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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 2.1905/​1906

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Fäh, Adolf: Kunsthistorische Wanderungen durch Katalonien
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Coböken, Jos. Mar.: Ausstellung von Goldschmiedearbeiten in Breslau
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https://doi.org/10.11588/diglit.53157#0286

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252 ©W KUNSTHISTORISCHE WANDERUNGEN: DER MONTSERRAT

reichen Genüssen kaum den Durchschnittswert
der Mittelmäßigkeit. Zur linken Seite grüßt den
Pilger, einem Adlerhorste gleich, S. Juan
und von der höchsten Spitze des Montserrat
leuchtet die Einsiedelei San Jerönimo. Die
moderne Zeit hat sich in diese Stätten mit
einigen Bequemlichkeiten eingenistet, die sie
dem müden Wanderer bieten will. Ihres
ursprünglichen Charakters stiller Tugendübung
und einsamer, ungestörter Gottesverehrung
sind sie damit völlig entkleidet.
Wir wählen den Rückweg, um über die
sogenannte »Jakobsleiter« zum Kloster zurück-
gelangen zu können. Eine zweite und dritte
Einsiedelei berühren wir. Man erkennt noch
leicht den Grundriß der Kirchlein und ihrer an-
grenzenden Eremitenräume. Aber als Ganzes
sind es trostlose Ruinen, versteinerte Trauer-
gesänge, die aus der herrlichen Natur ans
Ohr klingen, harte Klagen gegen die Roheit
menschlichen Barbarentums, dessen Zerstö-
rungswut nicht einmal diese gottgeweihten
Stätten heilig waren.
Der einrückende Abend macht sich be-
merkbar. Die Pilger eilen ins Gotteshaus.
Wir schließen uns ihnen an, um Zeugen
einer kulturgeschichtlich interessanten Szene
zu sein. Die Sängerschule des Montserrat
wird sich zum Salve einfinden. Die Wieder-
erweckung dieses Knabenchores ist auch ein
Werk der Neuzeit. Er berührt uns wie eine
heimatliche Erscheinung aus ferner Vergangen-
heit, deren Bilder die Gegenwart wieder hervor-
zaubert. St. Gallens Chroniken berichten
wie die so mancher Benediktinerstifte vom
Knabenabte, den einst des Klosters frohe
Schülerschar wählte und den die Tradition
mit manchen, unserm Empfinden etwas frem-
den Privilegien ausstattete. Was dort toter
Buchstabe, ist hier noch volle Wirklichkeit.
Der St. Nikolaustag bringt den jungen Sängern
alljährlich das Fest, welches ihren Tüchtigsten
und Brävsten mit Inful und Stab ausstattet.
Sie nähern sich eben in ihren Talaren und
weißen Chorkleidern, bringen ihre Musik-
instrumente herbei und stellen sich im Kreise
um den Gnadenaltar auf. Das Salve Regina
klingt weihevoll in den stillen Raum hinaus,
hinauf zum Throne der Gnadenmutter. In
uns ruft der Gesang jene Gefühle des Dankes
gegen den hl. Berg, gegen Katalonien und
seine Kunstschätze überhaupt wach, die Ba-
laguer, der Troubadour des Montserrat, in
die Worte kleidete:
O Berg, ich kenn’ dich! Voll Erinnerungen
Des Ruhmes und der Lieb’ bist du für mich.

AUSSTELLUNG VON GOLD-
SCHMIEDEARBEITEN IN BRESLAU
Von JOS. MAR. COBÖKEN
(Fortsetzung)
Etwas jüngeren Datums ist ein Kopf-
reliquiar der heiligen Hedwig, das
sich auf einer neuneckigen Basis erhebt, die
auf sechs Seraphimköpfen ruht. Die Heilige
ist als ältere Frau dargestellt mit Schleier und
Herzogskrone, die mit Granatapfelmuster gra-
viert und mit bunten Glasflüssen besetzt ist.
Darüber befindet sich ein Heiligenschein, der in
durchbrochenen Buchstaben den Namen Sancta
Hedvigis zeigt. Auf der Brust, deren Gewand
mit Granatmuster späten Stils graviert ist, ist
eine runde Glasscheibe eingesetzt, durch die
man die Reliquie, den Kinnbacken, sieht. An
der Basis sind zwei emaillierte Schilde mit
dem polnischen und schlesischen Adler und
die Inschrift: Mandibul (um) S. Hedvigis an-
gebracht, auf der Rückseite die Jahreszahl 15 12.
Als letztes Stück der zweiten Abteilung sei
endlich eine Monstranz1) erwähnt, die Eigen-
tum der Pfarrkirche in Ratibor ist. Dieses
von Friedrich Wilhelm IV. einst bewunderte
und hoch gelobte »wahre Prachtstück« wiegt
nach Berichten von 1752 22 Pfund (nach
heutigem Gewicht 10 kg), ist aus gediegenem
Silber und vergoldet; später ist sie mit ver-
schiedenen Kleinodien von Perlen und Edel-
steinen geschmückt. Da ferner ihre Höhe
1,27 m beträgt, so ist sie meines Wissens die
größte und schwerste Monstranz Deutschlands.
Durch Eigenart und Feinheit des architekto-
nischen Aufbaues ist sie vor allen anderen
in Schlesien ausgezeichnet. Ihre Form weicht
von derjenigen der üblichen Sonnen- usw.
Monstranzen vollständig ab, gleicht vielmehr
einem zierlichen Turm, der nirgends eine
Handhabe zum Umfassen bietet. Ein läng-
liches Sechseck von 33 cm Länge, auf sechs von
Löwen gebildeten Füßen ruhend, bildet die
Grundlage. Darauf erhebt sich mit zierlich
durchbrochenen Leisten und Galerien, von
vier Strebepfeilern und zwei gedrehten Säulen
getragen, das untere Gehäuse mit dem Bilde
des Heilandes, wie er dem zweifelnden Thomas
die Male der Hände und Seite zeigt. Die
Darstellung entspricht der Erscheinung, welche
einst Papst Gregor der Große während des
hl. Meßopfers hatte. Von den Schildern mit
den Leidenswerkzeugen fehlen zwei. An den

J) Schaffer, Geschichte einer Liebfrauengilde, Ratibor
1883. (Abbildung und Beschreibung.) Ferner: Schlesiens
Vorzeit III, 5, S. 69.
 
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