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SW KUNSTHISTORISCHE WANDERUNGEN: BARCELONA
BARCELONA
FASSADE DER KATHEDRALE
Von Architekt Don Jose O. Mestres (Text S.3)
nierung unglücklicherweise auf den äußersten
Saum des ernsten kirchlichen Gewandes«
übertrug. Seither hat sich auf diesem Gebiete
ein gründlicher Wandel vollzogen. »Die
Blüte des Kunstgewerbes« überhaupt, wurde
die Spitze genannt (Semper), »als Blüte der
Renaissance« wurde sie mit Recht neuestens
gepriesen (Dreger). Die diesbezügliche Lite-
ratur Frankreichs und Deutschlands zeigt, daß
ein neues Glied sich in die Geschichte des
Kunstgewerbes eingedrängt hat, dessen Ge-
burtsland noch nicht einmal aus dem Gebiete
der Hypothese herausgetreten ist.
Die italienischen Spitzenbücher des 16. Jahr-
hunderts sprechen von »Merli a redicella
alla Spagnola«, heute noch bezeichnet der
Italiener die alte Nähspitze als »punto di
Spagna«. Dennoch soll Italien im Vorder-
gründe stehen, einzig weil Spanien, »so viel
bisher bekannt ist, kaum ein derartiges Werk
(Spitzenbuch) aufzuweisen hat« (Dreger). Man
darf dem künftigen Forscher nur gratulieren.
Die Glanzzeit der Entwicklung der Spitze
wird seine Domäne bilden, rühmt doch schon
Cervantes die Frau seines
Landes, die mit zwölf Klöp-
peln zu operieren verstehe.
Die Epoche der Barockzeit
dürfte ihn weniger beschäf-
tigen. Hingegen kennt die
Gegenwart eine Renaissance
auf diesem textilen Gebiete.
Ihr Pionier ist Jose Fiter,
der nicht bloß die Ver-
gangenheit, wenn auch
nicht frei von Einseitigkeit,
beleuchtete, sondern auch
der Gegenwart scharfsinnig
ihre Perspektive eröffnete,
leider ohne sein Ziel zu
erreichen.
Unterdessen sind wir in
Barcelona, der wichtigsten
Hafenstadt Spaniens, ange-
langt. Die Dichter haben
ihre Lage in farbenschil-
lernden Dithyramben be-
sungen. Mit Recht, denn
anmutige Höhenzüge um-
ziehen zarten Naturgobe-
lins gleich die Halbmillio-
nenstadt, vor deren Thron
sich teppichartig das stolze
Meer ausdehnt. Eine echt
südliche via triumphalis
führt uns durch die Palmen-
allee des Paseo Colon zur
kühn emporragenden Ko-
lumbussäule, hinauf nach dem Montjuich. Zu
unsern Füßen dehnt sich die Stadt aus, der
man gleich Florenz den Namen la fiorente vin-
dizieren dürfte. Das dicht gedrängte Häuser-
meer kennzeichnet sich noch als die einst vom
Festungsgürtel umschlossene Altstadt mit ihren
schmalen Gäßchen, vom Platanenhain derRam-
bla durchschnitten. Der trauten Muhme nahte
sich die Neuzeit mit ihrer originellen Frische
und kühnen Unternehmungslust. Sie legte
die Ringmauern nieder und umschloß die
Schöpfungen der Vergangenheit mit breiten,
baumbepflanzten Straßen, an denen sich
prächtige Paläste erheben.
