IX. INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG IN MÜNCHEN 1905
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Kunsttradition in seinen Werken und er ver-
steht es, mit den einfachsten schlichtesten
Mitteln gleich den alten Meistern große Wir-
kung zu erzielen. Die kleine »Johanna«, auf
rotem Bänkchen im Garten sitzend, verdient
besondere Beachtung ob der Sinnigkeit, mit
welcher der Maler die holde Naivität, das
Unschuldsvolle des Kinderantlitzes verkörpert
werden, die »suhlenden Schweine« beweisen
es vollständig. Über Liebermann und Kalch-
reuth, Dettmann, Trübner, W. Leisti-
kow, die als Gäste bei der Sezession ausge-
stellt haben, ist nur zu sagen, daß sie mit
unbedeutenden oder wie Trübner mit miß-
lungenen Arbeiten vertreten sind. Überhaupt
haben die Alten der Sezession es sich ziemlich
JOSEPH GUNTERMANN
WANDGEMÄLDE IN SCHLOSSBERG NÄCHST ROSENHEIM
Die törichten Jungfrauen (Vgl. Beil. S. V)
leicht gemacht
bei diesem inter-
nationalenWett-
streit. Viel bes-
ser als nur je ist
Leo Samber-
ger in seinen
Porträts, er hat
vor allem eine
frische Farbe an
Stelle der brau-
nen Töne ge-
setzt und dies
allein wirkt
schon sympa-
thisch. Ein vor-
zügliches Bild-
nis, an welchem
der flüchtige Be-
schauer jedoch
leicht vorüber-
gehen kann, ist
die Dame in
Schwarz von
Charles Ul-
rich. Da ist
malerische und
zeichnerische
Qualität aufs
glücklichste ver-
einigt und als
Malerei positiv
gekonnt wie bei
Leibi, dem das
Bildchen auch
wahrscheinlich
seine Entsteh-
hat. In diesem Werke sehen wir deutlich
noch das gemeinschaftliche Band, welches
uns mit den großen Künstlern der Vergangen-
heit verbindet und wodurch Zumbusch über
dem Wechsel der Mode steht. Weniges ist
in der Sezession an seine Seite zu stellen und
selbst die ganze fa presto-Malerei Zügels muß
zurücktreten. Und doch, was war und ist
noch dieser Meister der Tiermalerei, eine
Kraftnatur in seinen älteren Werken. Leider
müssen die heurigen Bilder als schwache parerga
in dem reichen Schaffen Zügels bezeichnet
ung verdankt.
lEs soll nun eine Andeutung der Ähnlichkeit
:mit einem anderen Meister durchaus kein Tadel
sein, sowohl bei diesem als anderen Werken,
denn es gibt keinen Künstler, der modernste
nicht ausgeschlossen, welcher nicht entweder
von alten, älteren oder zeitgenössischen Mei-
stern etwas angenommen hätte. Dieses, was
man als »Anregung« oder »Anlehnung« bezeich-
net, ist ja eine naturnotwendige Folge unserer
ganzen menschlichen Kultur überhaupt. Und
so müssen auch die Bilder Kuscheis betrachtet
werden, unter denen wir die reizende Früh-
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Kunsttradition in seinen Werken und er ver-
steht es, mit den einfachsten schlichtesten
Mitteln gleich den alten Meistern große Wir-
kung zu erzielen. Die kleine »Johanna«, auf
rotem Bänkchen im Garten sitzend, verdient
besondere Beachtung ob der Sinnigkeit, mit
welcher der Maler die holde Naivität, das
Unschuldsvolle des Kinderantlitzes verkörpert
werden, die »suhlenden Schweine« beweisen
es vollständig. Über Liebermann und Kalch-
reuth, Dettmann, Trübner, W. Leisti-
kow, die als Gäste bei der Sezession ausge-
stellt haben, ist nur zu sagen, daß sie mit
unbedeutenden oder wie Trübner mit miß-
lungenen Arbeiten vertreten sind. Überhaupt
haben die Alten der Sezession es sich ziemlich
JOSEPH GUNTERMANN
WANDGEMÄLDE IN SCHLOSSBERG NÄCHST ROSENHEIM
Die törichten Jungfrauen (Vgl. Beil. S. V)
leicht gemacht
bei diesem inter-
nationalenWett-
streit. Viel bes-
ser als nur je ist
Leo Samber-
ger in seinen
Porträts, er hat
vor allem eine
frische Farbe an
Stelle der brau-
nen Töne ge-
setzt und dies
allein wirkt
schon sympa-
thisch. Ein vor-
zügliches Bild-
nis, an welchem
der flüchtige Be-
schauer jedoch
leicht vorüber-
gehen kann, ist
die Dame in
Schwarz von
Charles Ul-
rich. Da ist
malerische und
zeichnerische
Qualität aufs
glücklichste ver-
einigt und als
Malerei positiv
gekonnt wie bei
Leibi, dem das
Bildchen auch
wahrscheinlich
seine Entsteh-
hat. In diesem Werke sehen wir deutlich
noch das gemeinschaftliche Band, welches
uns mit den großen Künstlern der Vergangen-
heit verbindet und wodurch Zumbusch über
dem Wechsel der Mode steht. Weniges ist
in der Sezession an seine Seite zu stellen und
selbst die ganze fa presto-Malerei Zügels muß
zurücktreten. Und doch, was war und ist
noch dieser Meister der Tiermalerei, eine
Kraftnatur in seinen älteren Werken. Leider
müssen die heurigen Bilder als schwache parerga
in dem reichen Schaffen Zügels bezeichnet
ung verdankt.
lEs soll nun eine Andeutung der Ähnlichkeit
:mit einem anderen Meister durchaus kein Tadel
sein, sowohl bei diesem als anderen Werken,
denn es gibt keinen Künstler, der modernste
nicht ausgeschlossen, welcher nicht entweder
von alten, älteren oder zeitgenössischen Mei-
stern etwas angenommen hätte. Dieses, was
man als »Anregung« oder »Anlehnung« bezeich-
net, ist ja eine naturnotwendige Folge unserer
ganzen menschlichen Kultur überhaupt. Und
so müssen auch die Bilder Kuscheis betrachtet
werden, unter denen wir die reizende Früh-