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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0102

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92

Die Maler.

pueriles delicias aliquas depingere. Wie dem aber auch sei, so legt immerhin
schon Plinius für die ausgebreitete Gelehrsamkeit des Künstlers ein hinlänglich
gewichtiges Zeugniss ab.

Wenden wir uns nun zur Würdigung der bisher angeführten Nachrichten,
so müssen uns dieselben schon bei flüchtiger Betrachtung einen wesentlich
andern Eindruck machen, als alles, was wir über die im vorigen Abschnitte
behandelten kleinasiatischen Künstler erfuhren: wir hören nichts von technischen
Kunststücken oder von geistreichen Einfällen, wie sie namentlich bei der grossen
Menge ungebildeter Beschauer sich Beifall zu erwerben pflegen. Auffällig ist
ferner, dass bei einem sonst so hochgepriesenen Meister nur eine äusserst geringe
Zahl von Werken namhaft gemacht wird, wenn es auch wieder ein günstiges
Vorurtheil erwecken muss, dass sich darunter ein Schlachtbild befindet, also
wieder einmal ein historisches Bild im strengen Sinne. Auch dass seine Werke
durch Vorzüge nach einer Seite hin, sei es in der Zeichnung, der Farbe, im
Helldunkel u. a. besonders geglänzt hätten, wird nicht gesagt. Genug, es ist
nicht sowohl das künstlerische Vermögen, das Können, als das künstlerische
Wissen, worauf bei Pamphilos der Nachdruck gelegt wird. Um aber seine
136 auf dieser Eigenschaft beruhende Bedeutung richtig zu würdigen, werden wir
uns die verschiedenen Kräfte des Geistes vergegenwärtigen müssen, welche beim
Schaffen und Vollenden eines Kunstwerks thätig sind. Ich thue dies mit den
Worten Rumohrs1): „Durch zween, wohl in einander greifende, doch unter-
scheidbare und unterscheidenswerthe Beziehungen seiner Geistesfähigkeit ge-
langt der Künstler in den Besitz einer so klaren, so durchgebildeten und reichen
Anschauung der Naturformen, als er jedesmal bedarf, um diejenigen Kunstauf-
gaben, welche theils aus seiner inneren Bestimmung, theils aus seiner äussern
Stellung hervorgehen, deutlich und gemuthend darzustellen. Die erste besteht
in gründlicher Erforschung der Gesetze, eines Theils der Gestalten, andern Theils
der Erscheinung solcher Formen der Natur, welche aus inneren Gründen und
durch äussere Veranlassungen dem Künstler näher liegen, als andere. Die For-
schungen dieser Art zerfallen in anatomische und optisch-perspectivische. —
Die zweite besteht in Beobachtung gemuthender und bedeutsamer Züge, Lagen
und Bewegungen der Gestalt; und diese erheischt, um fruchtbar und ergiebig
zu sein, nicht so sehr sonst empfehlenswerthe Ausdauer und Gründlichkeit des
Fleisses, als vornehmlich die leidenschaftlichste Hingebung in den sinnlich-
geistigen Genuss des Schauens."

Es ist nun klar, dass bei einem Ueberwiegen der letztern Richtung das
Verhältniss des Künstlers zu der ihm gegenüberstehenden Natur und der Welt
der Erscheinungen ein durchaus unmittelbares sein wird. Er nimmt die von
aussen erhaltenen Eindrücke, so weit sie als für die Kunst tauglich auf ihn ein-
wirken, unmittelbar in sich auf, um sie eben so unmittelbar wieder in das
Kunstwerk zu übertragen. Hier ist also alles bedingt durch die Lebendigkeit,
Fülle, Klarheit und Schärfe der Anschauung und Auffassung. Bei dem Vor-
wiegen einer mehr reflectirenden Thätigkeit muss zwar der Künstler von der-
selben Grundlage, von einfacher Beobachtung der Erscheinungen in der Natur

i) [tal. Forsch. I, 64 fg.
 
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