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KUNSTHISTORISCHE WANDERUNGEN: LERIDA
treten derselben bedürfen wir der Erlaubnis
des gobierno militar, des Festungskomman-
danten. Freundliche Aufmerksamkeit hatte
uns dieselbe bereits verschafft. Auf einem
von starken Festungsmauern umschlossenen
Gürtel thront der ernste Beherrscher der
weiten Ebene. Fast düster wirkt das Äußere.
Die ungegliederten Strebepfeiler scheinen
wuchtige Überreste von Fortifikationsanlagen
zu sein (Abb. Nr. 2). Nur Turm- und Chor-
anlage deuten auf den Kultzweck des Baues
hin. Auch nicht entfernt könnte man ahnen,
daß dieses trotzige Mauerwerk eigentliche,
dekorative Juwelen in sich birgt, selbst eine
neue Perspektive für die Beurteilung der spa-
nischen Architektur bis zum 16. Jahrhundert
eröffnet.
Der Gründer der Kathedrale ist König
Peter II., der 1203 den Grundstein legte. 1273
fand die Konsekration statt. Als Baumeister
wird Pedro de Penafreyta (f 1286) genannt.
Der Grundplan zeigt ein dreischiffiges Lang-
haus, dessen Breite im Verhältnis zur Länge
auffällt. Ein stark ausladendes Querschiff ist
dem Hauptchor und den beiden Nebenapsiden
vorgelegt. Uber der Vierung erhebt sich ein
achteckiger Kuppelturm. Zwischen dem Kreuz-
LERIDA GLOCKENTURM DER ALTEN KATHEDRALE
Nr. 2, Text oben
LERIDA
PORTAL DER VERKÜNDIGUNG
Nr. 3, Text unten
gange im Westen und dem Hauptschiffe ragt
ein achteckiger Glockenturm auf, der erst im
15.Jahrhundert seinen Abschluß erhielt.
Bis 1717 diente die Anlage ihrem Zwecke,
wurde sodann vollständig verbaut und ist
heute noch eine Festungskaserne. Die kriege-
rischen Ereignisse des 17. und beginnenden
18. Jahrhunderts mögen die Einwilligung des
Domkapitels zu dieser Änderung abgerungen
haben, da ohnedies der Weg zum Heiligtum
für reifere Jahre, besonders bei drückender
Hitze beschwerlich fallen mußte. Einzig der
Turm steht noch im Dienste der neuen Kathe-
drale, da diese eines solchen entbehrt.
Ein Gang um den Bau führt uns zu den
Portalen. Wir treten zuerst der Puerta de la
Anunciata, der Pforte derVerkündigung Mariä,
näher (Abb. Nr. 3). Die Ornamente der Kapitale
und Pilaster sind romanisch. Das Motiv ge-
drehter Fäden erinnert an textile Vorbilder.
Der energisch profilierte Halbkreisbogen mit
seinen tiefen Hohlkehlen zeigt, dem Auge
auf der Abbildung kaum erkennbar, in den
Ornamenten die nämliche Zartheit. Die beiden
Nischen über den Pfeilern weisen am Ab-
schlüsse den Zackenbogen auf. Über dem
Gewölbescheitel beachten wir im Kreisrund
die Aufnahme des Glückrades mit Benützung
frühchristlicher Motive. Den Schriftfries mit
KUNSTHISTORISCHE WANDERUNGEN: LERIDA
treten derselben bedürfen wir der Erlaubnis
des gobierno militar, des Festungskomman-
danten. Freundliche Aufmerksamkeit hatte
uns dieselbe bereits verschafft. Auf einem
von starken Festungsmauern umschlossenen
Gürtel thront der ernste Beherrscher der
weiten Ebene. Fast düster wirkt das Äußere.
Die ungegliederten Strebepfeiler scheinen
wuchtige Überreste von Fortifikationsanlagen
zu sein (Abb. Nr. 2). Nur Turm- und Chor-
anlage deuten auf den Kultzweck des Baues
hin. Auch nicht entfernt könnte man ahnen,
daß dieses trotzige Mauerwerk eigentliche,
dekorative Juwelen in sich birgt, selbst eine
neue Perspektive für die Beurteilung der spa-
nischen Architektur bis zum 16. Jahrhundert
eröffnet.
Der Gründer der Kathedrale ist König
Peter II., der 1203 den Grundstein legte. 1273
fand die Konsekration statt. Als Baumeister
wird Pedro de Penafreyta (f 1286) genannt.
Der Grundplan zeigt ein dreischiffiges Lang-
haus, dessen Breite im Verhältnis zur Länge
auffällt. Ein stark ausladendes Querschiff ist
dem Hauptchor und den beiden Nebenapsiden
vorgelegt. Uber der Vierung erhebt sich ein
achteckiger Kuppelturm. Zwischen dem Kreuz-
LERIDA GLOCKENTURM DER ALTEN KATHEDRALE
Nr. 2, Text oben
LERIDA
PORTAL DER VERKÜNDIGUNG
Nr. 3, Text unten
gange im Westen und dem Hauptschiffe ragt
ein achteckiger Glockenturm auf, der erst im
15.Jahrhundert seinen Abschluß erhielt.
Bis 1717 diente die Anlage ihrem Zwecke,
wurde sodann vollständig verbaut und ist
heute noch eine Festungskaserne. Die kriege-
rischen Ereignisse des 17. und beginnenden
18. Jahrhunderts mögen die Einwilligung des
Domkapitels zu dieser Änderung abgerungen
haben, da ohnedies der Weg zum Heiligtum
für reifere Jahre, besonders bei drückender
Hitze beschwerlich fallen mußte. Einzig der
Turm steht noch im Dienste der neuen Kathe-
drale, da diese eines solchen entbehrt.
Ein Gang um den Bau führt uns zu den
Portalen. Wir treten zuerst der Puerta de la
Anunciata, der Pforte derVerkündigung Mariä,
näher (Abb. Nr. 3). Die Ornamente der Kapitale
und Pilaster sind romanisch. Das Motiv ge-
drehter Fäden erinnert an textile Vorbilder.
Der energisch profilierte Halbkreisbogen mit
seinen tiefen Hohlkehlen zeigt, dem Auge
auf der Abbildung kaum erkennbar, in den
Ornamenten die nämliche Zartheit. Die beiden
Nischen über den Pfeilern weisen am Ab-
schlüsse den Zackenbogen auf. Über dem
Gewölbescheitel beachten wir im Kreisrund
die Aufnahme des Glückrades mit Benützung
frühchristlicher Motive. Den Schriftfries mit