BEILAGE ZU »DIE CHRISTLICHE KUNST«, II. JAHRGANG, HEFT n, i. AUGUST 1906
VII
der Vorhalle in Betonsteinen ausgeführt wurden. Durch-
aus ausgeschlossen ist jede Ausführungsart in sogenannter
»sauberer Technik« (Verblender, kleine Fugen, gleich-
mäßig eintöniger Brand der Backsteine und dergl.), da-
gegen wird eine rauhe, auf monumentale Wirkung
berechnete malerische Ausführung mit vorzüglichem
Verband, dauerhaften Steinen und bestem Mörtel be-
absichtigt. Für die Dachdeckung soll möglichst male-
risch wirkender Schiefer in deutscher Deckung mit
First-, Fuß- und Orthsteinen (mit Ausschluß der gerad-
kantigen Schablonenschiefer verwendet werden. Im
Innern kommt ebenfalls der Backstein zu seinem Recht,
weißgefügt an Pfeilern, Säulen, Fensterumrahmungen
und Stirnflächen der Bogen, während die Zwischen-
flächen und Gewölbe mit sich von selbst ergebenden
Unregelmäßigkeiten verputzt und zur Bemalung an ein-
zelnen Stellen, wo Veranlassung zu Andachts- oder
Votivbildern gegeben ist, bestimmt sind. Abbildungen
der Entwurfzeichnungen finden sich' im Zentralblatt der
Bauverwaltung XXIV, Nr. 69, dem wir auch die vor-
stehenden Angaben entnommen haben.
Die katholische Kirche zu Groß-Lichter-
felde bei Berlin, ein Werk des Architekten Geh. Reg.-
Rat Professor Christian Hehl in Charlottenburg, ge-
hört in Anlage, Gruppierung und Formensprache zu den
glücklichsten modernen Werken norddeutscher sakraler
Kunst. Von der Orientierung des Gotteshauses nach
Osten mußte in Rücksicht auf die Lage des Grund-
stücks und dessen vorteilhafte Ausnützung abgesehen
werden. So wurde der Turm auf der Ostseite des Chors
errichtet und mit dem angebauten zweigeschossigen
Pfarrhause zu einer wirkungsvollen Baugruppe vereinigt.
Der saalförmige Kirchenraum mit polygonalem Chor-
schluß und schmalen niederen Seitenschiffen enthält
400 Sitzplätze und 600 Stehplätze. Er ist in Formen
der frühgotischen Bauweise in roten Handstrichsteinen
in Klosterformat ausgeführt; auch die Architekturteile
des Äußern wie Innern und die Erdgeschoßmauern des
Pfarrhauses sind aus demselben Material gefertigt. Das
Obergeschoß und die Giebel des Pfarrhauses wurden
im Charakter der Holzarchitektur Niedersachsens in
Fachwerk ausgeführt, wobei die sichtbaren Kieferholz-
teile dunkelbraun gebeizt und mit heißem Öl getränkt,
die Zwischenfelder ausgemauert, geputzt und mit Kalk-
milch geschlemmt worden sind. Die Beheizung des
Kirchenraums und des Pfarrhauses erfolgt durch eine
Niederdruck-Dampfheizung die Beleuchtung auf elek-
trischem Wege durch eine eigene Kraftstation im Keller-
raum der Kirche. Die Gesamtausführung des Baues ohne
die Kosten der inneren Ausstattung und der elektrischen
Beleuchtungsanlage kostete 247 207 M.; davon entfallen
auf den Kirchenbau 137207 M., auf den Turmbau
54000 M., und auf das Pfarrhaus 56000 M. Hiernach
kamen 1 m3 umbauten Raumes der Kirche bei einem
Inhalt von 74000 m3 auf ungefähr 18,54 M. zu stehen,
1 m3 des Turmes bei einem Inhalt von 2160 m3 auf
rund 25 M., und 1 m3 des Pfarrhauses bei einem Inhalt
von 2031 m3 auf etwa 27,5 M.
BÜCHERSCHAU
KlassikerderKunst in Gesamtausgaben, 5. Band:
Rubens. Des Meisters Gemälde in 551 Abbildungen.
Mit einer biographischen Einleitung von Adolf Rosen-
berg. In vornehmem Leinenband M. 12.— Stuttgart,
Deutsche Verlagsanstalt 1905.