Der freundliche Leser wird entschuldigen,
wenn wir ihn ungewohnte Wege führen. Die
kühnen Werke der spanischen Gotik in
Barcelona hat uns Graus kurz, dennoch
treffend geschildert. Uber die Kathedrale
orientieren uns sogar zwei umfangreiche
Monographien. Die Societat Fotografica Cata-
lana veröffentlichte in Bild und Wort dieses
Hauptwerk der spanischen Architektur. Das
groß angelegte Werk von Soler und Pedrosa
SW KUNSTHISTORISCHE WANDERUNGEN: BARCELONA
BARCELONA
FASSADE DER KATHEDRALE
Von Architekt Don Jose O. Mestres (Text S.3)
nierung unglücklicherweise auf den äußersten
Saum des ernsten kirchlichen Gewandes«
übertrug. Seither hat sich auf diesem Gebiete
ein gründlicher Wandel vollzogen. »Die
Blüte des Kunstgewerbes« überhaupt, wurde
die Spitze genannt (Semper), »als Blüte der
Renaissance« wurde sie mit Recht neuestens
gepriesen (Dreger). Die diesbezügliche Lite-
ratur Frankreichs und Deutschlands zeigt, daß
ein neues Glied sich in die Geschichte des
Kunstgewerbes eingedrängt hat, dessen Ge-
burtsland noch nicht einmal aus dem Gebiete
der Hypothese herausgetreten ist.
Die italienischen Spitzenbücher des 16. Jahr-
hunderts sprechen von »Merli a redicella
alla Spagnola«, heute noch bezeichnet der
Italiener die alte Nähspitze als »punto di
Spagna«. Dennoch soll Italien im Vorder-
gründe stehen, einzig weil Spanien, »so viel
bisher bekannt ist, kaum ein derartiges Werk
(Spitzenbuch) aufzuweisen hat« (Dreger). Man
darf dem künftigen Forscher nur gratulieren.
Die Glanzzeit der Entwicklung der Spitze
wird seine Domäne bilden, rühmt doch schon
Cervantes die Frau seines
Landes, die mit zwölf Klöp-
peln zu operieren verstehe.
Die Epoche der Barockzeit
dürfte ihn weniger beschäf-
tigen. Hingegen kennt die
Gegenwart eine Renaissance
auf diesem textilen Gebiete.
Ihr Pionier ist Jose Fiter,
der nicht bloß die Ver-
gangenheit, wenn auch
nicht frei von Einseitigkeit,
beleuchtete, sondern auch
der Gegenwart scharfsinnig
ihre Perspektive eröffnete,
leider ohne sein Ziel zu
erreichen.
Unterdessen sind wir in
Barcelona, der wichtigsten
Hafenstadt Spaniens, ange-
langt. Die Dichter haben
ihre Lage in farbenschil-
lernden Dithyramben be-
sungen. Mit Recht, denn
anmutige Höhenzüge um-
ziehen zarten Naturgobe-
lins gleich die Halbmillio-
nenstadt, vor deren Thron
sich teppichartig das stolze
Meer ausdehnt. Eine echt
südliche via triumphalis
führt uns durch die Palmen-
allee des Paseo Colon zur
kühn emporragenden Ko-
lumbussäule, hinauf nach dem Montjuich. Zu
unsern Füßen dehnt sich die Stadt aus, der
man gleich Florenz den Namen la fiorente vin-
dizieren dürfte. Das dicht gedrängte Häuser-
meer kennzeichnet sich noch als die einst vom
Festungsgürtel umschlossene Altstadt mit ihren
schmalen Gäßchen, vom Platanenhain derRam-
bla durchschnitten. Der trauten Muhme nahte
sich die Neuzeit mit ihrer originellen Frische
und kühnen Unternehmungslust. Sie legte
die Ringmauern nieder und umschloß die
Schöpfungen der Vergangenheit mit breiten,
baumbepflanzten Straßen, an denen sich
prächtige Paläste erheben.
Der freundliche Leser wird entschuldigen,
wenn wir ihn ungewohnte Wege führen. Die
kühnen Werke der spanischen Gotik in
Barcelona hat uns Graus kurz, dennoch
treffend geschildert. Uber die Kathedrale
orientieren uns sogar zwei umfangreiche
Monographien. Die Societat Fotografica Cata-
lana veröffentlichte in Bild und Wort dieses
Hauptwerk der spanischen Architektur. Das
groß angelegte Werk von Soler und Pedrosa