen Meter tief unter
der Erde einen gußeisernen Topf, worin sich etwa 2800
Silbermünzen befanden. Die fachmännische Untersuchung
des Fundes ergab, daß es sich um über 100 verschiedene
Münzsorten, meist Groschen, mit unzähligen Varianten,
größtentheils aus der Regierungszeit der Kaiser Ferdi-
nand II., Ferdinand III. und Leopold II. handelte.
Der Schatz wurde wahrscheinlich im spanischen Erbfolge-
krieg vergraben, der 1705 und 1706 die dortige Gegend
berührte. Seine eigenthümliche Zusammensetzung läßt
vermuthen, daß er einem oder mehreren kaiserlichen
Soldaten gehörte.
Stein am Rhein, Schweiz. (Wandgemälde.) In
einer an die Stadtkirche zu Stein am Rhein angebautcn
Gruftkapelle, die später verkauft und als Keller und
Holzspeicher benutzt wurde, hat man jetzt interessante
ulte Wandgemälde entdeckt, die von dem Archäologen
Wäscher von Schaffhausen unlängst einer eingehenden
Untersuchung unterzogen wurden. Nach Entfernung der
Tünche fand man mehrere Bilder aus dem Ende des

14. Jahrhunderts, die vermuthlich die letzten Freiherren
von Hohenklingen in dieser Familiengruft ihres Ge-
schlechts erstellen ließen. Merkwürdig ist eine dem land-
schaftlichen Charakter nach wahrscheinlich von Hans
Memling herrührende Darstellung der heiligen drei
Könige, in deren Hintergrund auf einem bewaldeten
Berge ein Hirt das Alphorn bläst, sowie ein an die
bekannte Legende vom Geiger zu Gmünd erinnerndes
Gemälde, welches am Kreuze die Gestalt der heiligen
Kümmerniß darstellt, da man noch deutlich einen am
Fuße befindlichen und einen zweiten herabfallenden Schuh
auf dem Bilde wahrnimmt. Nach einer Abzeichnung
der Entdeckungen in Originalgröße für das schweizerische
Landesmuseum sollen die in den Umrißlinien und Farben-
resten noch gut erkennbaren Malereien sorgfältig re-
staurirt werden.
St. Moritz, Schweiz. (Römerfunde.) Bei den
Ausgrabungen zu St. Maurice (Wallis) wurde ein treff-
lich erhaltener römischer Altar mit den Dimensionen
93,60 und 46 cm bloßgelegt. Er trägt die 5zeilige
Inschrift: veo 8säato/ 1. Veutslius/ VöAStinus/ II
Viral/ v. 8. v. v. .. Man wird diese Ausgrabungen
fortsetzen, die so schöne Erfolge schon brachten und in
Zukunft versprechen.
Baden, Niederösterreich. (Ein geheimnißvoller
Fund.) In einem zu dem ehemaligen Augustiner-
Kloster gehörigen alten Hause ist eine merkwürdige
Entdeckung gemacht worden. In einem abgelegenen
Winkel des Hauses fand man unter Staub und Schutt
mehrere alte Pergamentbände, die schon halb ver-
schimmelt und vermodert sind, ferner eine große Zahl
kupferner Geräthe, deren Zweck noch nicht klar ist,
und endlich alte wissenschaftliche Instrumente. Der
Inhalt der Pergamentbände ist in lateinischer Sprache
geschrieben. Die Phantasie der Menge hat bereits eine
Erklärung dieses Fundes versucht; man glaubt natürlich,
daß die Codices Formeln zur Beschwörung böser Geister
und zur Auffindung verborgener Schätze enthalten, daß
die kupfernen Gegenstände Amulete seien und daß die
wissenschaftlichen Instrumente aus dem Laboratorium
eines Alchymisten stammen.

Auktionen, Verkäufe.
(Wir bitten die Herren Auktionatoren, uns stets die Resultate
druckfertig mitzutheilen. Das ist eine klein« Mühe und wird sehr viel
zur Hebung des Geschäfts beitragen.)

Köln. (Kupferstiche.) Die Firma I.
