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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 2.1905/​1906

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Wolter, Franz: Kunstverein München
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https://doi.org/10.11588/diglit.53157#0172

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©W KUNSTVEREIN MÜNCHEN

KUNSTVEREIN MÜNCHEN
Trotz allen Anfeindungen, welche die Kunst unseres
großen Böcklin auch noch nach seinem Tode er-
dulden mußte, bricht sich die Erkenntnis allgemach
Bahn, daß der Baseler Meister immerhin eine große
künstlerische Persönlichkeit war. Es wird ja stets un-
möglich bleiben, das Wesen dieses Malerdichters und
den Ausfluß seines künstlerischen Schaffens in feste
Regeln zu bannen, doch ist seine Welt, seine Anschau-
ung von Natur und Kunst erklärbar und in der logi-
schen Entwicklung für unsere Zeit verständlich. Natür-
lich muß hier das gesamte Lebenswerk des Meisters
in Betracht kommen und dürfen Werke, wie sie vor
kurzem im Kunstverein zu sehen waren, die mehr den
absterbenden oder schon abgestorbenen Böcklin ver-
muten ließen, nur als Nebenwerke gelten. »Der rasende
Roland« schien ein unfertiges Bild aus der allerletzten
Zeit des Künstlers zu sein, das, wie gleichfalls »Die
Jagd der Diana« interessant ob der technischen Be-
handlungsweise war. Die. leicht mit Temperafarben
angelegten Kompositionen hatten selbst in ihrer Un-
fertigkeit einen eigenartig prickelnden Reiz, der noch
bedeutend in dem kleinen Bilde »Hoffnung« gesteigert
war. Hier hatte Böcklin offenbar die antike Malerei
im Sinne, die er bekanntlich hoch verehrte. Prächtig
hebt sich die in grünen durchsichtigen Schleiern ge-
kleidete Frauengestalt von dem tiefdunklen Grunde ab
und das sparsam angewandte Gold verleiht dem
schwebenden Genius eine überirdische, feierliche Weihe.
Diese Klänge wieder in die religiöse Kunst unserer
Zeit hineinzutragen, versuchte mit dem Zyklus »Aus
dem Leben des hl. Franziskus« Fritz Kunz. Schon
früher, jbei Gelegenheit einer Konkurrenzarbeit, fielen

die farbigen, dekorativen, von mystischen Empfindungen
getragenen Entwürfe, die auch diesem Zyklus beigefügt
sind, günstig auf und die neueren Arbeiten zeigen, wie
rüstig dieser hochbegabte Künstler weiterschreitet. Der
Maler versteht es, im Mitmenschen gleichklingende Ak-
korde auszulösen. Am innigsten und ergreifendsten ist dies
in der Beweinung des toten Heiligen zum Ausdruck
gekommen, der, im Sarge gebettet, von klagenden
Ordensschwestern betrauert wird. Fritz Kunz ist ein
seelenvoller Beobachter und, was mehr bedeutet, ein
Psychologe, wenn man eingehender auch die weiteren
Bilder »Der hl. Franziskus den Vögeln predigend« oder
den Heiligen als Wundertäter betrachtet. Solche Art
Kunst steht infolge ihrer Schlichtheit und Einfachheit,
Innigkeit und Sinnigkeit turmhoch über dem alltäg-
lichen Gewoge der netten Bilder und Bildchen, die
selbst für die Kinderstuben zu schlecht sind. Schon
längst drängt unser ganzes modernes Geistesleben in
der Kunst wieder hin zu einer innerlichen Erkenntnis,
es hat den Materialismus grundsatt. Eine große Sehn-
sucht nach einer Erhebung der Seelen lebt überall,
und trotz aller Erfolge der Wissenschaft ist das Christen-
tum heute wie immer das einzige, was den Materialis-
mus sieghaft zurückdrängt. Daß unsere Zeit hie und
da solche ideale Ansätze zeigt und diese sich gerade
in den biblischen Stoffen offenbaren, darf als ein Be-
weis angesehen werden, daß das Christentum die
Kunst, wie das ganze Geistesleben segensvoll beein-
flußt. August Kühles steht als Schilderet' jener
altertümlichen Winkel, Straßen und Plätze mittelalter-
licher Städte ziemlich allein da. Die ganze Art seiner Auf-
fassung und Malerei, die etwas herb Stilistisches hat, ist dem
Charakter seiner Motive glücklich angepaßt. So haben
unsere Vorväter in Rothenburg, in Alt-Nürnberg und den
noch, Gott sei Dank, vielen kleinen wohlerhal-
tenen Städtchen unseres Vaterlandes ihre Häuser
gebaut, so auch in ihrem Bürger- und Bieder-
sinn ein behagliches Dasein geführt, wie es hier
Kühles in seinen Bildern wieder aufleben läßt.
Führt uns dieser Künstler in vergangene Epochen
zurück, so läßt uns Hans v. Bartels einen
Blick in die Wohnungen der heutigen holländi-
schen Fischer und Schiffersleute werfen. H. v.
Bartels ist schon längst als einer unserer ge-
schätztesten Aquarellisten bekannt und auch schon
mehrfach in dieser Zeitschrift als bedeutende Per-
sönlichkeit charakterisiert worden, so daß man
nicht neuerdings auf den künstlerischen Wert
dieser Arbeiten hinweisen muß. Überraschend war
wieder die große Fülle der Studienarbeiten, die
beweisen, wie der Künstler in seinem engbe-
grenzten Gebiete neue Schönheiten zu entdecken
weiß. Nach der intimeren Durchbildung hin,
ohne den Reiz des Unmittelbaren, frisch Ge-
sehenen zu verwischen, hat der Meister Fort-
schritte gemacht und entzückte insbesondere das
strickende Mädchen mit ihrem sympathisch fri-
schen Gesichtchen inmitten der Düne, ebenso die
alte Bäuerin am Kaminfeuer. Aus den Tiroler
Bergen brachte Matth. Schmid einige seiner
besten alten Studien, seine Tochter R. Schmid-
Göringer ihr lebensgroßes Selbstbildnis, das fleis-
siges und hingebungsvolles Studium der Körper-
formen erkennen ließ. Einige flottgemalte Studien-
köpfe steuerte Schwager bei, ebenso C. Gus-
sow. — Frau Alice Trübner gab in ihren
neuen Arbeiten den endgültigen unfreiwilligen
Aufschluß über ihren Mangel an Eigenart, da-
gegen war die Fähigkeit, oberflächliche Imitationen
der Werke ihres Gatten Wilhelm Trübner ver-


LEO SAMBERGER ANDRE GERMAIN
Abb. 30, Kohlenzeichnung v. J. 1905

fertigen zu können, nicht abzusprechen. Wer nur
halbwegs mit der Technik der Malerei vertraut
 
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