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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 2.1905/​1906

DOI Artikel:
Fäh, Adolf: Kunsthistorische Wanderungen durch Katalonien
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https://doi.org/10.11588/diglit.53157#0099

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ANSICHT VON PÖBLET
Nr. i


KUNSTHISTORISCHE WANDERUNGEN DURCH KATALONIEN
Von Dr. AD. FÄH
VI. Pöblet

Der Name Pöblet ist diesseits der Pyrenäen
wenig bekannt. Die »Monumentos arqui-
tectonicos« nennen ihn nicht. Junghändels
»Baukunst Spaniens« schenkt den arabischen
Denkmälern so eingehende Aufmerksamkeit,
daß sie für diese Klosteranlage keinen Raum
mehr zur Verfügung stellen konnte. Selbst
als der jugendliche Herrscher Spaniens im
Frühjahr 1904 unter dem Jubel des Volkes
Katalonien besuchte, fand diese Stätte in
seinem Reiseprogramm keine Berücksichti-
gung.
Ganz anders sind die Verhältnisse für den
seine stillen, genußreichen Pfade verfolgenden
Kunstfreund. Allenthalben grüßen ihn intime
Wegweiser mit freundlicher Einladung. Schon
in den Privatbibliotheken Barcelonas wird das
Interesse geweckt. Prächtige Handschriften,
bedeutungsvoller in ihrer Ausführung als durch
ihr Alter, erinnern an ihre Geburtsstätte in
der Miniatorenschule dieses Klosters. Auf
dem Wege nach Tarragona begegnen wir
in Villanueva y Geltrü dem nach seinem ver-
dienstvollen Gründer genannten Museo Bala-
guer. Die Hauptschätze der Handschriften
dieser Bibliothek stammen wieder aus Pöblet.
In Tarragona selbst erheben sich die Hin-
weise in beinahe unheimlicher Fülle. Die
mittelalterliche Sammlung des Museo provin-
cial ist in ihren wertvollen Stücken ein be-
redter Zeuge der Kunsttätigkeit von Pöblet.
Das Grabmal des Königs Jakob I. in der Kathe-

drale ist uns bereits bekannt. Mit Bangen
für Pöblet erfüllt uns die Kunde, daß es mit
Benützung der zerstörten Reste des Sarko-
phages im dortigen Kloster hier wieder er-
stellt wurde.
Wir eilen auf dem Wege nach Lerida
das schöne Tal hinauf. Der Fluß Francoli
wird von freundlichen Höhenzügen begrenzt.
Sie erheben sich zu Bergen, denen des Nord-
länders Auge noch der Wälder Schmuck gön-
nen möchte. Die Dörfer und Städtchen zeigen
den südlichen Charakter eng sich aneinander
schmiegender Häuser, die sich gegenseitig
Schatten spenden und nur schmalen Gassen
Raum gewähren. Der Typus eines solchen
ist Espluga de Francoli, das malerisch an den
Ufern aufsteigende Nestchen, von dem aus
wir uns nach dem wenige Kilometer entfern-
ten Pöblet begeben.
Schon von ferne erblicken wir die weite
klösterliche Anlage. In stiller Einsamkeit
grüßt sie uns wie eine müde Fürstin, die
sich von der Welt scheu zurückgezogen hat.
Auf halbem Wege sendet das Kloster seinen
ersten Gruß, ein Kruzifix auf hohem Piede-
stale, der Kruzifixus fehlt, es scheint, daß
keine sorgliche Hand sich hier regen will.
Diese Vermutung wird noch stärker, da bald
eine Gruppe von vier Figuren sich bemerk-
bar macht. Sie umgaben einst ein hochragen-
des Kreuz. Dieses ist verschwunden, wie
die Oberkörper der plastischen Werke. Nach

Die christliche Kunst. IT. 4. 1. Januar 1906.
 
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