M. Heberle (H. Lempertz' Söhne) in Köln
—versendet soeben den fast 5000 Nummern
enthaltenden Katalog einer Sammlung von
Kupferstichen, Radirungen, Holzschnitten,
Linienstichen, modernen Prachtblättern, Farb-
>» druckblättern rc. aus dem Nachlasse des
Herr Adh. van Bavegem aus Termonde. Die Ver-
steigerung dieser Sammlung erfolgt zu Köln in der
Zeit vom 2. bis 24. November.
Paris. (Eine interessante Bilderauktion) fand
in der Galerie Petit der Rue de Ssze statt. Zur Ver-
steigerung gelangte die Sammlung des verstorbenen
Fabrikanten Lefebvre aus Roubaix, die vor etwa 30
Jahre angelegt worden war. Den höchsten Preis er-
zielte ein Millet, „Die Strickerin," ein kleines Gemälde
von 29 om Höhe und 29 em Breite, das dem Meister
mit 800 Fr. bezahlt worden war. Für das Bild wur-
den 40,000 Fr. verlangt und die Auktion begann mit
10,000 Fr., ging aber rasch bis auf 60,000 Fr. in die
Höhe, um welchen Preis es einem Kunsthändler zu-
geschlagen wurde. Die übrigen Bilder erzielten folgende
Preise: Brascassat's „Landschaft mit Thieren", 2100
Fr., Corot's „Nymphentanz" 29,100 Fr. (Schätzungs-
preis 30,000 Fr.), desselben „In der Picardie," 13,000
Fr., desselben „Straße von Harfleur" 4700 Fr., Eugsne
Delacroix' „Arabische Fantasia" 10,100 Fr. (Schätzungs-
preis 20,000 Fr.), Diaz' „Landschaft" 2100 Fr., des-
selben „Die Verlassene" 19,000 Fr., desselben „Wald
von Fontainebleau" 10,000 Fr., desselben „Landschaft
mit Figuren" 4550 Fr., Jules Duprs's „Der Eichen-
tümpel" 13,550 Fr., desselben „Landschaft" 5700 Fr.,
Eugsne Fromentin's „Arabische Reiter" 8900 Fr., Eugsne
Jsabey's „Schloßhof" 10,400 Fr., Meissonier's „Der
Rasfinirte" 6900 Fr., desselben „Antibes" 5000 Fr.
und „Ansicht von Antibes" 8100 Fr., Gustave Moreau's
„Odaliske" 600 Fr.; zwei kleine Bilder Th. Rousseau's
wurden sehr theuer bezahlt: „Landschaft in der Picardie"
17,000 Fr. und „Sumpf in einer Waldebene" 20,100
Fr. Von den übrigen Bildern erzielten: Troyon's
„Auf dem Wege zum Markte" 5000 Fr., desselben
„Hennen und Hahn" 5700 Fr., Veyrassat's „Pferde
bei der Tränke" 2700 Fr., Ziem's kleines Seebild
3050 Fr., van Goyen's „Ufer der Maas" 5600 Fr.,
Greuze's „Bittstellerin" 8000 Fr. Der Gesammterlös
der Auktion betrug 321,180 Fr. — Herr Jacques Le-
baudy, der Bruder des „pstit suorier", ließ kürzlich
im Hotel Drouot die Bilder und Kunstmöbel verkaufen,
die jener im Vorjahre recht theuer bezahlt hatte und
die durchwegs mit erheblichen Verlusten losgeschlagen
wurden. Es erzielten: Chaperon's „Marschall Masssna
bei Waterloo" 1000 Fr., Corot's „Fischerknabe" 11,800
Fr., I. Girardet's „Bonaparte im Kloster von St.
Bernhard" 1160 Fr., Meissonier's „Der Arzt" 8900
Fr., desselben „Karl I." 8000 Fr., desselben „Dante"
7900 Fr., Troyon's „Weiden am Ufer der Toucques"
17,000 Fr. Von den Möbeln wurden verkauft: Sopha
und vier Lehnstühle mit gestickten Medaillons, Thiere
und Landschaften darstellend, geschnitztes und vergol-
detes Holz Louis XV. 4320 Fr., zwei Sophas, vier
Lehnstühle, vergoldetes Holz, Genueser Sammt, Louis
XV., 6500 Fr., kleiner Tisch aus geschnitztem und ver-
goldetem Holz Louis XV., 2010 Fr., Kommode Louis
XV., Lackarbeit von Coromandel, 5000 Fr.
