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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 2.1905/​1906

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Patzak, Bernhard: Veronesestudien
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Grab eines Augsburgers bei Spezia
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https://doi.org/10.11588/diglit.53157#0036

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22 VERONESESTUDIEN — GRAB EINES AUGSBURGERS BEI SPEZIA

Die übrigen Gemälde dieses Zimmers sind
nach Art von Teppichen auf den Wandflächen
verteilt. Übermalung und Verwahrlosung
haben aber hier bereits manches verdorben.
Auch sind diese Fresken offenbar zum Teil
von Schülerhand ausgeführt.
Die beiden Wandfelder der Eingangswand
zeigen Jakob mit der Engelsleiter und Tobias
mit dem Fisch, von einem Engel geleitet.
Unter dem Charitasbilde erblickt man die Auf-
findung des Moses, die wegen der malerischen
Flußlandschaft sehr anziehend ist, ferner die
Vertreibung aus dem Paradiese: zwei Bilder,
in denen man noch am meisten von Paolos
Erfindungsgabe spürt. Besonders das Moses-
bild zeigt des Meisters starke Mitwirkung. Es
erinnert auch in einigen Einzelzügen an des
Künstlers im Prado zu Madrid befindliches Öl-
gemälde, das den gleichen Vorgang wiedergibt.
Die linke Zimmerwand ist mit einer Personi-
fikation der Keuschheit und mit David vor
Goliath geschmückt gewesen. Diese Bilder
haben aber durch eingedrungene Feuchtigkeit
so stark gelitten, daß man wenig darüber
sagen kann.
Das rechterhand vom Mittelsaal gelegene
Zimmer enthält folgende Fresken.
Das von prächtigen Karyatidenhermen ab-
gegrenzte Mittelbild der oberen Rückwand
zeigt den aus dem Grabe auferstehenden
Christus mit der Siegesfahne in der
Rechten, das männlichschöne Haupt von einer
Strahlengloriole umflossen. Seine Augen strah-
len in lichter Verklärung. Zu seinen Füßen
liegen die gewappneten Wächter im tiefsten
Schlummer. Der von einem leuchtenden
Purpurmantel halb verhüllte Heilandskörper
verrät in seinen edlen Formen Paolos meister-
hafte Kenntnis der Anatomie. Wennirgendwo,
so zeigt sich Veronese in der Villa »Da Mula«
als religiöser Maler ersten Ranges, der er-
habene Monumentalität des Sakralbildes mit
malerischer Auffassung im höchsten künst-
lerischen Sinne zu vereinigen weiß, ohne in
kraftlosen Gefühlsüberschwang zu verfallen.
Selbst den strengeren Anforderungen an die
Auffassung religiöser Themen konnte dieses
Auferstehungsfresko vollauf genügen.
(Schluß folgt)
GRAB EINES AUGSBURGERS
BEI SPEZIA
Nördlich von Spezia, 340 m hoch über dem
Spiegel des Golfes, liegt die uralte Mutter-
kirche der Stadt, die St. Stephanskirche von
Marinasco. Das Gotteshaus hat freilich im

Laufe der Jahrhunderte manche und gründ-
liche Umänderungen erfahren, und nur ein
schmaler Verbindungsstreifen zwischen Kirche
und Glockenturm weist noch auf das zwölfte
Jahrhundert zurück. Bei einer der neuesten
Änderungen hat man, folgend einer Unsitte,
die auch in deutschen Landen bei sogenannten
stilreinigenden Kirchenrestaurationen man-
chem historisch oder künstlerisch wertvollen
Werke den Untergang bereitet hat und wohl
auch noch bereiten wird, ’) die alten Grab-
steine aus den Kirchenwänden weggebrochen
und mit vermeintlichem Kunst- und Pietäts-
sinn in Kreuzesform vor dem Haupteingange
der Kirche als Bodenbelag angebracht, und
die scharfbenagelten Schuhe der umwohnen-
den Bauern werden binnen kurzer Zeit die bar-
barische Aufgabe gelöst haben, die Inschriften
und Ornamente usw. von den Marmorplatten
wegzuscharren. Zum Mittelstück des Kreuzes
hat man begreiflicherweise den ältesten,
weißesten und schmuckreichsten Stein gewählt,
und dieser trägt inmitten einer geschmack-
vollen Renaissanceumrahmung die Inschrift:
HIC IACET THOMAS
THOMZE STACHELY
GERM AN VS AVGVSTAZ
V1NDELIGOR CIVIS
ET MERCATOR OBIIT
LVCZE AETATIS SVBE AN
NO XXVIII MDLXXXI
MENSE DECEMB XXVI
ET IN HAG S. STEPHA
NI JEDE SACRA SPONTE
SEPELARI (sic!) VOLVIT
»Hier liegt des Thomas Sohn, Thomas
Stachely, ein Deutscher, zu Augsburg Bürger
und Kaufmann; er starb zu Lucca im acht-
undzwanzigsten Jahre seines Lebens 1581
am 26. Dezember und hat in diesem heiligen
Tempel des hl. Stephanus nach freier Be-
stimmung begraben werden wollen.«
Thomas Stachely starb also am St. Stephans-
tage des Jahres 1581. Seine Willensbestim-
mung ist aber gewiß nicht hierin oder hierin
allein begründet; denn der St. Stephans-
kirchen gibt es auch andere genug ringsum,
und er hat die Bestimmung wohl auch nicht
erst an seinem Todestage gemacht. Lagen
nicht andere, persönliche Gründe vor, dann
konnte die wahrhaft paradiesische Lage des
Ortes auch im noch Gesunden — oder führte
ihn Krankheit an die Riviera di Levante? —
den Wunsch rege machen, hier am liebsten
z) S. das wohlangebrachte Warnungswort E. v. Oidt-
manns in den Annalen des Hist. Ver. f. d. Niederrhein 58
»Schutz den alten Grabsteinen!«
 
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