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BERLINER KUNSTBRIEF ^3
Künstler brachte keine Beweglichkeit,
kein frisch pulsierendes Leben in sein
Bild. Die besten Bildnisse der Italiener
sind die Damen in Schwarz von Man-
cini und Grosso. Beide Maler haben
viel von französischer Kunst übernom-
men und sind auch Einflüsse Munkäcsys
bemerkbar. Ganz auffallend ist dieser
Einfluß bei Grosso, dessen Werk »Die
heilige Familie« in Komposition und
Technik an den franco-ungarischen
Maler erinnert. (Schluß folgt)
BERLINER KUNSTBRIEF
Von Dr. H. SCHMIDKUNZ (Berlin-Halensee)
Herbst 1905
Die Berliner Kunstsalons machen uns in einer
kaum zu bewältigenden Fülle bekannt so-
wohl mit dem stets neu zuwachsenden jungen
Künstlervolke, als auch mit Älteren, an die
man sich gern erinnern läßt. Der Salon Schulte
hält sich bisher vorwiegend an das Ältere, will
jedoch in der nächsten Zeit noch mehr beidem
gerecht werden. Aus den mehreren Serien,
die dort seit unserem letzten Kunstbriefe zu
sehen waren, verdient eine Voranstellung der
vor kurzem verstorbene, zuletzt in Scheveningen
lebende Niederländer Christoffle Bisschop,
geboren 1828, bekannt durch Genrebilder mit
kräftigen Farbenharmonien und intimer Beobach-
tung momentaner Lichtwirkungen. Ein gutes
Interieur »Am Spiegel« war diesmal zu sehen.
Unter den sonstigen Älteren sind manche, die
wir in unserem Berichte über die gegenwärtige
Landschaftsausstellung behandeln, wie Steffan
und Munthe, Schuch (mit besonders wert-
vollen Stilleben) und Sperl. Außerdem werden
wir erinnert an den Gründer einer Malerakade-
mie in Cleve, B. C. Koekkoek (1803—1862);
er ist hier mit einem »Winters Ende« vertre-
PAUL PECKERT PORTRÄT DER KAISERIN AUGUSTA VIKTORIA
und der in München lebende Hieron. Cairati
hat durch seinen Aufenthalt in Bayern ein
gut Teil deutscher Eigenart angenommen.
Obgleich seine Motive aus dem Süden stammen,
sind sie ernster und von tieferem Gehalt und
nehmen schon allein deshalb für sich ein.
Eine flotte und frische Arbeit ist die Gebirgs-
landschaft mit Hirten im Frühling von Del-
leani; Giuseppe Ciardi zaubert sogar ein
ganzes Blütenmeer hervor, in duftigen Glanz
getaucht. Von Guglielmo Ciardi fesseln
die silbrig schimmernden Lagunen von Vene-
dig. Von größeren Marinebildern sind noch
zu nennen: Cavaleri »Untergehende Sonne
am Meer«, Fragiacomos grünlich gehaltene
See und Cavaleris »Marine«. Ein Reigen
junger Mädchen »Lenz« von Simi ist fleißig
gezeichnet und eine ehrliche Arbeit, aber der
ten. Von Lebenden sehen wir wieder die har-
monischen Buntheiten der Bilder F. Pradillas
und die lieblichen Biedermeiereien A. Henge-
lers; dazu Landschaften von anderen gut Be-
kannten, wie eine heitere Figurenlandschaft von J. Scheu-
renberg und eine Herbstlandschaft von G. v. Canal.
Diesen Älteren gegenüber stehen einige noch weniger
Bekannte. Mit italienischen Landschaften sind G. D ö r i n g
und besonders L. Steiner vertreten. Eine Mischung
älterer Weise mit modernem Pleinair findet sich in einer
Landschaft von A. Flamm »Bei Ariccia«. Sonnige
Blicke in die Mark malt A. Loges; Interesse für Stu-
dien von Bäumen, von Abhängen und dergl. zeigen die
schlichten Landschaften von W. Koch. Die Wieder-
gabe des Schnees ist von einem hier bereits bekannten
Vertreter des »jungen Schwedens», von G. A. Fjae-
stad anziehend bewältigt. Sein »Wintermorgen« hat
allerdings moderne Flachheit, ist aber bemerkenswert
als ein Experiment mit Weiß und Grünlich. Ein Seiten-
stück dazu, in Weiß und Blau, ist der »Neuschnee«
von E. Liebermann (Münchener Arbeit von 1905).
