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5^ VERONESESTUDIEN
TARRAGONA KATHEDRALE
Hof des Kreuzgangs (Text S.33J
In der Tiefe sehen wir einen zweigeschossigen
Bau, der mit seinen n, bezw. 25 Bogen das
einsame Tal durchschneidet. Ein römischer,
wohl erhaltener Aquädukt von über 200 m
Länge und 23 m Höhe erhöht den malerischen
Reiz der Gegend. Des Volkes furchtsame Kind-
lichkeit nennt die Wasserleitung Teufelsbrücke
und umschlingt sie mit dem Epheu der aben-
teuerlichsten Sagen. Uns gegenüber dehnt
sich Tarragona aus. Die Häuserlinie krönt
über trotzigen kyklopischen Mauern stolz und
freundlich das große Heiligtum der Schutz-
herrin, der hl. Thekla.
Die antike Welt und die christliche Ära
reichen sich in einem ergreifenden Gesamt-
bilde friedlich die Hände. Den weiten Hinter-
grund bildet schweigend und bewundernd das
blaue Meer. In stummem Staunen eilt das Auge
über Menschenwerk und Meereswogen empor
zu dem, dessen Ohr hier einem feierlich großen
Dankeshymnus, einem weihevollen Abendge-
bete lauscht. (Fortsetzung folgt)
VERONESESTUDIEN
Von Dr. BERNHARD PATZAK (Graz)
I.
PAOLO VERONESES FRESKEN IN DER
VILLA »DA MULA« IN ROMANZIOL
(Schluß)
Zu jenen bereits erwähnten poesievollen Kom-
positionen, denen man im Veronesewerk
nicht eben oft begegnet, gehört in dem er-
wähnten Zimmer eine heilige Helena,
die eine vortreffliche Replik zu der »Vision
der heiligen Helena« in London darstellt.
Da das Villenfresko vor jenem Ölbild noch
einige künstlerische Feinheiten voraus hat,
so ist anzunehmen, daß es der Meister selbst
malte. Die schöne Königin ist in natürlicher
Größe, an einem hohen Fenster sitzend, dar-
gestellt, durch welches der blaue Himmel
hereinlacht und der Blick in eine anmutige,
landschaftliche Gebirgsferne schweift. Die
wie in einen Traum versunkene junge Schöne
(auf dem Londoner Bilde schlummert sie),
in deren Gestalt der Künstler sicher eine
venezianische Patrizierin verherrlichte, hat ihr
liebreizendes Blondhaupt auf den rechten Arm
gestützt. Mit der Linken, die lässig auf dem
Schoß ruht, rafft sie zierlich das in unzähligen,
feinen Fältchen fallende schimmernde Seiden-
kleid. Neben ihr auf dem Fensterbrett liegt
die goldene Königskrone. Hoch oben in
der blauen Luft erscheint ihr als Vision das
von entzückenden Engelsputten getragene
Holz der Erlösung, zu dessen Auffindung die
fromme Königin die weite, beschwerliche
Reise ins heilige Land nicht scheute.
Als Gegenstück zu diesem bewunderungs-
würdigen Fresko, das alle Reize paolesker
Kunst in sich vereint, aber leider schon zu
verblassen anfängt, schuf der Künstler auf
dem linken Wandfelde zwei jugendkräftige
Hirtengestalten, die gleichfalls aus einem
Fensterrahmen in eine Landschaft hinaus-
blicken. Der eine stützt sich mit dem linken
Ellbogen auf die Fensterbrüstung. Er hält
das eine Bein über das auf den Boden ge-
stemmte gekreuzt. Diese Gestalt ist in meister-
hafter Verkürzung gemalt. Der andere Jüng-
ling schaut in gerader Haltung ins Land hinaus.