Das Lebenswerk eines Künstlers offenbart uns seine
Persönlichkeit. Wenn seine Schöpfungen an unserem
Auge vorüberziehen, so schauen wir zugleich Art und
Umfang seiner geistigen Interessen, die Richtung und
Stärke seiner Phantasie, die Tiefe seiner Empfindung,
seiner Geistes- und Herzensbildung. Doch da der Künstler
ein Stück und in mancher Beziehung ein Produkt seiner
Zeit ist, so spiegelt sich in seinem Lebenswerk auch
das Kulturleben seiner Zeit ab und das um so deut-
licher, je inniger er mit ihr verwachsen war und je
mehr sich die führenden Geister seines Genius ange-
nommen haben. Die vom Künstler verfolgte Wahl der
Themen und die Art, wie er sie gestaltet, wird in hohem
Grade von der jeweiligen Kulturströmung, von der Um-
gebung des Künstlers und von dem geistigen Niveau
seiner Auftraggeber beeinflußt. Ist der Gesichtskreis
und die Gestaltungskraft des Künstlers enge begrenzt
oder konnte er sich infolge ungünstiger Verhältnisse
nicht seiner Begabung entsprechend ausleben, so hat
er uns auch über sein Inneres und über das Geistes-
leben seiner Zeit nicht viel zu sagen. Aber ein Meister,
dem nichts fremd ist, was seine Mitwelt bewegt, dessen
ganze reiche Persönlichkeit in und mit seiner Zeit lebt,
genießt und ringt, deckt uns das Herz seiner Periode
auf, abgesehen von der Fülle edelster Anregung und
höchsten künstlerischen Genusses, mit dem er uns über-
schüttet. Schon aus diesen Gründen heißt der Kunst-
freund die Gesamtausgaben der Abbildungen nach einer
Reihe der Werke der ersten Meister willkommen, wie
sie unter dem Titel »Klassiker der Kunst« von der
Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart herausgegeben
werden. Wie wir früher (I.Jahrg., 4. Heft) berichteten,
sind zunächst Raffael, Rembrandt, Tizian und Dürer er-
schienen, seitdem reihten sich Rubens, Velasquez und
Michelangelo an. — Einer der gewaltigsten Künstler
ist P. P. Rubens, von dessen Schaffen der V. Band
der Klassiker der Kunst ein anschauliches Bild gewährt.
Er umfaßt alle Zweige seiner Kunst mit höchster Meister-
schaft, ist bewunderungswürdig im Porträt, hinreißend
in seinen figürlichen Kompositionen durch den dramati-
schen Zug und die Leidenschaft der Erfindung, groß-
artig in der Fülle und dem Geschmack seines Kolorits.
Da wir vor jedes Kunstwerk unser eigenes, oft ganz
anders geartetes Ich mitbringen, als jenes des Künstlers
war, so wird es uns den Schöpfungen einer stark
ausgeprägten Künstlerpersönlichkeit gegenüber oft recht
schwer, solche Werke ganz gerecht zu würdigen und
rückhaltlos zu genießen. Es ist daher nicht verwunder-
lich, wenn Rubens — wie andere große Meister, z. B.
Michelangelo — nicht von allen gleichartig beurteilt
wird und wenn mancher Kunstfreund die eine oder
andere Seite seines Wesens und Wirkens weniger
sympathisch empfindet. Die vorliegender Rubens-Aus-
gabe beigefügte Biographie des Künstlers ist sehr an-
genehm geschrieben und wohl geeignet, den Genuß an
den Illustrationen zu erhöhen, deren technische Aus-
führung sehr zu loben ist. Den unmotivierten Ausfall
auf die Erziehungsmethode der Jesuiten (S. XII) hätte
sich der Autor ersparen können. r.
