Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0143

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
IV. Die Maler vom Ende des peloponn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 133

tilian i) die circumlitio in der Malerei besteht in einer circumductio colorum in
extremitatibus figurarum, qua ipsae figurae aptius finiuntur et eminentius
extant, einer Behandlung der Farbe an den Figuren nach ihren äusseren Um-
rissen hin, durch welche die Figuren selbst passender sich abschliessen und
gerundeter hervortreten, so dürfen wir aus der Uebereinstimmung dieser Defi-
nition mit dem obigen ürtheile des Plinius wohl den Schluss ziehen, dass auch
in der Malerei dem Nikias das Verdienst der circumlitio nicht abzusprechen ist.
Zugleich aber kann diese von Welcker2) mit Recht betonte Stelle uns auch
von der Bedeutung der circumlitio für die Skulptur einen bestimmteren Begriff
geben. Denn wir brauchen, was in der Malerei von ganzen Figuren gilt, hier
nur auf die einzelnen in gewissem Sinne selbständigen Theile einer einzigen
Gestalt zu übertragen: selbständig insofern, als sie ihrem Stoffe nach keine
Verwandtschaft mit den sie begrenzenden Theilen haben. So scheiden sich die
verschiedenartigen Gewänder und sonstiger Schmuck sowohl von einander, als
vom Körper im allgemeinen, am Körper wieder das Haar vom Fleische, und
wollen wir weiter gehen, die Augen, Lippen u. a. von der Masse der Plaut. Wir
erkennen daher die Bedeutung der circumlitio darin, dass durch sie die Be-
grenzungen dieser verschiedenen Stoffe deutlicher hervorgehoben werden, und
durch diese Sonderung das Ganze an Ueb ersichtlichkeit und plastischer Abrun-
dung gewinnt. So wenig es aber ist, was wir erfahrungsmässig über die Aus-
übung dieses Kunstzweiges wissen, so leuchtet doch ein. dass gerade wegen
der nothwendig gebotenen Beschränkung auf die einfachsten Farbenmittel die
Anwendung, das Auswählen und Harmonisiren derselben eine um so grössere
Vorsicht erheischte, und daher selbst ein Bildhauer wie Praxiteles sich bewogen
fühlen konnte, das hierin geüblere Auge und die Hand eines Malers zu Hülfe
zu rufen. Auf der andern Seite wird aber dem Nikias die grössere Aufmerk- 198
samkeit, welche er dadurch der plastischen Darstellungsweise zu widmen ver-
anlasst ward, auch in der Malerei wieder förderlich geworden sein; ja vielleicht
beruht gerade seine von Plinius hervorgehobene malerische Eigenthümlichkeit
auf dieser Wechselwirkung verschiedenartiger Thätigkeit. So erscheint z. B. die
Bemerkung des Fronto 3), man solle von Nikias nicht verlangen, dass er „obscura"
male, am leichtesten ihre Erklärung in dem Streben nach derjenigen Klarheit
und Durchsichtigkeit zu finden, welche selbst in den Schatten noch die plas-
tische Rundung aller Formen erkennen lässt. Ob und wie weit ihm dabei eine
vor ihm nicht angewendete Farbe, usta, ein röthlich gelbes Bleioxyd, dessen
Bedeutung für Schattengebung von Plinius besonders hervorgehoben wird«), von
wesentlichem Nutzen gewesen ist, vermögen wir bei unserer lückenhaften Kerint-
niss der alten Malertechnik freilich nicht zu bestimmen.

Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der Gegenstände, deren Darstellung
er seine Kunst widmete, so meldet uns Plinius ») ausdrücklich, dass er mit be-
sonderer Sorgfalt Frauen malte; und die Titel mehrerer seiner Gemälde, Nemea,
Danae, Kalypso, Jo. Andromeda, können dieser Angabe als Bestätigung dienen.
Ausserdem ist uns aber noch eine specielle Aeusserung des Nikias selbst über

!) VIII, 5, 26. 2) zu Müller Arch. S: 431. 3) ep{st. p. 170 ed. Rom. i) 35, 38; vgl
Wiegmann Malerei d. A. S. 218. 5) 35, 131.
 
Annotationen