Bei Schulte lernen wir weiterhin städtische Archi-
tekturbilder kennen von J. Terris, dessen Bilder von
Häusern am Wasser durch ihre rötliche und weiche
Färbung auffallen, sowie ein Marktbild von C. v. Me-
rode, dessen dicke Luft sich in einer beachtenswerten
BERLINER KUNSTBRIEF ^3
Künstler brachte keine Beweglichkeit,
kein frisch pulsierendes Leben in sein
Bild. Die besten Bildnisse der Italiener
sind die Damen in Schwarz von Man-
cini und Grosso. Beide Maler haben
viel von französischer Kunst übernom-
men und sind auch Einflüsse Munkäcsys
bemerkbar. Ganz auffallend ist dieser
Einfluß bei Grosso, dessen Werk »Die
heilige Familie« in Komposition und
Technik an den franco-ungarischen
Maler erinnert. (Schluß folgt)
BERLINER KUNSTBRIEF
Von Dr. H. SCHMIDKUNZ (Berlin-Halensee)
Herbst 1905
Die Berliner Kunstsalons machen uns in einer
kaum zu bewältigenden Fülle bekannt so-
wohl mit dem stets neu zuwachsenden jungen
Künstlervolke, als auch mit Älteren, an die
man sich gern erinnern läßt. Der Salon Schulte
hält sich bisher vorwiegend an das Ältere, will
jedoch in der nächsten Zeit noch mehr beidem
gerecht werden. Aus den mehreren Serien,
die dort seit unserem letzten Kunstbriefe zu
sehen waren, verdient eine Voranstellung der
vor kurzem verstorbene, zuletzt in Scheveningen
lebende Niederländer Christoffle Bisschop,
geboren 1828, bekannt durch Genrebilder mit
kräftigen Farbenharmonien und intimer Beobach-
tung momentaner Lichtwirkungen. Ein gutes
Interieur »Am Spiegel« war diesmal zu sehen.
Unter den sonstigen Älteren sind manche, die
wir in unserem Berichte über die gegenwärtige
Landschaftsausstellung behandeln, wie Steffan
und Munthe, Schuch (mit besonders wert-
vollen Stilleben) und Sperl. Außerdem werden
wir erinnert an den Gründer einer Malerakade-
mie in Cleve, B. C. Koekkoek (1803—1862);
er ist hier mit einem »Winters Ende« vertre-
PAUL PECKERT PORTRÄT DER KAISERIN AUGUSTA VIKTORIA
und der in München lebende Hieron. Cairati
hat durch seinen Aufenthalt in Bayern ein
gut Teil deutscher Eigenart angenommen.
Obgleich seine Motive aus dem Süden stammen,
sind sie ernster und von tieferem Gehalt und
nehmen schon allein deshalb für sich ein.
Eine flotte und frische Arbeit ist die Gebirgs-
landschaft mit Hirten im Frühling von Del-
leani; Giuseppe Ciardi zaubert sogar ein
ganzes Blütenmeer hervor, in duftigen Glanz
getaucht. Von Guglielmo Ciardi fesseln
die silbrig schimmernden Lagunen von Vene-
dig. Von größeren Marinebildern sind noch
zu nennen: Cavaleri »Untergehende Sonne
am Meer«, Fragiacomos grünlich gehaltene
See und Cavaleris »Marine«. Ein Reigen
junger Mädchen »Lenz« von Simi ist fleißig
gezeichnet und eine ehrliche Arbeit, aber der
ten. Von Lebenden sehen wir wieder die har-
monischen Buntheiten der Bilder F. Pradillas
und die lieblichen Biedermeiereien A. Henge-
lers; dazu Landschaften von anderen gut Be-
kannten, wie eine heitere Figurenlandschaft von J. Scheu-
renberg und eine Herbstlandschaft von G. v. Canal.
Diesen Älteren gegenüber stehen einige noch weniger
Bekannte. Mit italienischen Landschaften sind G. D ö r i n g
und besonders L. Steiner vertreten. Eine Mischung
älterer Weise mit modernem Pleinair findet sich in einer
Landschaft von A. Flamm »Bei Ariccia«. Sonnige
Blicke in die Mark malt A. Loges; Interesse für Stu-
dien von Bäumen, von Abhängen und dergl. zeigen die
schlichten Landschaften von W. Koch. Die Wieder-
gabe des Schnees ist von einem hier bereits bekannten
Vertreter des »jungen Schwedens», von G. A. Fjae-
stad anziehend bewältigt. Sein »Wintermorgen« hat
allerdings moderne Flachheit, ist aber bemerkenswert
als ein Experiment mit Weiß und Grünlich. Ein Seiten-
stück dazu, in Weiß und Blau, ist der »Neuschnee«
von E. Liebermann (Münchener Arbeit von 1905).
Bei Schulte lernen wir weiterhin städtische Archi-
tekturbilder kennen von J. Terris, dessen Bilder von
Häusern am Wasser durch ihre rötliche und weiche
Färbung auffallen, sowie ein Marktbild von C. v. Me-
rode, dessen dicke Luft sich in einer beachtenswerten