Loudon. (Auktionen.) Hier wurde kürzlich eine
Sammlung alter französischer Möbel, Schnupftabaks-
dosen, Etuis und anderer Kunstgegenstände versteigert;
109 Nummern erzielten an die 120,000 Mk. Beste
Preise waren: eine Uhr von Lepine ä la Louis XVI.
7500 Mk., ein Paar Louis XVI. Kandelaber 5140 Mk.,
ein Louis XVI. Tintenfaß 2680 Mk., ein kleiner ob-
longer Tisch L la Louis XV. aus Tulpenbaumholz
3640 Mk. — Ferner wurde ein Porträt, das der Katalog

Gainsborough zuschrieb für 16,700 Mk. verkauft; im
Jahre 1847 hatte es 256 Mk. erzielt. — Auf einer
Versteigeruug alter Niederländer wurden nur niedere
Preise erreicht; so: A Cuyp. (Herreuporträt) 1925 Mk.,
F. Hals (Knabe, der Seifenblasen bläst) 1140 Mk.,
van der Helft (Damenporträt) 1820 Mk., R. Mans
(Porträt einer alten Dame) 3000 Mk. — Ein Gains-
borough wurde mit 1000 Guineas bezahlt, eine prächtige
Kirmeß von Teniers erzielte 370 Guinees, die Jung-
frau von Albrecht Dürer 300 Guineas und eine Ver-
kündigung von Martin Schongauer 480 Guineas. Ein
großes Altarbild, die Madonna mit dem Kinde dar-
stellend, von einem italienischen Meister, wurde für 740
Guineas abgegeben, das von dem einstigen Akademie-
präsidenten M. A. Shee gemalte Bildniß zweier Knaben
aus der Familie Aschley für 460 Guineas.

Technische Notizen.
Eine lederne Büste. Ein Sammler von Alter-
thümern erwarb vor einem halben Jahre unter Ande-
rem einen merkwürdigen Gegenstand, dessen völlige Er-
klärung bisher nicht gelungen ist, und gibt in Folgendem
eine Beschreibung, mit der Bitte, wenn anderswo be-
stimmtere Aufschlüsse gegeben werden könnten, oder eine
ähnliche Arbeit bekannt ist, der Redaktion Nachricht zu
geben. Der betreffende Gegenstand ist eine gut model-
lirte Büste eines vornehmen Mannes, in dickem
Leder getrieben, respektive gehoben und geschnitten,
mit Resten einer Lackmasse in mehreren Farben, zirka
35 om hoch, aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Auf
dem Haupte trägt der Mann einen hohen Helm, dessen
oberster Theil weggebrochen ist, und dieser Helm sollte,
nach den Resten der gelben und rothen Lackmasse, mit
einem Stoff, Sammt oder Seide, in reicher Stickerei
überzogen gedacht sein. Mit Stoff überzogene Helme
kommen zuerst in Italien im 14. Jahrhundert auf und
wurden namentlich im 15. und 16. Jahrhundert dort
getragen, waren aber auch in Deutschland im 16. Jahr-
hundert, besonders in der zweiten Hälfte desselben, üb-
lich geworden. Dicht über dem Rande, resp. den Krempen
des Helmes lief rings herum eine erhabene Inschrift in
lateinischer Sprache, von welcher sich leider nur einzelne
Buchstaben und im Anfänge, hinten neben dem Kamme,
das Wort „Dux" erhalten haben. Abgesehen von den
Verletzungen am Helme und einem Einbruch in den
Bodentheil, ist die Büste gut erhalten. Unter dem Helme
sieht das rothe Helmfutter hervor, von dem 2 Backen-
stücke, Ohrenklappen, in verziertem Leder herabhängen.