Raffaels »Disputa«. Eine kritische Studie über ihren
Inhalt von Dr. Anton Groner. Mit zwei Lichtdruck-
tafeln. Straßburg, Heitz & Mündel 1905. (Preis
3.50 M.)
Das immerhin etwas lehrhafte, umfang- und be-
ziehungsreiche Programm, das Raffael in seinem der
Theologie gewidmeten Gemälde — man nennt es ziem-
lich unpassend »Disputa« — darzustellen hatte, brachte
es mit sich, daß über die Idee des großartigen Bildes
auseinandergehende Meinungen sich bilden konnten
und zwar nicht bloß über Details, sondern sogar über
die Hauptabsicht des Künstlers. Die vorliegende
Gronersche Studie gibt einen klaren Überblick über
die begangenen Mißgriffe bei Erklärung des Gemäldes
und sucht dann aus demselben heraus dessen Inhalt
abzuleiten. Der Verfasser hat jedenfalls in den Haupt-
VII
der Vorhalle in Betonsteinen ausgeführt wurden. Durch-
aus ausgeschlossen ist jede Ausführungsart in sogenannter
»sauberer Technik« (Verblender, kleine Fugen, gleich-
mäßig eintöniger Brand der Backsteine und dergl.), da-
gegen wird eine rauhe, auf monumentale Wirkung
berechnete malerische Ausführung mit vorzüglichem
Verband, dauerhaften Steinen und bestem Mörtel be-
absichtigt. Für die Dachdeckung soll möglichst male-
risch wirkender Schiefer in deutscher Deckung mit
First-, Fuß- und Orthsteinen (mit Ausschluß der gerad-
kantigen Schablonenschiefer verwendet werden. Im
Innern kommt ebenfalls der Backstein zu seinem Recht,
weißgefügt an Pfeilern, Säulen, Fensterumrahmungen
und Stirnflächen der Bogen, während die Zwischen-
flächen und Gewölbe mit sich von selbst ergebenden
Unregelmäßigkeiten verputzt und zur Bemalung an ein-
zelnen Stellen, wo Veranlassung zu Andachts- oder
Votivbildern gegeben ist, bestimmt sind. Abbildungen
der Entwurfzeichnungen finden sich' im Zentralblatt der
Bauverwaltung XXIV, Nr. 69, dem wir auch die vor-
stehenden Angaben entnommen haben.
Die katholische Kirche zu Groß-Lichter-
felde bei Berlin, ein Werk des Architekten Geh. Reg.-
Rat Professor Christian Hehl in Charlottenburg, ge-
hört in Anlage, Gruppierung und Formensprache zu den
glücklichsten modernen Werken norddeutscher sakraler
Kunst. Von der Orientierung des Gotteshauses nach
Osten mußte in Rücksicht auf die Lage des Grund-
stücks und dessen vorteilhafte Ausnützung abgesehen
werden. So wurde der Turm auf der Ostseite des Chors
errichtet und mit dem angebauten zweigeschossigen
Pfarrhause zu einer wirkungsvollen Baugruppe vereinigt.
Der saalförmige Kirchenraum mit polygonalem Chor-
schluß und schmalen niederen Seitenschiffen enthält
400 Sitzplätze und 600 Stehplätze. Er ist in Formen
der frühgotischen Bauweise in roten Handstrichsteinen
in Klosterformat ausgeführt; auch die Architekturteile
des Äußern wie Innern und die Erdgeschoßmauern des
Pfarrhauses sind aus demselben Material gefertigt. Das
Obergeschoß und die Giebel des Pfarrhauses wurden
im Charakter der Holzarchitektur Niedersachsens in
Fachwerk ausgeführt, wobei die sichtbaren Kieferholz-
teile dunkelbraun gebeizt und mit heißem Öl getränkt,
die Zwischenfelder ausgemauert, geputzt und mit Kalk-
milch geschlemmt worden sind. Die Beheizung des
Kirchenraums und des Pfarrhauses erfolgt durch eine
Niederdruck-Dampfheizung die Beleuchtung auf elek-
trischem Wege durch eine eigene Kraftstation im Keller-
raum der Kirche. Die Gesamtausführung des Baues ohne
die Kosten der inneren Ausstattung und der elektrischen
Beleuchtungsanlage kostete 247 207 M.; davon entfallen
auf den Kirchenbau 137207 M., auf den Turmbau
54000 M., und auf das Pfarrhaus 56000 M. Hiernach
kamen 1 m3 umbauten Raumes der Kirche bei einem
Inhalt von 74000 m3 auf ungefähr 18,54 M. zu stehen,
1 m3 des Turmes bei einem Inhalt von 2160 m3 auf
rund 25 M., und 1 m3 des Pfarrhauses bei einem Inhalt
von 2031 m3 auf etwa 27,5 M.
BÜCHERSCHAU
KlassikerderKunst in Gesamtausgaben, 5. Band:
Rubens. Des Meisters Gemälde in 551 Abbildungen.
Mit einer biographischen Einleitung von Adolf Rosen-
berg. In vornehmem Leinenband M. 12.— Stuttgart,
Deutsche Verlagsanstalt 1905.
