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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 2.1905/​1906

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Hoeber, Fritz: Die historische Baukunst auf der Lütticher Weltausstellung 1905
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Schmidkunz, Hans: Grosse Berliner Kunstausstellung 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.53157#0144

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120

GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1905 ^3

manische Archi-
tekturformen« an-
treffen. Von der 1379
von Philipp dem
Kühnen gegründeten
prachtvollen Kartau-
se von Champmol
zu Dijon gehen Ein-
flüsse nordwärts; diese
burgundisch-flan-
drische spätgoti-
sche Renaissance,
die schon unter Karl V.
von Frankreich, ge-
nannt »le Sage« (1364
bis 1380), erst unter
starken Beziehungen
LU11 ICH, MARKTPLAIZ zu itayen beginnend,
sich bald selbständig
macht, strebt nicht
nach einer un architektonisch en Zergliederung
durch das alles überwuchernde Schmuckwerk wie in
Deutschland, sondern zeitigt breite und feste Architek-
turteile, wie sie einst das 12. und 13. Jahrhundert besaß.
Eine Säule des zweiten Arkadenhofes des Lütticher Palastes
besteht aus Basis, Säulenleib mit irgend welchen phantasti-
schen Kanneluren in Spiralen oder Zickzacken und dem
Kapitell mit den äußerlich-antikischen Zieraten
von Voluten, Akanthus, Kyma u. s. f. dicht und voll be-
deckt. Diese breite Art burgundischer Baukunst tritt
uns selbst noch an der Kirche Saint-Jacques, die um 1500
umgebaut wurde, entgegen. Die kolossal breiten Seiten-
schiffenster haben ein sehr weitmaschiges Flamboyant-
maßwerk. Das Hotel de Ville von Huy aus un-
gefähr gleicher Zeit gibt die nächste Entwicklungsstufe;
es ist der Typ des brabantischen Rathauses mit seinem
niederländischen Fialenstaffelgiebel, den je fünf von be-
quemen Korbbögen überspannten Doppelfenstern mit
starkem Steinstabwerke der beiden Stockwerke und der
eleganten Doppelfreitreppe mit dem Verkündigungs-
podeste des Rates in der Mitte. Das Maison Wiertz
des Lütticher Vorstädtchens Privegnee3) zeigt schon
den antikischen Einfluß in voller Blüte, ein zwei-
stöckiges Haus mit enggestellten Kreuzstockfenstern in


LÜTTICH, GROSSER PLATZ, HOTEL DE VILLE
DE HUY


den beiden Geschossen der Traufseite; das Konsolen-
schlußgesims umzieht gleichmäßig den acht-
eckigen, vierstöckigen Eck türm mit seinem Helme in

3) S. o. Abbildung 6.

der Form eines gebrochenen Zeltdaches wie das Haus,
auf dessen seitlicher Giebelspitze der Schlot aufsitzt.
Der zierliche Triglyphenfries mit seinen Rindsschädel-
geschmückten Metopen leitet die Italienisierung der
niederländischen Kunst ein, die eine so unerfreu-
liche internationale Nivellierung später be-
wirken sollte!
Man sieht, daß »Alt-Lüttich« ein kleines Kom-
pendium niederländischer Bauges chi ch te aus-
macht! Daß es aber nicht nur dem Historiker, son-
dern auch dem tüchtigen Baumeister etwas zu sagen
hat, ersieht der Wanderer, der durch Neu-Lüttich
schweift. Die belgischen Architekten haben ihren Alt-
vordern aufs trefflichste abgesehen, schmale Fronten
in geschlossener Häuserreihe zu komponieren!
Und auch für unsere Deutschen sind solche
Vorbilder sehr nützlich! »Was du ererbt von
deinen Vätern hast....!« — Fritz Hoeber
GROSSE
BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1905
Von Dr. H. SCHMIDKUNZ (Berlin-Halensee)
(Schluß)
Uber einen Teil dessen, was die umfangreiche Aus-
stellung im Palast am Lehrter Bahnhofe bot, über
Malerei und Plastik haben wir bereits berichtet.
Die Ausstellung graphischer Arbeiten zerfiel in zwei
Hauptgruppen, die »Deutsche Schwarz-Weiß-Ausstel-
lung« von der »Freien Vereinigung der Graphiker«,
Berlin, und die Kollektion »Verband Deutscher Illustra-
toren«; jene vorwiegend Vervielfältigungen, diese vor-
wiegend Zeichnungen enthaltend. Die erstere war großen-
teils in Einzelgruppen gegliedert. Vier Vereine mar-
schierten auf: »Verein für Original-Radierung Berlin«,
»Verein für Original-Radierung München«, »Künstlerbund
Karlsruhe«, und »Radierverein Weimar«. Es ist nicht
leicht, diesen vier Gruppen je eine Charakteristik zuzu-
teilen. Wenn wir versuchen, zu sagen, daß der Ber-
liner Verein besonders durch die sogenannte technische
Seite hervorsticht, daß der Münchner es durch ein gegen-
ständliches Interesse tut, und daß der Karlsruher den
Gehalt seiner Gegenstände durch größere Formzüge
herauszuarbeiten sucht, so lassen sich gewiß Gegen-
instanzen gegen solche allgemeine Beurteilungen anführen;
und auch unsere Bevorzugung der Karlsruher, die in
jener Charakteristik liegt, ist nicht viel mehr als ein
Ungefähr.
Außer diesen Vereinsgruppen kamen noch persönliche
Gruppen. Drei von solchen waren Kollektionen aus
der Schule je eines Meisters; wir lernten die Gefolgschaft
von so bedeutenden Künstlern wie E. Bracht, H. Meyer,
W. Unger und damit eine Dresdener, eine Berliner,
eine Wiener Gruppierung kennen. Außerdem waren noch
rein persönliche Kollektionen da von den zwei Berlinern
K. K o e p p i n g und A. v. W e r n e r, ungerechnet den früher
erwähnten R. Alt, sowie von dem bedeutenden Wiener
F. Schmutzer, der jenen mehrmals in Radierung vor-
führte. Koepping zeigte sich wiederum als den kühl vor-
nehmen Virtuosen einer in gutem Sinne so zu nennenden
Zierkunst. Werner ließ durch Skizzen in die Entstehung
großer Gemälde hineinblicken; die offizielle Leerheit
seiner Gesichter verrät sich hier allerdings erst recht.
Bracht bot selber nur wenige Stücke, darunter eine
besonders beachtenswerte Zeichnung von Bäumen, in
welcher Richtung ihm u. a. sein, von uns früher hervor-
gehobener Schüler O. Altenkirch folgt. Außerdem
sei aus seiner Schule H. Hartig, wegen seiner Kiefern
an der Ostsee, genannt. M-eyer brachte von sich selber
mehrere Kupferstiche und Radierungen, darunter Charakter-
 
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