Auf dem zwischen diesen beiden hohen
TARRAGONA KATHEDRALE
Säulenkapitdl des Kreuzgangs (Text S. 36)
5^ VERONESESTUDIEN
TARRAGONA KATHEDRALE
Hof des Kreuzgangs (Text S.33J
In der Tiefe sehen wir einen zweigeschossigen
Bau, der mit seinen n, bezw. 25 Bogen das
einsame Tal durchschneidet. Ein römischer,
wohl erhaltener Aquädukt von über 200 m
Länge und 23 m Höhe erhöht den malerischen
Reiz der Gegend. Des Volkes furchtsame Kind-
lichkeit nennt die Wasserleitung Teufelsbrücke
und umschlingt sie mit dem Epheu der aben-
teuerlichsten Sagen. Uns gegenüber dehnt
sich Tarragona aus. Die Häuserlinie krönt
über trotzigen kyklopischen Mauern stolz und
freundlich das große Heiligtum der Schutz-
herrin, der hl. Thekla.
Die antike Welt und die christliche Ära
reichen sich in einem ergreifenden Gesamt-
bilde friedlich die Hände. Den weiten Hinter-
grund bildet schweigend und bewundernd das
blaue Meer. In stummem Staunen eilt das Auge
über Menschenwerk und Meereswogen empor
zu dem, dessen Ohr hier einem feierlich großen
Dankeshymnus, einem weihevollen Abendge-
bete lauscht. (Fortsetzung folgt)
VERONESESTUDIEN
Von Dr. BERNHARD PATZAK (Graz)
I.
PAOLO VERONESES FRESKEN IN DER
VILLA »DA MULA« IN ROMANZIOL
(Schluß)
Zu jenen bereits erwähnten poesievollen Kom-
positionen, denen man im Veronesewerk
nicht eben oft begegnet, gehört in dem er-
wähnten Zimmer eine heilige Helena,
die eine vortreffliche Replik zu der »Vision
der heiligen Helena« in London darstellt.
Da das Villenfresko vor jenem Ölbild noch
einige künstlerische Feinheiten voraus hat,
so ist anzunehmen, daß es der Meister selbst
malte. Die schöne Königin ist in natürlicher
Größe, an einem hohen Fenster sitzend, dar-
gestellt, durch welches der blaue Himmel
hereinlacht und der Blick in eine anmutige,
landschaftliche Gebirgsferne schweift. Die
wie in einen Traum versunkene junge Schöne
(auf dem Londoner Bilde schlummert sie),
in deren Gestalt der Künstler sicher eine
venezianische Patrizierin verherrlichte, hat ihr
liebreizendes Blondhaupt auf den rechten Arm
gestützt. Mit der Linken, die lässig auf dem
Schoß ruht, rafft sie zierlich das in unzähligen,
feinen Fältchen fallende schimmernde Seiden-
kleid. Neben ihr auf dem Fensterbrett liegt
die goldene Königskrone. Hoch oben in
der blauen Luft erscheint ihr als Vision das
von entzückenden Engelsputten getragene
Holz der Erlösung, zu dessen Auffindung die
fromme Königin die weite, beschwerliche
Reise ins heilige Land nicht scheute.
Als Gegenstück zu diesem bewunderungs-
würdigen Fresko, das alle Reize paolesker
Kunst in sich vereint, aber leider schon zu
verblassen anfängt, schuf der Künstler auf
dem linken Wandfelde zwei jugendkräftige
Hirtengestalten, die gleichfalls aus einem
Fensterrahmen in eine Landschaft hinaus-
blicken. Der eine stützt sich mit dem linken
Ellbogen auf die Fensterbrüstung. Er hält
das eine Bein über das auf den Boden ge-
stemmte gekreuzt. Diese Gestalt ist in meister-
hafter Verkürzung gemalt. Der andere Jüng-
ling schaut in gerader Haltung ins Land hinaus.
Auf dem zwischen diesen beiden hohen
TARRAGONA KATHEDRALE
Säulenkapitdl des Kreuzgangs (Text S. 36)