Das Lebenswerk eines Künstlers offenbart uns seine
Persönlichkeit. Wenn seine Schöpfungen an unserem
Auge vorüberziehen, so schauen wir zugleich Art und
Umfang seiner geistigen Interessen, die Richtung und
Stärke seiner Phantasie, die Tiefe seiner Empfindung,
seiner Geistes- und Herzensbildung. Doch da der Künstler
ein Stück und in mancher Beziehung ein Produkt seiner
Zeit ist, so spiegelt sich in seinem Lebenswerk auch
das Kulturleben seiner Zeit ab und das um so deut-
licher, je inniger er mit ihr verwachsen war und je
mehr sich die führenden Geister seines Genius ange-
nommen haben. Die vom Künstler verfolgte Wahl der
Themen und die Art, wie er sie gestaltet, wird in hohem
Grade von der jeweiligen Kulturströmung, von der Um-
gebung des Künstlers und von dem geistigen Niveau
seiner Auftraggeber beeinflußt. Ist der Gesichtskreis
und die Gestaltungskraft des Künstlers enge begrenzt
oder konnte er sich infolge ungünstiger Verhältnisse
nicht seiner Begabung entsprechend ausleben, so hat
er uns auch über sein Inneres und über das Geistes-
leben seiner Zeit nicht viel zu sagen. Aber ein Meister,
dem nichts fremd ist, was seine Mitwelt bewegt, dessen
ganze reiche Persönlichkeit in und mit seiner Zeit lebt,
genießt und ringt, deckt uns das Herz seiner Periode
auf, abgesehen von der Fülle edelster Anregung und
höchsten künstlerischen Genusses, mit dem er uns über-
schüttet. Schon aus diesen Gründen heißt der Kunst-
freund die Gesamtausgaben der Abbildungen nach einer
Reihe der Werke der ersten Meister willkommen, wie
sie unter dem Titel »Klassiker der Kunst« von der
Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart herausgegeben
werden. Wie wir früher (I.Jahrg., 4. Heft) berichteten,
sind zunächst Raffael, Rembrandt, Tizian und Dürer er-
schienen, seitdem reihten sich Rubens, Velasquez und
Michelangelo an. — Einer der gewaltigsten Künstler
ist P. P. Rubens, von dessen Schaffen der V. Band
der Klassiker der Kunst ein anschauliches Bild gewährt.
Er umfaßt alle Zweige seiner Kunst mit höchster Meister-
schaft, ist bewunderungswürdig im Porträt, hinreißend
in seinen figürlichen Kompositionen durch den dramati-
schen Zug und die Leidenschaft der Erfindung, groß-
artig in der Fülle und dem Geschmack seines Kolorits.
Da wir vor jedes Kunstwerk unser eigenes, oft ganz
anders geartetes Ich mitbringen, als jenes des Künstlers
war, so wird es uns den Schöpfungen einer stark
ausgeprägten Künstlerpersönlichkeit gegenüber oft recht
schwer, solche Werke ganz gerecht zu würdigen und
rückhaltlos zu genießen. Es ist daher nicht verwunder-
lich, wenn Rubens — wie andere große Meister, z. B.
Michelangelo — nicht von allen gleichartig beurteilt
wird und wenn mancher Kunstfreund die eine oder
andere Seite seines Wesens und Wirkens weniger
sympathisch empfindet. Die vorliegender Rubens-Aus-
gabe beigefügte Biographie des Künstlers ist sehr an-
genehm geschrieben und wohl geeignet, den Genuß an
den Illustrationen zu erhöhen, deren technische Aus-
führung sehr zu loben ist. Den unmotivierten Ausfall
auf die Erziehungsmethode der Jesuiten (S. XII) hätte
sich der Autor ersparen können. r.
Raffaels »Disputa«. Eine kritische Studie über ihren
Inhalt von Dr. Anton Groner. Mit zwei Lichtdruck-
tafeln. Straßburg, Heitz & Mündel 1905. (Preis
3.50 M.)
Das immerhin etwas lehrhafte, umfang- und be-
ziehungsreiche Programm, das Raffael in seinem der
Theologie gewidmeten Gemälde — man nennt es ziem-
lich unpassend »Disputa« — darzustellen hatte, brachte
es mit sich, daß über die Idee des großartigen Bildes
auseinandergehende Meinungen sich bilden konnten
und zwar nicht bloß über Details, sondern sogar über
die Hauptabsicht des Künstlers. Die vorliegende
Gronersche Studie gibt einen klaren Überblick über
die begangenen Mißgriffe bei Erklärung des Gemäldes
und sucht dann aus demselben heraus dessen Inhalt
abzuleiten. Der Verfasser hat jedenfalls in den Haupt-