Ein breites Gesicht mit mächtigem Schnurrbarte, ge-
bogener Nase, schaut uns freundlich lächelnd an. Um
den Hals schließt sich der auch mit Sammt oder Seide
überzogene, reich verzierte Harnischkragen, und dieser
hängt zusammen mit dem unter der rechten Schulter
erkennbaren, auch mit einem Stoff, nach den Resten der
Bemalung, überzogenen Schuppenpanzer. Solche mit
einem Stoff, Sammt oder Seide, überzogene Schuppen-
panzer, Korazin genannt, wurden in Italien im 15. und
16. Jahrhundert, und in Deutschland, auch in Spanien
und Frankreich, im 16. Jahrhundert von Edelleuten ge-
tragen. Es war ein beliebtes Waffenkleid der Vornehmen.
Der größte Theil der Korazin ist an jener Büste durch
einen auf der rechten Schulter aufgebauschten, in Falten
geordneten (respektive getriebenen) schwarzen Mantel be-
deckt. Die Rückseite der Büste ist mit eingestanzten
Lilien und Herzen geziert und zeigt zwei Marken: I. D.
Man muß annehmen, daß sie eine Portraitbüste sein
soll. Gewiß eine auffallende Eigenthümlichkeit, daß man
zur Herstellung einer Büste Leder, und noch dazu so
dickes Leder verwandte. Warum modellirte man sie nicht
in Thon und goß sie in Metall, z. B. Bronce, oder ar-
beitete sie in Stein aus ? Warum nahm man nicht Holz,
oder einfach Terracotta? Bei näherer Untersuchung er-
kennt man nun, daß diese merkwürdige Büste nicht bloß
eine Porträtbüste sein sollte, sondern auch einem andern
praktischen Zweck gedient haben muß. Die Ränder der
vereinigten Bodenstücke sind nämlich mit einer sehr
starken, dichten, doppelten Naht gesichert,
und das war für eine bloße Büste doch überflüssig! Im
Innern — von oben und durch den Einbruch in den
Bodentheil kann mau das Innere gut übersehen — finden
sich Reste eines Anstrichs einer gelben Lack- oder Pech-
masse. Man kommt zur Annahme, die Büste sollte ge-
legentlich auch eine Flüssigkeit fassen. Ferner finden
sich unten am Rande, dann zu beiden Seiten des Hin-
teren Halses und zu beiden Seiten des Helmrandes um-
nähte Löcher, offenbar zum Durchziehen einer Schnur!
Man fragt sich: zum Aufhängen, oder zum Umhängen?
Es wurde zuerst an eine Feldflasche gedacht; aber dies
ist zu verwerfen. Die Form der Büste ist dafür ja recht
unbequem, und war sie gefüllt, wurde sie dafür zu
schwer. Die Löcher und Schnüre würden die Last beim
Reiten oder Marschiren auch kaum gehalten haben. Und
wozu die feinen, mit solcher Mühe hergestellten
Einzelheiten an der Büste, die Inschrift, die nachgeahmte
Stickerei, die charakteristischen Eigenthümlichkeiten des
Gesichtes? Jede Schuppe des Panzers, fast jedes Haar
des Schnurrbartes ist zu erkennen! Es wird nun ange-
nommen, jene Büste hätte zugleich den Zweck gehabt,
bei gewissen Gelegenheiten als Humpen zu dienen, und
jene Löcher und Schnüre wären nöthig, um diesen Hum-
pen besser in gefülltem Zustande herbeizutragen und ge-
brauchen zu können. Es sind Reste der Handheben!
Der oberste Theil des Helmes fehlt, man kann den
obersten Rand, an dem getrunken wurde, nicht mehr
sehen. Diese Erklärung ist jedoch noch nicht sicher, und
es fragt sich, ob Jemand eine bessere aufstellen kann und
ob eine ähnliche Arbeit anderswo bekannt ist? Fast
möchte man zweifeln. Wir haben aus der Zeit der
Gothik, Renaissance und später hübsche Arbeiten in ge-
hobenem, geschnittenem, gepreßtem und gestanztem Leder;
aber daß sich ein Meister dieses Faches zur Herstellung
einer förmlichen Büste, und noch dazu einer Portrait-
büste, aufgeschwungen hat, davon hat der Verfasser
Dieses noch nichts gehört. An eine moderne Arbeit ist
gar nicht zu denken l Aus Sammlungen alter Kupferstiche
und Holzschnitte läßt sich möglicherweise feststellen, welchen
Mann jene Büste darstellen soll.
 
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