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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 2.1905/​1906

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Schmitt, Franz Jakob: Albrecht von Felsburg ✝
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Hoeber, Fritz: Die historische Baukunst auf der Lütticher Weltausstellung 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.53157#0142

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118

DIE HISTORISCHE BAUKUNST IN LÜTTICH, AUSSTELLUNG 1905

Raffeiner von Schwaz, Heinrich Kluibenschedl
von Rietz, Schnitzler, Mennel und Anton
Dürrmüller aus Sankt Gallen heranzubilden;
durch diese Künstler ist dafür Sorge getragen,
daß des Meisters Lehren, seine religiöse Emp-
findung, Innerlichkeit und Tiefe dem gläubi-
gen Volke des Landes Tirol erhalten bleiben,
auch fort und fort gepflegt werden.


LÜTTICH, GROSSER PLATZ,
HAUS LUDWIG XIII.

DIE HISTORISCHE BAUKUNST
AUF DER
LÜTTICHER WELTAUSSTELLUNG 1905

immer, wenn ich durch die Riesenausstellungen der
I letzten Jahre wandere, drängt sich mir ein Vergleich
dieser großartigen Arbeitskonzentrationen unseres so
fleißigen Zeitalters mit ähnlichen tüchtigen Festen ver-
gangener Tage der Herrlichkeit eines ähnlich machtvoll
unabhängigen Bürgertums auf: mit den großen
Messen der deutschen Städteblüte des 15.und
16. Jahrhunderts. Wie dort kommt hier Groß- und
Kleinhandwerk zu gegenseitiger Belehrung über die in
der Zwischenzeit der großen Weltjahrmärkte künstlerisch
und technisch gemachten Errungenschaften zusammen,
wie dort kann man hier den findigen Kaufmann, den
Vermittler entferntester Kulturzonen, antreffen, und wie
dort gedeihen unter solch realem Schutze die idealen
Güter. Gelehrte suchen in fachmännischen Zu-
sammenkünften sich über wissenschaftliche Fragen zu
einigen, und jeder Han-
dels- und Gewerbeaus-
stellung pflegt man heute
wie damals eine Kunst-
abteilung anzuschließen
— nur, daß damals Al-
brecht Dürers wunder-
bare Blätter in armseligen
Holzbuden feilgeboten
wurden, während heut-
zutage prachtvolle Säle
auch minderen Werken
eine reiche Folie geben.
Daß das heutige Bürger-
tum, das der Kunst und
Wissenschaft nicht ver-
ständnislos gegenüber-
steht, sich den praktischen
Aufgaben der Jetztzeit

LÜTTICH, RUE VINAVE ET
MAISON BATHA DE HUY


zuwendet, wer wollte das tadeln?! Daß sich also auch
danach das Hauptbild der Lütticher Welt- und Industrie-
ausstellung ausgestaltet, muß sich verstehen! Und
dennoch hat gerade die heutige Lütticher Industrie allen
Grund, auf ihre Vorfahren stolz zu sein.. Schon im
ausgehenden Mittelalter hieß es von den Lütticher Hoch-
öfen und ihrer Ware, daß ihr Eisen härter sei als
Stahl, ihr Feuer heißer als die Hölle! Der Schutz- und
Trutzwaffehfabrikation, den Kohlenbergwerken Lüttichs
zollte damals schon der ganze westeuropäische Kom
tinent einschließlich der britischen Inseln die verdiente
Anerkennung. Den Stolz auf diese werktüchtigen Ahnen
hat auch gar mancher Industriezweig zum Ausdruck
gebracht: sehr häufig wird in größeren oder kleineren
Modellen der einstige Betrieb zum Vergleich mit dem
heutigen gezeigt. Hier können wir sehen, wie ver-
gangene Jahrhunderte gearbeitet haben. Die
Physiognomie, die solche Arbeit ihrer Umgebung, der
Fabrikstadt, auch damals aufgeprägt hat, zeigt uns sehr
schön die Ausstellungssektion Alt-Lüttich!
Wenn man vom Hauptpalaste, der die fremden Aus-
stellungen, Deutschland und Frankreich neben einheimi-
scherMaschinen- und Manufakturproduktion birgt, sich über
den Pont Fragnee nach links wendet, kommt man nach
Alt-Lüttich. Es ist das ein ringförmig errichteter Ge-
bäudekomplex mit einem Kern in der Mitte: der in der
großen Revolution zerstörten Kathedrale St. Lambert.
Dieses rekonstruierte Bild beschränkt sich nicht nur auf
eine Schaustellung der eigentümlichen alten Bauart
Lüttichs, sondern greift auch mit hervorragenden Mo-
numenten auf die Umgebung, auf die mit der mächtigen
Kommune verbündeten kleinen Landstädte: die »b onnes
vilies« Huy, Vise u.s.f. über. Wie dieser lothringische
Landesteil kulturell und historisch immer eine Zwischen-
stellung zwischen Nord und Süd eingenommen hat, so auch
künstlerisch; ja, auch die Bauweise, die sich doch
wie die Mundart streng volkstümlich differenziert, spiegelt
diese ethnographische Zwitterstellung aufs genaueste und
merkwürdigste wieder!
Der Fachwerkbau als von Natur populärster archi-
tektonischer Ausdruck ist der niederdeutsche ent-
schiedene Ständerbau mit einfachen Schwellen,
obwohl er weder das in Ho Hand beliebte Zwischen-
geschoß noch die durch ganz Norddeutschland
verbreitete Diele (»Dähle«) besitzt; er hat nur ganz
wenige Achsen Front, wie’s ja auch die niederländischen
städtischen Häuser zeigen, und den von diesen ent-
lehnten schmalen tiefen Grundriß; im Gegensätze hierzu
kehrt das Dach, ähnlich wie in der Gegend nördlich
des Harzes, Braunschweig, Goslar, Hannover, Halber-
stadt und Quedlin-
burg der Straße
meist die Traufe
nicht den Gie-
bel zu; die sehr
länglichen Fenster
sind wieder nach
holländischer
Art durch mächti-
ge S t e i 11 k r e u z e
vielmals geteilt,
häufig zu mehre-
ren aneinanderge-
rückt oder doch
zum wenigsten ge-
kuppelt. Sie bilden
die Hauptbele-
bung der Fassade,
die in ihrer nur
ganz selten und
dann nur im ersten
Obergeschosse

LÜTTICH, AUF DEN WÄLLEN,
REKONSTRUKTION ALTER LÜTTICHER
HÄUSER
 
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