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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 2.1905/​1906

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Fäh, Adolf: Kunsthistorische Wanderungen durch Katalonien
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https://doi.org/10.11588/diglit.53157#0125

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KUNSTHISTORISCHE WANDERUNGEN DURCH KATALONIEN

Von Dr. AD. FÄH
VII. Lerida


ANSICHT VON LERIDA
Nr. i

Tarragona und Lerida regen zur Vergleichung
an. Die Lage beider Städte an aufsteigen-
den Hügeln, die sie beleben und mit stolzen
Bauten krönen, ist äußerst ähnlich, wenn
auch dort die architektonischen Linien sich
im blauen Meere spiegelnd brechen, während
hier der ziemlich breite Fluß Serge dem
Bilde Leben, Bewegung, selbst eine gewisse
Frische verleiht. Auch historische Parallelen
dürften sich zwanglos aufstellen lassen.
Der Weg von Pöblet nach Lerida war an-
ziehend, wechselreich. Bis über 1000 m steigt
die Bahn empor. Durch hügeliges Land eilt
man der fruchtbaren Provinz entgegen. Die
prächtigen Kulturen künden allenthalben den
Segen einer in Spanien seltenen Wasserfülle.
Die Bedeutung der Stadt kennzeichnet ihre
Lage. Sie beherrscht den Eingang der weiten
aragonischen Ebene, bewacht die Mündungen
der östlichen Pyrenäentäler und die Pässe
der Küstengebirge. Die strategische Wichtig-
keit dieses Punktes wurde stets geschätzt.
Heute noch spielt er als Waffenplatz eine
Rolle.
Die iberische Urbevölkerung dokumentiert
ihr einstiges Dasein nicht in zyklopischen
Mauern wie in Tarragona, nur in spärlichen

Münzfunden, die das Interesse des
Archäologen erwecken. Die römi-
schen Geschichtsquellen kennen
die Stadt unter dem Namen Herda.
Cäsar eroberte sie und schlug hier
die Legaten des Pompejus. Auch
die Epoche der Westgoten hat
keine Spuren zurückgelassen.
Hingegen hat die kurz dauernde
Herrschaft der Mauren sich künst-
lerisch glücklich verewigt. Wenn
auch Ludwig der Fromme schon
799 die Araber wieder verdrängte,
deutlich markiert sich ihr Aufent-
halt bis in die Gegenwart. Mit
dem 12. Jahrhundert inauguriert
sich die Blütenperiode. Raimund Be-
rengar IV. erhob 1144 Lerida zur königlichen
Residenz, der Bischofsstuhl wurde wieder hier-
her verlegt. In glänzenden Synoden und Pro-
vinzialkonzilien erneuerte sich das kirchliche
und politische Leben. Man ersieht aus den
Beschlüssen, daß der afrikanische Erbfeind
an den Grenzen drohend lauerte. Jakob II.
gründete 1300 eine Universität, die erst 1717
nachCervera verlegt wurde. Das 17.und 18. Jahr-
hundert kennzeichnen die Belagerungen und
Erstürmungen der Franzosen, die 1810 zum
letzten Male siegreich in die einstige Königs-
stadt einzogen. Heute treffen wir die Provinz-
hauptstadt, die etwas über 24000 Einwohner
zählt, mit ihrem Bischofssitze und einem
Lyzeum.
Die Vergangenheit mit ihren glorreichen
Kunstschöpfungen und das strategische Uti-
litätsprinzip der Gegenwart begegnen sich
gegenwärtig in einem sonderbaren Konflikte.
Ein Glück, daß wir Santas Creus und Pöblet
kennen, denn der Anblick dieser Ruinen läßt
uns hier den düstern Mars als ernsten Be-
schützer der Kunstwerke begrüßen. Er hat
sich mit diesen fast allzu liebevoll verbunden.
Sehnsuchtsvoll eilen wir unserm Hauptziele,
der alten Kathedrale, entgegen. Zum Be-

Die christliche Kunst. II. 5. 1. Februar 1906.

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