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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 9.1917

DOI Heft:
Heft 17/18
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Lüthgen, Eugen: Die Sammlung Dr. Richard von Schnitzler in Cöln, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26456#0327

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DIE SAMMLUNG DR. RICHARD VON SCHNITZLER IN CÖLN


denken. Es find manche ähnliche Züge
vorhanden, die [ich aus der AHgemein-
gültigkeit eines kennzeichnenden Zeit-
[tiles im Beginn des 15. Jahrhunderts
erklären Ia[[en. In dem Wefenhaften
der künftlerifchen Auffa[[ung aber trennt
beide Werke eine tiefe Kluft. Die Frank-
furter Pieta geht ganz auf in ihrer
mittelrheinifchen Gefühlsbetontheit. Der
herbe, fdimerzvolle Ausdruck der Mutter
des Herrn erinnert an die qualerfüllte
Ergriffenheit, die den ausdrucksftärkften
Schöpfungen der Pieta in Fri&lar und im
Bonner Provinzialmufeum wie audh der
Holzpieta des Frankfurter Liebighaufes
das bezwingende Gepräge perfönlichfter
Geftaltungskraft geben. Gleichzeitig auch
erinnert die Frankfurter Marmorpieta in
ihrer ganzen technifchen Behandlung an
diefe drei vorbildlichen Werke der Holz-
fchneidekunft. Der Marmor läßt deutlich
in feiner Oberflächenbehandlung die
Merkmale der Holzplaftik erkennen.
Ganz anders die Pieta der Samm-
lung von Schnitter. Der erfte, ftärkfte
Eindruck geht von der unvergleichlichen
Vollendung der Steinbehandlung aus.
Hier war ein Meifter am Werke, der
gewohnt war, dem fpröden Stoffe des
Steines alle lockenden Reize der mannig-
faltigen Schönheit des Materiales abzu- Abb. 31- Kruzifix. Buchsbaum,
gewinnen. Mit unvergleichlicher Kraft
ift der Meißel in den dunkeln Schattenmaffen der Gewandung bis in die tiefften
Schichten des Steines eingedrungen. Die Faltenftege leuchten in ihrer gefchmeidigen
Glätte wie helle, aufbauende Gerüftlinien aus den dunkeln Tiefen hervor. Und in der
gleichen fpiegelnden Rundung in taufendfacher, feinfter Oberflächenmodellierung find
die edel-schlanken Formen des großen Körpers Chrifti gebildet.
Der Aufbau der Gruppe zeugt von gefammelter Gefchloffenheit der Wirkung. Trot;
der faft überreichen, prunkvollen Gewandbehandlung ift der Eindruck ftiller Einfalt
nnd großer Ruhe gewahrt. In klar aufgeteiltem Dreiecksbau gliedert [ich die Gruppe
in der betonten Wagerechten des Körpers des Heilandes und der herb ftrengen Senk-
rechten der aufrecht p^enden Madonna. Dabei find alle Merkmale des Graufigen und
Abftoßenden, das der Darftellung der Pieta um 1400 häufig in reichem Maße zuerteilt
wird, bewußt vermieden. Wie in dem Aufbau, in dem fchönen Maßhalten die klingende
Harmonie eines wandlungsreichen Formrhythmus Leben gewann, fo herrfcht die
gleiche Anfchauung einer Bändigung und eines Verhaltenfeins des Schmerzes in dem
feelifchen Erleben, das dem gefühlsmäßigen Ausdruck zugrunde liegt. Es ift kaum
 
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