Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 9.1917
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https://doi.org/10.11588/diglit.26456#0295
DOI Heft:
Heft 15/16
DOI Artikel:Lüthgen, Eugen: Die Sammlung Dr. Richard von Schnitzler in Cöln, [1]
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.26456#0295
DIE SAMMLUNG DR. RICHARD VON SCHNITZLER IN CÖLN
Abb. 14. Mittelrheinifche Madonna.
Abb. 15. Madonna. Cöin.
der eigentliche Gehalt Jpätgotifcher Ausdrucksgeftaltung in reizvoiifter Anmut der Form-
gebung ausfpricht, birgt die Sammlung von Schnitter einige der fchönften Stücke.
Für den Übergang aus dem weichen, geschwungenen Stil der erften Hälfte des
15. Jahrhunderts zu dem reich bewegten, brüchigen Gewandftii Jpätgotifcher Anfchau-
ung ift ein leuchtertragender kniender Chorknabe höchft kennzeichnend. Noch fließen
die Gewandftege in gleitenden Kurven über die weichen Rundungen des wenig ge-
gliederten Gewandftoffes (Abb. 13). In breiter Maffe lagert fich der Gewandfaum,
kreisförmig faft, um die kniende Geftait, fo einen natürlichen Sockel für die anmutig-
reiche und zugleich lebensvolle Haltung des Körpers bietend. Aber fchon wirkt die
finnliche Schönheit des Körpers durch das Gewand hindurch, d. h. der Körper unter
dem Gewände beginnt fein eigenes Leben zu beanfpruchen. Die Körperformen find
die Gerüftformen, denen in logifcher Gliederung des Aufbaues die Gewandfälteiung
folgt. Das find die deutlichen Kennzeichen der neuen Wirklichkeitsbeobachtung. Alle
Zufammenhänge in dem Organismus Jollen erkannt werden. Das natürliche Gewachfen-
fein des Körpers foll in feiner Sinnlichen Kraft und Fülle des Lebens dem Befchauer
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Abb. 14. Mittelrheinifche Madonna.
Abb. 15. Madonna. Cöin.
der eigentliche Gehalt Jpätgotifcher Ausdrucksgeftaltung in reizvoiifter Anmut der Form-
gebung ausfpricht, birgt die Sammlung von Schnitter einige der fchönften Stücke.
Für den Übergang aus dem weichen, geschwungenen Stil der erften Hälfte des
15. Jahrhunderts zu dem reich bewegten, brüchigen Gewandftii Jpätgotifcher Anfchau-
ung ift ein leuchtertragender kniender Chorknabe höchft kennzeichnend. Noch fließen
die Gewandftege in gleitenden Kurven über die weichen Rundungen des wenig ge-
gliederten Gewandftoffes (Abb. 13). In breiter Maffe lagert fich der Gewandfaum,
kreisförmig faft, um die kniende Geftait, fo einen natürlichen Sockel für die anmutig-
reiche und zugleich lebensvolle Haltung des Körpers bietend. Aber fchon wirkt die
finnliche Schönheit des Körpers durch das Gewand hindurch, d. h. der Körper unter
dem Gewände beginnt fein eigenes Leben zu beanfpruchen. Die Körperformen find
die Gerüftformen, denen in logifcher Gliederung des Aufbaues die Gewandfälteiung
folgt. Das find die deutlichen Kennzeichen der neuen Wirklichkeitsbeobachtung. Alle
Zufammenhänge in dem Organismus Jollen erkannt werden. Das natürliche Gewachfen-
fein des Körpers foll in feiner Sinnlichen Kraft und Fülle des Lebens dem Befchauer
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