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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 2.1905/​1906

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Fäh, Adolf: Kunsthistorische Wanderungen durch Katalonien
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Schröder, Alfred: Die Hofkirche in Neuburg a. D.: ein Beitrag zur Geschichte der Spätrenaissance in Süddeutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.53157#0236

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206

^8 DIE HOFKIRCHE IN NEUBURG a. D.

unter denen ein mit Silberplatten belegtes
Reliquiarium (Abb. S. 207) ihn fesselt. Löwen
bilden die Träger des auch künstlerisch wert-
vollen Schatzes, dessen Seiten sorgfältig ge-
arbeitetes gotisches Rankenwerk und zart
behandelte Reliefs dekorieren.
Wir sind im Saale des Stifters dieser herr-
lichen Sammlung angelangt. Kostbare Gobe-
lins verkleiden rings die Wände. Unter dem
mit reicher Stickerei verzierten Baldachin
beobachten wir das Bild des verdienstvollen
Kirchenfürsten Jose Margades y Gili. Mit
Ehrfurcht nähern wir uns. Das Andenken
eines Mannes, der mit unerschöpflicher Opfer-
willigkeit, rastlosem Fleiße und zartem Ver-
ständnis diese Schöpfung hervorgerufen, muß
der Pietät nicht empfohlen werden, er lebt
fort im Werke, das er geschaffen.
(Fortsetzung folgt)
DIE HOFKIRCHE IN NEUBURG a. D.
Ein Beitrag zur Geschichte
der Spätrenaissance in Süddeutschland
Von Professor Dr. A. SCHRÖDER
Die ehemalige Jesuitenkirche in Neuburg,
seit 1843 mit dem geschichtlich wohlbe-
rechtigten Titel einer Hofkirche ausgezeichnet,
ist bisher von der kunsthistorischen Literatur
wenig beachtet und nie richtig gewürdigt
worden. Zwar hat Kaufmann Graßegger in
Neuburg, der langjährige, verdiente Sekretär des
dortigen Historischen Vereins, in den Neu-
burger Kollektaneenblättern 1843—45 eine sehr
verlässige, aus den Fragmenten der Bauakten
geschöpfte Baugeschichte der Kirche veröffent-
licht. Aber die kunsthistorische Literatur hat
von dieser Arbeit keine Notiz genommen.
Sighart bringt in seiner »Geschichte der
bildenden Künste in Bayern« über die Kirche
nur die kurze, zum Teil unrichtige Nach-
richt, sie sei 1607—1616 von V. Gilg aus
Sachsen und den Stuckatoren Castelli aus-
geführt worden; er konnte sich darauf be-
schränken; denn das Verständnis und die
Würdigung der Spätkunst lag seinem und der
Zeitgenossen Blick noch ferne. Immerhin
war seiner spärlichen Mitteilung zu ent-
nehmen, daß der Bau in eine Zeit falle, in
der sich die kirchliche Baukunst in einem
denkwürdigen Ubergangsstadium befand, so
daß jedes bedeutendere Werk, deren damals
ohnehin nur ganz wenige entstanden, ein
wichtiges Glied in der Kette der Entwicklung
bildet. Trotzdem kam Lübke in seiner »Ge-
schichte der Renaissance in Deutschland« mit
keinem Wort auf die Hofkirche zu sprechen.

Auch in G.v. Bezolds Werk: »Die Bau-
kunst der Renaissance in Deutschland . . .«
sucht man sie vergebens Freilich hatte unter-
dessen Gurlitt in der »Geschichte des
Barockstiles und des Rokoko in Deutschland«,
von irrigen Voraussetzungen geleitet, die rich-
tigen Gesichtspunkte der Beurteilung gänzlich
verschoben und die entwicklungsgeschicht-
liche Bedeutung des Baues in ungünstiges
Licht gesetzt; er schreibt das Wesentliche
seiner künstlerischen Wirkung, die schöne
Raumanlage, dem angeblichen romanischen
Vorfahren des Baues auf Rechnung und da-
tiert den Turm, der eine bedeutsame Lösung
des Fassadenproblems versucht, um 30 Jahre
zu spät. — —
Im folgenden habe ich für die Baugeschichte
die Abhandlung Graßeggers und die spär-
lichen Überreste der O ri gi n a 1 b au akte n
im Archiv des Historischen Vereins Neuburg
herangezogen. — —
An Stelle der Hofkirche erhob sich einst
eine dreischiffige, gewölbte, gotische Basilika
ohne Strebebögen, wie alte Abbildungen der
Stadt und ein Grundriß der alten Kirche von
ca. 1600 (im Archiv des Historischen Vereins
Neuburg) erkennen lassen. Die Seitenschiffe,
mit Pultdächern abgedeckt, schlossen nach
Osten geradlinig beim Beginn des Chorqua-
drates. An das südliche Seitenschiff lehnte
sich gegen Osten der einzige Turm an,
dessen Nordseite das Chorquadrat begrenzte.
Rundpfeiler teilten das Langhaus in fünf
Joche von queroblonger Form im Hauptschiff,
von achsenoblonger in den Seitenschiffen, da
die Seitenschiffe nicht ganz die halbe Breite
des Mittelschiffes erreichten. Das Chorqua-
drat hatte rein quadratischen Grundriß, die
Apsis schloß in drei Seiten des Achtecks. In
den Dimensionen stand die Kirche hinter
dem sie verdrängenden Neubau zurück, ihre
Länge betrug ungefähr 3/5, ihre Breite 2/s der
entsprechenden Maße der heutigen Kirche.
Ihrer Bestimmung nach war sie zugleich
Klosterkirche des alten, nördlich angebauten
Benediktinerinnenstiftes und Pfarrkirche der
Stadt unter dem Patrozinium U. L. F.
Im Jahre 1543 wurde infolge der Einfüh-
rung der Reformation in den pfalz-neuburgi-
schen Landen die Kirche den Protestanten
als Pfarrkirche zugesprochen, das Kloster zum
Aussterben gebracht.
Der Turm der Kirche, schon seit geraumer
Zeit baufällig, sollte 1599 durch einen Neu-
bau ersetzt werden. Weil im Fürstentum,
auch in dessen Haupt- und Residenzstadt
Neuburg, Werkmeister, die in bedeutenden
Bauten geübt wären, nicht vorhanden seien,
 
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