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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 2.1905/​1906

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Schmidkunz, Hans: Berliner Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.53157#0121

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SW BERLINER KUNSTBRIEF

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PAUL BECKERT

PORTRÄT DES KAISERS WILHELM II.

Weise nach rückwärts abstuft. Andere Land-
schaften kennzeichnen jene Flächigkeit einer mo-
dernen Richtung, welche den Eindruck erweckt,
als müssten sie Lithographien sein; so die von
E. Gentzel und von E. Proch. Bemerkens-
werter als die gemalten Porträts von N. Bach-
mann sind die Porträtplastiken von J. Lim-
burg; neben Reliefs und einer Büste des Malers
J. Gentz ist eine solche vom Papst Pius X. da,
die sympathisch wirkt, aber doch der vorge-
nannten nachstehen dürfte. Mannigfache Exlibris
von P. Telemann schließen diese Serien ab.
Zuletzt kam hier der »Münchener Aquarellisten-
verein«. Keiner von seinen Vertretern ungewöhn-
lich, doch wohl alle anerkennenswert! M. E.
Giese steht voran; seine »Windmühle«, sein
»Roter Turm in Wollin«, sowie Flußbilder machen
einem die Stimmung jener Gegend gut anschau-
lich. Von F. Hellingrath sind hübsche Bilder
aus der Ampergegend da. Den in gutem Sinne
flächig gearbeiteten Bildern von J. W. Hertling
begegnet man gerne wieder; hier hat er »Aus
der fränkischen Schweiz« und dergl. mehr. Neben
K. Itschner und M. Kleditzsch finden eine
»Hammerschmiede« und ein guter »Herbstwind«
von R. Koeselitz mit Recht eine Anerkennung
als frisch und kernig. H. Kreyssig scheint die
Koloristik als Selbstzweck zu betreiben. Hunde-
bilder von P. Leuteritz und einiges von dem
allbekannten R. Reinicke schließen die Gruppe
heiter ab.
Eine unscheinbare, aber besonders würdige
Ausbeute aus diesen verschiedeutlichen Vorfüh-
rungen war der Maler K. Leip old, in dem an-
scheinend nicht leicht zu findenden wasserkantigen
Orte Wewelsfleth. Eine Marschlandschaft und
ein Markdorf im Winter sind von einer guten
Charakteristik; das letztere eine besonders glück-
liche Darstellung trüber Luft. Denselben Maler
finden wir in einem Lokale, das sich erst allmäh-
lich zu einem Kunstsalon herausbildet: in der
Keramischen Kunstwerkstatt Mutz. Die Pointe
der jetzigen Bildersammlung von Mutz scheint
die ungarische Porträtmalerin Mela Müller zu
sein. Ihre Geschicklichkeit, ein Gesicht typisch
zu charakterisieren, leidet allerdings unter der
Sucht nach mystischen Kitschen. Abgesehen da-
von, daß wir hier ein altes Unglücksbild, »Erden-
wallen« von Emmerich, zu sehen bekommen,
lernen wir in dem Berliner W. Becker einen
Künstler kennen, der ebenfalls zwischen der Geschick-
lichkeit der Darstellung und dem Haschen nach Beson-
derheiten in der Mitte steht. Seine Themen scheinen
hauptsächlich als Mittel zum Zwecke, wuchtig schwere
Farben anzubringen, ausgewählt zu sein. Sturmszenen
wiegen vor; die geballten Gipfel und Wolken gehören
zu des Künstlers Eigenart.
Auch die Plastik wird bei Mutz nicht vergessen.
K. Starck (geb. 1866) ist bereits bekannt; mehrere wert-
volle Bronzeplaketten bringen ihn uns wieder nahe.
H. Hundrieser d. Ä. stellt Aktstatuen aus. E. Bar-
lach, ich glaube aus Wedel im Holsteinischen, zeigt
Kleinplastiken, einen Wandbrunnen, und speziell kera-
mische Reliefs, unter denen das Porträt des Hamburger
Direktors J. Brinckmann besondere Schätzung verdient.
Eben dieser Brinckmann hat auch das Verdienst, die von
uns bereits erwähnten Mutzkeramiken angeregt zu haben.
Am schwersten folgt man den einander ablösenden
Ausstellungen Unbekannter in dem Warenhause Wert-
heim nach. Anfangs August gab es zunächst einige
Deutsche. R. Pietsch aus Grünwald ist geschickt in
der Darstellung des Vorfrühlings und des Morgens, und

noch mehr in der von Bergabhängen, von Zweigen und
Blättern; in letzterer Beziehung verdient sein »Bergherbst«
dauernde Beachtung. Der Hamburger E. Eitner bringt
duftige Bilder »Nacht«, »Bach im Winter« u. a. Sein
Gemälde einer Frau mit Kind scheint uns besser zu
sein als die an W. Trübner erinnernden Köpfe im
Grünen von dem Frankfurter E. Bandel, bei dem das
Können noch merklich hinter dem Wollen zurückbleibt.
Neben dem Brüsseler A. Jamar mit seinen Interieurs
und dergl.fielen diesmal zwei tschechische Prager Künstler
auf: R. Bem und A. Slavicek.
Ende August zog dort eine Schar von jungen Wienern
ein; nichts Hochragendes, einiges Selbständige. Den
Österreichern schließen sich noch der Düsseldorfer
J. Bretz und der Münchener P. P. Müller an.
Der Salon Cassirer huldigt nach wie vor insbe-
sondere den modernen Franzosen und unterrichtet uns
von neuem speziell über den Wirkungskreis von E. M a n e t.
Daneben gibt es eine prächtige Dame mit Sonnenschirm
von Segantini, bei der allerdings das optische Inter-
esse über dem szenischen steht. Unter den Deutschen
sehen wir hier gerne wieder den bereits anerkannten
 
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