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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0129

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IV. Die Maler vom Endo des peloponn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 119

liehen verflochten werden (rd d'uX'ka endysiv .... ndvra ravr b.eivov ££?;or?;- 176
ffiva ml (l'Ahj'kot.g avyy.sy.oaueva y.ard rov .Trjs XPSLaS h°Y0V> oder: Tikiy.tiv rd
ring -nguynaaiv). Als Beispiele solcher ijüi] führt aber Dionj-s an die Er-
regungen des Zornes, des Mitleids, des Witzes, der Bitterkeit, des Neides: rd
dvfiLy.d y.ai tu oly.rpd ml rd dareta y.ai rd ray.od y.ai rd initpSova. Hier also
erscheinen die ij&r] nicht als der von der Handlung unabhängige Charakter,
sondern sie sind die von der jedesmaligen Sachlage bedingten Stimmungen, die
Erregungen des Gemüthes, welche erst durch die Verhältnisse der Handlung
hervorgerufen werden, und welche der Redner, indem er sie lebhaft vor die
Seele der Zuhörer stellt, in diesen wiederzuerwecken streben soll. Diese
nun in der Malerei in einer früher noch nicht dagewesenen Weise zur Darstel-
lung gebracht zu haben, war offenbar der Vorzug des Aristides; und so will es
auch Plinius verstanden wissen, wenn er übersetzt: animum pinxit et sensus
hominis expressit. Man könnte hier animus durch Seele wiedergeben, insofern
wir die Seele dem Geiste als der thätigen Lebenskraft entgegensetzen und sie
als jenen inneren Sinn, als jenes unauslöschliche Gefühl für das Gute auffassen,
welches durch die Thätigkeit des Geistes oder durch die von aussen einwirken-
den Ereignisse fortwährend erregt einen Wechsel von Stimmungen und inneren
Bewegungen hervorruft, der sich auch äusserlich in dem feinsten Spiele der
Mienen und Bewegungen oft unabsichtlich offenbart. Der Ausdruck sensus aber
bezieht sich auf ein ganz analoges, nur auf eine minder hohe Sphäre gerich-
tetes Gefühl, auf das für das sinnlich Angenehme, insofern dasselbe in durch-
aus verwandter Weise, wie jenes seelische Element die empfangenen Eindrücke
auch äusserlich wiederspiegelt. Wenn nun zu diesen durch geistige und sinn-
liche Empfindungen hervorgerufenen Stimmungen, den t'jd-t), in dem Urlheile
über Aristides noch die nu&i] hinzugefügt werden, so sind diese von den ersteren
weniger dem Wesen, als dem Grade nach verschieden. Beide sind Affecte oder
Erregungen derselben Thätigkeit der Seele oder Sinne. Aber während die tjSt]
überall der mildere, noch durch die Energie des Geistes gemässigte Ausdruck
derselben sind, ist mit den nd&i], wie auch die lateinische Uebersetzung per-
turbationes zeigt, stets der Begriff des Gewaltsameren, der Steigerung zur 177
Leidenschaft oder zu einem durch den Schmerz überwältigten Dulden ver-
bunden.

Blicken wir jetzt zur weiteren Bestätigimg des uns von Plinius auf-
bewahrten Urtheils auf die Werke des Aristides, so finden wir wohl, um so-
gleich an den letzten Satz wieder anzuknüpfen, kaum in der ganzen griechi-
schen Kunst ein Werk, welches zur allseitigsten Entwickelung pathetischer
Effecte so geeignet wäre, wie das Bild der sterbenden Mutter mit dem Kinde.
Die Schrecken der Verwüstung einer Stadt, welche, wenn auch nicht ausführ-
lich dargelegt, doch mit hinlänglicher Bestimmtheit angedeutet sein mussten,
der Todeskampf der Mutter, doppelt erschwert nicht blos durch die Sorge um
die ] Hilflosigkeit des Kindes, sondern auch durch die Furcht, ihm im Tode noch
verderblich zu sein, dazu der Contrast des noch keiner Erkenntniss fähigen, von
allen diesen Schrecken unberührten Kindes, alles dieses vereinigt sich zum Aus-
druck des höchsten tragischen Entsetzens, so dass wir gar nicht anzunehmen
brauchen, der ganzen Scene möge als der Katastrophe einer bekannten mythi-
 
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