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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 2.1905/​1906

DOI Artikel:
Fäh, Adolf: Kunsthistorische Wanderungen durch Katalonien
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https://doi.org/10.11588/diglit.53157#0045

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TARRAGONA

GESAMTANSICHT

KUNSTHISTORISCHE WANDERUNGEN DURCH KATALONIEN

Von Dr. AD. FÄH

IV. Tarragona

Die Fahrt von Barcelona nach unserm Reise-
ziele offenbart ihre intimen Reize. Die vom
Llobregat bewässerte Ebene breitet ihre frucht-
baren Kulturen über das Tiefland und die
Höhenzüge aus. Die blühende Industrie kün-
det sich allenthalben in den lachenden Gefilden
an, zwar ohne Poesie, aber mit ihrem Segen
für das Land und dessen Bewohner. Die reiche
Vegetation verdrängen von Vallbona an des
Meeres trotzige Felsbuchten, welche die Bahn
kühn durchschneidet. Das dichte Gestrüpp der
Zwergpalme findet im Gestein und auf den aus-
getrockneten Hügeln noch sein Fortkommen,
für des Nordländers Auge eine anziehende
Schau. Was in seiner Heimat nur in sorgfälti-
ger Pflege gedeiht, dient hier als Brennmaterial.
Bald wird die Aufmerksamkeit des Archäo-
logen geweckt. Nach San Vincente de Calders
erscheint der Bahnlinie nahe ein römischer
Triumphbogen, ein dürftig Werk, keineswegs
gut erhalten, aber in seiner Silhouette reizend
in die Landschaft komponiert. Wieder eilt der
Blick einem Zeugen der römischen Architektur
entgegen. Ein quadratischer Bau steigt in zwei-
facher Verjüngung empor. Wie wir uns bei
einem späteren Besuch daselbst überzeugten,
lassen sich noch zwei Figuren Gefangener auf
Postamenten erkennen. Die Inschrift ist nicht
mehr lesbar (Abb. S. 30). Das Grabmal der
Scipionen wird dieser Überrest genannt. Die
Richtigkeit der Bezeichnung zu kontrollieren
wird nicht leicht sein, auch eine Zeitbestimmung

lassen stilistische Merkmale kaum zu. Für den
Fremden bilden diese beiden Denkmäler weihe-
volle Fingerzeige, daß er sich einer ehrwürdigen
Stätte nähert.
Das eigenartigeBild Tarragonas enthüllt sich.
Vom Meeresstrande bis auf den felsigen, steil
abfallenden Hügel dehnen sich die Häuser aus,
ein lapidares Epos der Weltgeschichte, das
keineswegs einer reichen Dichterphantasie ent-
sprungen, vielmehr in imposanten Werken und
deutlichen Spuren mächtig rauscht und leis ver-
klingt (Abb. oben).
Ein Rundgang um den höchstgelegenen, älte-
sten Teil der Stadt zeigt die Fundamente der
Umfassungsmauern, die aus mächtigen Mono-
lithen von bis zu 4 m Länge bestehen. Die
Tore mit ihrem wuchtigen Sturzblock er-
innern an das sogenannte kleine Tor von
Mykene (Abb. S. 30). Dieses kyklopische Mauer-
werk weist in seiner Entstehung auf die ibe-
rische Urbevölkerung zurück. Die Römer be-
nützten unter den Scipionen das bereits Ge-
schaffene, um Tärraco zur starken Felsenfeste
auszubauen. Kaiser Augustus, der hier 26 vor
Christus überwinterte, vollendete das Werk, be-
reicherte die von den römischen Dichtern be-
sungene Stadt mit Prachtbauten, so daß sie der
ganzen Provinz ihren Namen verlieh : Hispania
Tarraconensis.
Die christliche Epoche legt den Purpur des
Martyriums schon im 3. Jahrhundert um den
Bischofsthron dieser Stadt. Die Westgoten und

Die christliche Kunst. II. 2. 1. November 1905.

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